Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ein Ort verändert sein Gesicht
Mittelbiberach will mit einer Million Euro Sanierungen fördern – Probleme bei Umsetzung
MITTELBIBERACH - Bei der Fahrt über die zwei Kilometer lange Hauptstraße von Mittelbiberach zeigt sich der Wandel über Generationen. Zwischen modernen Neubauten stehen immer wieder Gebäude, die scheinbar aus der Zeit gefallen sind. Mit Rissen überzogene Wände, abgeblätterter Putz, leer stehende Höfe – eine Anwohnerin sagt: „Eigentlich muss man sich für diese Ortsdurchfahrt schämen.“
Im Mittelbiberacher Rathaus hat man die Herausforderung längst erkannt. Bürgermeister Hans Berg beschwichtigt: „Was Sie hier sehen, sehen Sie in jeder Ortschaft.“Mittelbiberach stehe exemplarisch für den Wandel der Gemeinden. 1949 gab es hier noch 140 landwirtschaftliche Betriebe im Vollerwerb, heute sind es noch knapp 20. Die Arbeit hat sich gewandelt, die Schuppen, Wohnhäuser und Stadel aber sind vielerorts geblieben.
Seit Jahren sei er immer wieder mit Bürgern im Gespräch, erklärt Berg. Nun aber gibt es neue Hoffnung. Das Land versucht mit einem groß angelegten Sanierungsprogramm für Kommunen in ganz Baden-Württemberg gegenzusteuern. Stuttgart schickt Millionen, doch mit Geld lässt sich längst nicht jedes Problem lösen.
Höfe sollen Wohnraum weichen
Wie werden Gemeinden wie Mittelbiberach in Zukunft aussehen? Der Stadtplaner Roland Groß hatte für seinen Auftritt im Gemeinderat eine umfangreiche Präsentation vorbereitet: „Wir haben eine Zeit vor uns, in der die Gemeinde wachsen wird“, ist Groß überzeugt. Die Nähe zu Biberach, ein stabiles Wachstum, viele schöne Winkel und zahlungskräftige Bewohner. Doch der freie Wohnraum stößt längst an seine Grenzen, für neue Baugebiete gibt es kaum mehr Platz – bislang nicht. Denn tatsächlich hat Groß ein „erhebliches Potenzial“erkannt: Addiert man die leer stehenden Höfe im Ortskern zusammen, komme man auf eine Fläche von etwa fünf Hektar, so viel, wie sieben Fußballfelder. Knapp 50 Gebäude stehen leer oder sind zurzeit nicht benutzt. Dort könnten Wohnungen entstehen, in bester Lage.
Mittelbiberach wurde wie viele andere Gemeinden 2015 in das Sanierungsprogramm das Landes aufgenommen. Für den Zeitraum bis 2024 verteilt die Gemeinde nun Geld für die Sanierung oder den Abriss von alten Gebäuden. Wer eine Sanierung plant, kann sich bei der Gemeinde melden. Wird der Förderung zugestimmt, bekommt der Eigentümer ein Viertel der förderwürdigen Summe bezuschusst, maximal aber 50 000 Euro. Auch kommunale Projekte lässt die Gemeinde darüber fördern, wie jüngst die Sanierung der Winkelstraße. Doch Sorgen bereiten Stadtplaner Groß die privaten Gebäude. Er kenne das Problem bereits aus anderen Gemeinden: „Man sitzt auf Eigentum und will es nicht verkaufen“, sagt er. Bürgermeister Berg erklärt: „Ich hätte mir vorgestellt, dass es anfangs noch zügiger vorangeht.“Doch wenn sich das Sanierungsprogram herumspreche, glaubt er an einen Nachahmereffekt. Für die Gemeinde hätte das viele Vorteile: „Wenn ich Strukturwandel aktiv mitgestalten kann, habe ich die Chance, viele Grundstücke wieder für Wohnbebauung zu nutzen“, sagt er. Der Ortskern werde belebt, junge Menschen zögen in den Ort, landwirtschaftliche Fläche an den Randlagen werden geschont und das Ortsbild wandle sich.
Wohnen neben „Bruchbuden“
„Es ist einfach schöner, wenn man neben ordentlichen Häusern wohnt, anstatt neben Bruchbuden“, sagt auch Edwin Schmid aus Oberdorf. 2003 hat er ein Haus erhalten, bei dem das Wasser durch das Garagendach tropfte, die Holzkonstruktion von Käfern befallen und der Dachstuhl beschädigt war. „Damals hatte ich das Geld nicht für eine Sanierung“, erzählt er. Das Sanierungsprogramm kam ihm gerade recht: Die Fassade hat er frisch verputzen, neue Fenster einsetzen und das Garagendach erneuern lassen. Zudem legte er selbst Hand an. Das Ergebnis mache ihn stolz und sei „eine gute Sache für Mittelbiberach“.
Insgesamt rund 60 000 Euro hat die Maßnahme gekostet, davon musste Schmid aber nur drei Viertel selbst bezahlen. „Das ist natürlich dennoch eine Menge Geld“, sagt er. Doch ohne die Förderung hätte er die Sanierung wohl kaum in Angriff genommen. Gleichzeitig verpflichtet er sich, das Haus nicht innerhalb der nächsten zehn Jahre zu verkaufen. Spekulanten soll damit der Wind aus den Segeln genommen werden.
Schmid hat sein Haus vermietet und sieht auch gerade keinen Grund, warum er daran etwas ändern sollte. „Ich denke, ich habe meinen Beitrag geleistet für die Dorfsanierung und die Verschönerung des Ortskerns.“Er hoffe, dass andere Mittelbiberacher ihm nachfolgen.