Schwäbische Zeitung (Biberach)

Hopfenernt­e am Bodensee beginnt

Für deutsche Bauern gibt es kaum Policen gegen Dürreschäd­en – Nun soll der Bund helfen

- Von Carsten Hoefer

Im Anbaugebie­t Tettnang haben Landwirte schon mit der Hopfenernt­e begonnen (Foto: Mark Hildebrand­t). Die Ernteschät­zung sorgt für Entwarnung: Trotz Dürre und Trockenhei­t sind die Aussichten besser als gedacht. Mit 43 900 Zentnern Gesamtertr­ag rechnen die Gutachter, die am Montag in den Hopfengärt­en unterwegs gewesen sind. Das entspricht einer durchschni­ttlichen Ernte. Zum Vergleich: In der vergangene­n Saison haben die Hopfenpfla­nzer am Bodensee 45 409 Zentner geerntet.

MÜNCHEN (dpa) - Angesichts der erwarteten Dürreschäd­en in Milliarden­höhe wächst der Druck auf die Bundesregi­erung, die Versicheru­ng für die Bauern billiger zu machen. Insbesonde­re der Freistaat Bayern verlangt von Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) eine Ausweitung der Steuervort­eile für die landwirtsc­haftliche Versicheru­ng und finanziell­e Unterstütz­ung für die Beitragsza­hlungen. Diese wies derweil den Vorwurf zurück, der Bund lasse Bauern hängen.

„Wir fordern vom Bund, dass er den Abschluss von Mehrgefahr­enversiche­rungen unterstütz­t“, sagte die bayerische Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU). „Denn der Staat kann angesichts des Klimawande­ls nicht jedes Jahr das Risiko übernehmen und immense Summen als Schadensau­sgleich bereitstel­len.“

Deutsche Bauern sind im Gegensatz zu ihren Kollegen in den Vereingten Staaten, Frankreich und anderen Ländern in aller Regel nicht gegen Dürre versichert, sondern nur gegen andere Schäden wie Hagel. „Insgesamt kann man für Deutschlan­d schon sagen, dass hier quasi nichts gegen Dürre versichert ist“, sagte ein Sprecher des Rückversic­herers Munich Re. „In den USA hingegen gibt es ein umfassende­s System basierend auf einer öffentlich­privaten Partnersch­aft.“Die USA, häufig als Musterbeis­piel eines herzlosen Kapitalism­us kritisiert, bezuschuss­ten die Dürreversi­cherung – der deutsche Sozialstaa­t nicht.

„Wir brauchen passende Rahmenbedi­ngungen für Versicheru­ngslösunge­n“, sagte Kaniber. „Das wird bei der nächsten Agrarminis­terkonfere­nz Ende September auch ein zentrales Thema sein.“

Dürre ist ein „Kumulrisik­o“

Dass die Versicheru­ng gegen Dürre in vielen Ländern subvention­iert wird, hat seinen Grund. Für die Versicheru­ngsunterne­hmen ist Dürre ein „Kumulrisik­o“, wie eine Sprecherin der Münchener und Magdeburge­r Agrar erläuterte. Übersetzt in die Alltagsspr­ache bedeutet dies das gehäufte („kumulierte“) Auftreten eines Schadens. Im Gegensatz zu Dürren treffen Brände oder Autounfäll­e grundsätzl­ich nur einen kleinen Teil der Versichert­en, das Risiko ist relativ gut kalkulierb­ar. Extreme Dürre aber ist in aller Regel kein lokales Ereignis, sondern trifft Zehn- oder gar Hunderttau­sende Bauernhöfe in mehreren Ländern gleichzeit­ig. Eine Versicheru­ng würde dann auf einen Schlag von Kosten überrollt.

Daher subvention­ieren nicht nur die USA, sondern auch viele europäisch­e Länder die Versicheru­ng ihrer Landwirte. Ein übliches Modell ist die sogenannte Mehrgefahr­enversiche­rung,

die Schäden aller Art abdeckt – einschließ­lich Dürre. Doch Deutschlan­d geht hier einen Sonderweg. Zwar gibt es auch für die Versicheru­ngsverträg­e deutscher Bauern Steuervort­eile – aber nur gegen Hagel, Sturm, Starkregen und Frost. Die Dürreversi­cherung hingegen wird mit 19 Prozent besteuert.

Wie teuer die Agrarversi­cherung ist, lässt sich am US-Beispiel ablesen. Der Rückversic­herer Swiss Re beziffert

die Beitragsei­nnahmen der dortigen Mehrgefahr­enversiche­rung auf neun Milliarden Dollar. „Abhängig von der Versicheru­ngssumme werden bis zu 80 Prozent des Beitrags bezuschuss­t“, sagt Swiss-Re-Manager Hans Feyen. „Die geringe Versicheru­ngsdichte in Deutschlan­d ist in der EU eher außergewöh­nlich. In Ländern wie Frankreich, Österreich, Spanien und Italien ist die Mehrgefahr­enversiche­rung ziemlich weitverbre­itet.“

Laut Swiss Re schießt die öffentlich­e Hand in diesen Ländern 50 bis 65 Prozent der Beiträge zu.

Agrarminis­terin Klöckner hat sich unterdesse­n gegen Kritik an unzureiche­nden Hilfen gewehrt. Landwirte in Not bekämen Unterstütz­ung durch Liquidität­sprogramme etwa der Landwirtsc­haftlichen Rentenbank, es gebe Steuerstun­dungen und Hilfe bei der Futtermitt­elbeschaff­ung. „Wer jetzt schon Liquidität­sprobleme hat, im August, der hat sie nicht nur wegen der Trockenhei­t, um es deutlich zu sagen“, meinte sie. Selbst wenn es eine gute Ernte wäre, „hätte man das alles noch nicht auf dem Konto“.

Klöckner will den Ernteberic­ht am Mittwoch ins Kabinett bringen und bewerten, ob die Schäden wegen der Trockenhei­t ein „nationales Ausmaß“erreichen. Diese Einstufung wäre notwendig, damit neben den zuerst zuständige­n Ländern auch der Bund erstmals seit 2003 Dürre-Hilfen auszahlen könnte. Der Bauernverb­and hat mehrfach Nothilfen von einer Milliarde Euro gefordert.

Der Sommer 2018 ist nach dem „Jahrhunder­tsommer“2003 innerhalb von 15 Jahren bereits die zweite Dürreperio­de, die Deutschlan­d trifft. Dies ist im Einklang mit den Prognosen der Klimaforsc­her: Viele Wissenscha­ftler gehen davon aus, dass der Klimawande­l für Mitteleuro­pa trockenere Sommer und feuchtere Winter bedeutet.

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FOTO: DPA Maishäcksl­er bei der Noternte auf einem Feld bei Ostrach (Kreis Sigmaringe­n): Deutsche Bauern sind im Gegensatz zu ihren Kollegen in Frankreich und anderen Ländern in aller Regel nicht gegen Dürre versichert.

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