Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein „Riesentag“macht Lust auf mehr
Fußball: Spatzen-Spieler David Braig und das Erlebnis DFB-Pokal
EHINGEN - Mit dem Sieg gegen Eintracht Frankfurt hat der Fußball-Regionalligist SSV Ulm 1846 für eine dicke Überraschung im DFB-Pokal gesorgt und eine Stadt, ja eine Region, in Euphorie versetzt. Teil dieser Geschichte ist der Spatzen-Stürmer David Braig aus Dintenhofen, der seit Jugendtagen für die Ulmer spielt. Viel hat er mit dem Traditionsverein schon erlebt, an den Erfolg gegen den Bundesligisten reicht aber wenig heran.
Dass der Regionalligist am Samstag die Eintracht mit 2:1 in die Knie gezwungen hatte, beschäftigte Braig auch in den Tagen danach. In Ruhe schaute er sich das Spiel im TV-Sender Sky noch einmal an. Und staunte ein weiteres Mal. Auch wenn sich die Spatzen schon etwas ausgerechnet hatten gegen Frankfurt, so war es doch „unfassbar, dass wir den Pokalverteidiger rausgeworfen haben“, sagt er. Und das im Donaustadion, das ausverkauft war. Zu Ulms Bundesliga-Zeiten war David Braig als kleiner Junge unter den Zuschauern in einem voll besetzten Stadion, aber dass er dies einmal als Spatzen-Spieler erleben würde, „das hätte ich nicht gedacht“.
Braig, der seine zwölfte Saison im Trikot des SSV Ulm 1846 bestreitet, stets Stammkraft und oft erfolgreichster Torschütze seines Teams war, stand gegen Frankfurt nicht in der Startelf. Aber er kam zum Einsatz, knapp 20 Minuten vor Ende löste er Vitalij Lux ab, kurz nach dessen Treffer zum 2:0. Braig hatte die Chance zum 3:0. „Mit dem dritten Tor hätten wir richtig Ruhe gehabt“, sagt der 27Jährige und ergänzt schmunzelnd: „Aber dann wäre es auch nicht mehr so spannend gewesen.“Denn die Eintracht verkürzte noch auf 2:1, mehr gelang dem Bundesligisten nicht.
David Braig ist froh, zumindest 20 Minuten gespielt zu haben, auch wenn er viel lieber von Beginn an auf dem Feld gestanden hätte. Sein Pech war, dass er sich drei Wochen vor dem Regionalliga-Start einen Faserriss zugezogen hatte und pausierte, als die Mannschaft gut in die Runde startete und die anderen Angreifer wie Steffen Kienle (schoss auch das 1:0 gegen Frankfurt) und Vitalij Lux erfolgreich waren. „Wenn es läuft und die Stürmer treffen, gibt es keinen Grund zu wechseln“, so Braig. „Ich muss auf meine Chance warten.“
Erst seit eineinhalb Wochen sei er
wieder topfit, sagt Braig. Im Liga-Spiel gegen Offenbach (2:1) wurde er in der 84. Minute eingewechselt, im Pokalduell gegen Frankfurt kam er 20 Minuten vor Ende. „Zum Glück durfte ich bei so einem Riesenspiel noch rein“, sagt der 27-Jährige. Er trug seinen Teil zu der Sensation bei, mit der sich die Mannschaft selbst begeisterte („Aus dem Spiel ziehen wir ordentlich Selbstvertrauen“) und Tausende Zuschauer mitriss. „Ich weiß nicht, wie lange unsere Ehrenrunde im Stadion gedauert hat“, so Braig, mit dem sich auch die Familie, Freunde und Bekannte im Stadion freuten.
Nie hatte der Dintenhofener im Vorfeld eines Spiels so viele Anfragen wegen Eintrittskarten erhalten („Fast 200 Tickets habe ich besorgt“), nie zuvor hatten sich so viele Freunde und Bekannte aus der alten Heimat nach Ulm aufgemacht. Tom Breymaier von der TSG Rottenacker habe „einen Bus organisiert“, so Braig. Gute Kontakte hat der Dintenhofener auch zu Spielern des SSV Ehingen-Süd, der seinen Verbandsliga-Auftakt gegen Wangen am Samstag wegen des Ulmer Pokalspiels vorverlegt hatte. Viele wollten im Donaustadion sein. „Es waren so viele Gesichter da, die man von zu Hause kennt“, so Braig.
Keiner dürfte sein Kommen bereut
haben und nach dem Abpfiff wollte auch kaum einer der Spatzen-Fans rasch nach Hause. Die Zuschauer ließen auch die Ulmer Spieler lange nicht gehen, viel Zeit verstrich, bis die Mannschaft in der Kabine war. Dort wurde weitergefeiert, die ARD-Sportschau am Samstagabend zeigte singende Spieler in der Kabine – im Vordergrund zu erkennen waren einige Kisten Cola. Cola nach so einem Triumph? Dies habe er gar nicht mitbekommen, sagt Braig verschmitzt. Das Getränk der Wahl bei der Mannschaft war am Samstagabend ohnehin ein anderes, gegen das eine und andere Bier „hatte an so einem Riesentag niemand Einwände gehabt“. Auch nicht gegen die spätere Feier in einem Lokal in der Ulmer Innenstadt, zu der sich auch viele Fans gesellten.
Rückkehr zum Liga-Alltag
„Wir haben den Samstag komplett genossen“, sagt David Braig. „Aber jetzt müssen wir den Schalter umlegen.“Schneller, als den Spatzen lieb ist, steht wieder der Liga-Alltag an, schon am heutigen Dienstag holt die Mannschaft von Trainer Holger Bachthaler ihr Punktspiel in Worms nach und hat die Chance, an die Tabellenspitze der Regionalliga Südwest zurückzukehren. „So schwierig es ist, aber ab heute
zählt wieder die Liga“, so Braig. Und der WFV-Pokal, der für die Spatzen am 29. August mit dem Spiel beim ALigisten Eislingen beginnt. Der württembergische Verbandspokal ist für Ulm wichtig, denn er ist die Eintrittskarte zum DFB-Pokal und zu der Bühne, auf der man ganz großen Emotionen erleben kann.
„Das Spiel gegen Frankfurt soll nicht das letzte große Highlight gewesen sein“, sagt Braig, der vor wenigen Monaten sein Studium zum Wirtschaftsingenieur abschloss und sich derzeit auf den Fußball konzentriert. Wer weiß, was die Spatzen in der Regionalliga erreichen oder welches Los sie im DFB-Pokal trifft. Braigs ursprünglicher Wunschgegner wird es nicht sein. „Ich wollte, dass der VfB Stuttgart kommt, aber der ist leider rausgeflogen“, sagt er. „Doch auch die Bayern dürfen es gern sein, auf Köln mit seinen Fans würde ich mich ebenfalls freuen. Oder auf Heidenheim, das wäre ein richtiges Derby.“
Vielleicht auch erst Heidenheim und eine Runde später Köln oder München. Niemand mag ausschließen, schon gar nicht Braig und seine Ulmer Teamkollegen, dass in dieser bisher für die Spatzen so vielversprechenden Saison nicht ein weiterer Favorit im Donaustadion strauchelt.