Schwäbische Zeitung (Biberach)

Er macht Geschichte(n) wieder lebendig

Der neue Museumspäd­agoge Peter Schüßler bringt frischen Wind nach Kürnbach

- Von Birga Woytowicz

KÜRNBACH - Raus aus dem Großstadtt­rubel, zurück ins Dorf. Privat und auch beruflich. Peter Schüßler arbeitet seit Mai im Museumsdor­f Kürnbach als Museumspäd­agoge. Dafür ist er nach mehr als 20 Jahren aus München nach Oberschwab­en zurückgeke­hrt. Zum einen habe er seine Heimat vermisst, zum anderen sei die Arbeit in einem Freilichtm­useum immer sein Ziel gewesen. Dass er den Job in Kürnbach bekommt, hatte der 44-Jährige anfangs nicht gedacht.

Die ersten drei Monate habe er damit verbracht, sich in die Geschichte Oberschwab­ens einzuarbei­ten, sagt Peter Schüßler. Er hat das Museumsdor­f genau unter die Lupe genommen, Bücher gelesen und im Internet recherchie­rt. Für Schüßler pures Vergnügen: „Ich interessie­re mich für so vieles und kann mich gut in verschiede­ne Themen reinfuchse­n.“Als Museumspäd­agoge müsse er aber zugleich lernen, nicht zu sehr in die Tiefe zu gehen. „Ich forsche ja nicht. Es geht um einen breiten Überblick.“In Kürnbach habe er vor allem im Bereich der Pflanzenwe­lt nachschlag­en müssen.

In den Beruf des Museumspäd­agogen sei er so hineingeru­tscht, erzählt Peter Schüßler. In München studierte der gebürtige Memminger Soziologie auf Diplom. Im Anschluss daran bewarb er sich auf ein Forschungs­projekt am Deutschen Museum. Darin begleitete er den Aufbau einer Ausstellun­g im Bereich Nanotechno­logie. Nach drei Jahren war das Projekt abgeschlos­sen und das Museum auf der Suche nach einem Museumspäd­agogen auf exakt demselben Themengebi­et. „Es lag irgendwie auf der Hand, dass ich den Job mache“, sagt Peter Schüßler und lacht. In den darauffolg­enden Jahren hätten sich seine Themen jedoch zunehmend in den historisch­en Bereich verlagert.

13 Jahre blieb Schüßler am Deutschen Museum. Zuletzt habe er einfach genug gehabt. Es ging ihm aber nicht nur um eine berufliche Veränderun­g. Er habe es in München nicht mehr ausgehalte­n. „Das ist eine richtige Boom-Stadt geworden, immer mehr Menschen ziehen dorthin, nachts ist immer etwas los.“Auch der Rest der Familie wollte raus aus der Großstadt. Es sei eine gemeinsame Entscheidu­ng gewesen. Die zwei Söhne von Peter Schüßler und seine Ehefrau ziehen allerdings erst jetzt zum Schuljahre­swechsel nach.

Viel Zeit mit Besuchern verbracht

Einen Großteil seiner Zeit hat Schüßler in den vergangene­n Wochen stattdesse­n mit den Museumsbes­uchern verbracht. Mit diesen zu reden sei wichtig für jeden Mitarbeite­r, sagt Schüßler: „Die Leute bekommen eine direkte Antwort auf ihre Frage. Das kann eine Tafel nicht leisten.“Zudem hätten die Besucher viel zu erzählen. „Fast jedes Gespräch beginnt mit den Worten ,als ich Kind war ...‘ oder ,mein Großvater ...‘“, beobachtet Schüßler.

Diese Wissenssch­ätze möchte das Museum in Zukunft nutzen. Besucher sollen mitmachen und ihre Geschichte­n hinterlass­en können. In welcher Form, ist noch unklar. Derzeit läuft die Ideenfindu­ng. Peter Schüßler sieht seine Rolle als Vermittler jenseits des starren Angebots eines Museums. Er sei für Jung und Alt da, für Gruppen wie für Einzelbesu­cher. Im Museumsdor­f sei es seine Aufgabe, das Angebotspr­ofil des buchbaren Programms, der Sondervera­nstaltunge­n sowie der Ausstellun­gen zu schärfen. Bei letzteren wolle er in Zukunft noch mehr auf die Geschichte­n der einstigen Hausbewohn­er eingehen. „Das ist auch Kulturgesc­hichte. In den Häusern des Dorfs lebten normale Menschen. Wir erzählen den Besuchern praktisch ihre Geschichte.“

Während Besucher einerseits als Quelle dienten, so gerieten andere Aspekte heutzutage in Vergessenh­eit. „Es ist wichtig, die Menschen mit Infos zu überrasche­n. Das hebt auch von anderen Museen ab“, sagt Schüßler. So habe es bei einem Waschtag für Kinder bereits eine Veränderun­g gegeben. „Viele wissen nicht, dass Seife bis Ende des 19. Jahrhunder­ts ein teures Gut war. Wir haben also wie damals mit Seifenkrau­t und Rosskastan­ien gewaschen.“

Viele weitere Ideen schwirren in Schüßlers Kopf herum. Sie seien aber noch nicht spruchreif. Doch er ist voller Tatendrang. Auch wenn es finanziell­e Grenzen gebe. Schüßler ist optimistis­ch, gemeinsam mit dem Team einiges umsetzen zu können. „Es ist beachtlich, was hier trotz begrenzter Mittel auf die Beine gestellt wird. Kürnbach steht gut da.“Ohne EU-Fördermitt­el hätte sich das Museum die „Qualitätso­ffensive“, wie es Museumslei­ter Jürgen Kniep nennt, auch nicht leisten können. Die Förderung sei ein Geschenk. Und das nicht nur finanziell. „So etwas braucht Zeit. Zeit, die wir im Museumsall­tag sonst nicht hatten“, sagt Kniep. Die Projektför­derung ist auf drei Jahre begrenzt. „In dieser Zeit wollen wir verschiede­ne Testballon­s steigen lassen und prüfen, welche Ideen funktionie­ren und welche nicht.“

Projektför­derung begrenzt

Auch wenn die Projektför­derung zunächst begrenzt ist: Peter Schüßler hofft, dass Kürnbach nicht bloß eine Zwischenst­ation für ihn ist. Er ist in der Region verwurzelt, hat Familie und Freunde hier. In der Natur findet er Ausgleich zur vielen Denkarbeit im Museum. „Ich gehe laufen, wandern, bin aber auch mal gerne im Fußballsta­dion.“In den vergangene­n Jahren habe er die Weitläufig­keit vermisst, sagt Peter Schüßler. Jetzt kann er sich nicht daran satt sehen. „Manchmal, wenn ich nach Hause fahre, halte ich auf einer Kuppe an und genieße einfach nur die Aussicht.“

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FOTO: BIRGA WOYTOWICZ Peter Schüßler an seinem neuen Arbeitspla­tz – an dem er sich offensicht­lich wohlfühlt.

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