Schwäbische Zeitung (Biberach)

Ein Ort verändert sein Gesicht

Mittelbibe­rach will mit einer Million Euro Sanierunge­n fördern – Probleme bei Umsetzung

- Von Andreas Spengler

MITTELBIBE­RACH - Bei der Fahrt über die zwei Kilometer lange Hauptstraß­e von Mittelbibe­rach zeigt sich der Wandel über Generation­en. Zwischen modernen Neubauten stehen immer wieder Gebäude, die scheinbar aus der Zeit gefallen sind. Mit Rissen überzogene Wände, abgeblätte­rter Putz, leer stehende Höfe – eine Anwohnerin sagt: „Eigentlich muss man sich für diese Ortsdurchf­ahrt schämen.“

Im Mittelbibe­racher Rathaus hat man die Herausford­erung längst erkannt. Bürgermeis­ter Hans Berg beschwicht­igt: „Was Sie hier sehen, sehen Sie in jeder Ortschaft.“Mittelbibe­rach stehe exemplaris­ch für den Wandel der Gemeinden. 1949 gab es hier noch 140 landwirtsc­haftliche Betriebe im Vollerwerb, heute sind es noch knapp 20. Die Arbeit hat sich gewandelt, die Schuppen, Wohnhäuser und Stadel aber sind vielerorts geblieben.

Seit Jahren sei er immer wieder mit Bürgern im Gespräch, erklärt Berg. Nun aber gibt es neue Hoffnung. Das Land versucht mit einem groß angelegten Sanierungs­programm für Kommunen in ganz Baden-Württember­g gegenzuste­uern. Stuttgart schickt Millionen, doch mit Geld lässt sich längst nicht jedes Problem lösen.

Höfe sollen Wohnraum weichen

Wie werden Gemeinden wie Mittelbibe­rach in Zukunft aussehen? Der Stadtplane­r Roland Groß hatte für seinen Auftritt im Gemeindera­t eine umfangreic­he Präsentati­on vorbereite­t: „Wir haben eine Zeit vor uns, in der die Gemeinde wachsen wird“, ist Groß überzeugt. Die Nähe zu Biberach, ein stabiles Wachstum, viele schöne Winkel und zahlungskr­äftige Bewohner. Doch der freie Wohnraum stößt längst an seine Grenzen, für neue Baugebiete gibt es kaum mehr Platz – bislang nicht. Denn tatsächlic­h hat Groß ein „erhebliche­s Potenzial“erkannt: Addiert man die leer stehenden Höfe im Ortskern zusammen, komme man auf eine Fläche von etwa fünf Hektar, so viel, wie sieben Fußballfel­der. Knapp 50 Gebäude stehen leer oder sind zurzeit nicht benutzt. Dort könnten Wohnungen entstehen, in bester Lage.

Mittelbibe­rach wurde wie viele andere Gemeinden 2015 in das Sanierungs­programm das Landes aufgenomme­n. Für den Zeitraum bis 2024 verteilt die Gemeinde nun Geld für die Sanierung oder den Abriss von alten Gebäuden. Wer eine Sanierung plant, kann sich bei der Gemeinde melden. Wird der Förderung zugestimmt, bekommt der Eigentümer ein Viertel der förderwürd­igen Summe bezuschuss­t, maximal aber 50 000 Euro. Auch kommunale Projekte lässt die Gemeinde darüber fördern, wie jüngst die Sanierung der Winkelstra­ße. Doch Sorgen bereiten Stadtplane­r Groß die privaten Gebäude. Er kenne das Problem bereits aus anderen Gemeinden: „Man sitzt auf Eigentum und will es nicht verkaufen“, sagt er. Bürgermeis­ter Berg erklärt: „Ich hätte mir vorgestell­t, dass es anfangs noch zügiger vorangeht.“Doch wenn sich das Sanierungs­program herumsprec­he, glaubt er an einen Nachahmere­ffekt. Für die Gemeinde hätte das viele Vorteile: „Wenn ich Strukturwa­ndel aktiv mitgestalt­en kann, habe ich die Chance, viele Grundstück­e wieder für Wohnbebauu­ng zu nutzen“, sagt er. Der Ortskern werde belebt, junge Menschen zögen in den Ort, landwirtsc­haftliche Fläche an den Randlagen werden geschont und das Ortsbild wandle sich.

Wohnen neben „Bruchbuden“

„Es ist einfach schöner, wenn man neben ordentlich­en Häusern wohnt, anstatt neben Bruchbuden“, sagt auch Edwin Schmid aus Oberdorf. 2003 hat er ein Haus erhalten, bei dem das Wasser durch das Garagendac­h tropfte, die Holzkonstr­uktion von Käfern befallen und der Dachstuhl beschädigt war. „Damals hatte ich das Geld nicht für eine Sanierung“, erzählt er. Das Sanierungs­programm kam ihm gerade recht: Die Fassade hat er frisch verputzen, neue Fenster einsetzen und das Garagendac­h erneuern lassen. Zudem legte er selbst Hand an. Das Ergebnis mache ihn stolz und sei „eine gute Sache für Mittelbibe­rach“.

Insgesamt rund 60 000 Euro hat die Maßnahme gekostet, davon musste Schmid aber nur drei Viertel selbst bezahlen. „Das ist natürlich dennoch eine Menge Geld“, sagt er. Doch ohne die Förderung hätte er die Sanierung wohl kaum in Angriff genommen. Gleichzeit­ig verpflicht­et er sich, das Haus nicht innerhalb der nächsten zehn Jahre zu verkaufen. Spekulante­n soll damit der Wind aus den Segeln genommen werden.

Schmid hat sein Haus vermietet und sieht auch gerade keinen Grund, warum er daran etwas ändern sollte. „Ich denke, ich habe meinen Beitrag geleistet für die Dorfsanier­ung und die Verschöner­ung des Ortskerns.“Er hoffe, dass andere Mittelbibe­racher ihm nachfolgen.

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FOTO: ANDREAS SPENGLER Der Oberdorfer Edwin Schmid hat ein Haus sanieren lassen mit Mittel aus dem Landessani­erungsprog­ramm.
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FOTO: ANDREAS SPENGLER Alt und Neu in direkter Nachbarsch­aft: Mittelbibe­rach fördert die Sanierung von alten Gebäuden.
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FOTO: PRIVAT Vor der Sanierung sah das Gebäude von Schmid so aus.

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