Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ravensburger Radhaus ist erst zu einem Viertel voll
Stadtwerke wollen zusätzliche Nutzer durch besondere Angebote locken
RAVENSBURG - Nach einem guten halben Jahr Betriebszeit ist das futuristisch anmutende Radhaus am Ravensburger Bahnhof erst zu einem Viertel belegt: Nur 27 Mieter nutzen das Angebot der Stadtwerke derzeit – frei sind in dem weißlichen Kubus noch 93 Plätze. Deshalb wollen die Stadtwerke jetzt mit Dreimonatsverträgen weitere Kunden gewinnen.
Früher waren die 20 Fahrradboxen am Bahnhof ständig belegt, die Warteliste „elend lang“, erklärt Carina Neusch, die bei den Technischen Werken Schussental (TWS) das Radhaus kaufmännisch betreut. Zudem wird Rad fahren immer beliebter, vor allem der Verkauf von E-Bikes beziehungsweise Pedelecs ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen, und die kosten häufig mehr als 2000 Euro. Deshalb hatte sich der Ravensburger Gemeinderat entschieden, nach dem Vorbild der Stadt Offenburg ein großes Radhaus am Bahnhof bauen zu lassen. Gedacht ist es für Berufspendler, die mit Bus oder Bahn zur Arbeit fahren – zum Beispiel nach Friedrichshafen, Biberach oder Ulm – und ihr hochwertiges Fahrrad nicht den ganzen Tag im Freien stehen lassen wollen. Außerdem sei es geeignet für Menschen, die in Bahnhofsnähe arbeiten, und für Anwohner, so Neusch.
Nach einer zweimonatigen Testphase im Februar und März gab es die ersten Schnupperangebote: zwei Monate zum Preis von einem, und seit Juni wurden Jahresverträge für 120 Euro abgeschlossen. Das war möglicherweise der Grund dafür, dass nach 50 schnuppernden Nutzern nur noch 27 geblieben sind. „Viele wollen sich nicht ein ganzes Jahr lang binden, weil sie zum Beispiel im Winter nicht mit dem Fahrrad fahren“, sagt Neusch.
37,50 Euro für drei Monate
Mit Dreimonatsverträgen wollen die Stadtwerke ab Oktober mehr Flexibilität bieten. Sie sind mit 37,50 Euro etwas teurer als die Jahrestickets, könnten aber Bahn-Pendlern entgegenkommen, die im Winter lieber aufs Rad verzichten. „Die Menschen müssen sich vielleicht auch erst noch daran gewöhnen, etwas für das Abstellen des Fahrrads zu bezahlen“, vermutet Stadtwerke-Leiter Andreas Thiel-Böhm. Angst, dass man sein Fahrrad abends nicht zurückbekommt,
muss man in Ravensburg offenbar nicht haben – anders als in Meckenbeuren, wo es ein Radhaus anderen Typs gab, das nach einigen Jahren wegen unüberwindbarer technischer Probleme schließen musste. Drazen Bakic von den TWS, der das Radhaus technisch betreut, zeigt, wie einfach das Rad verstaut ist. Mit einer Chipkarte wird eines von zwölf Toren geöffnet, das Rad rückwärts über eine Schiene eingeschoben, automatisch befestigt, und schließlich das Tor geschlossen. Das Ganze dauert nur wenige Sekunden. Wer sein Rad nach der Arbeit wieder abholen will, hält die Chipkarte vor einen Terminal und bekommt angezeigt, in welchem Tor er es abholen kann. Durch die automatischen Leitsysteme im Innern wird es an die richtige Stelle befördert und kann herausgeholt werden. Auch dieser
Prozess geht relativ schnell und dauert maximal drei Minuten. „Uns war es wichtig, dass das Einlagern schnell geht, damit die Leute rechtzeitig auf den Zug kommen“, erklärt Carina Neusch.
Selbst wenn alle 120 Plätze im Radhaus irgendwann voll belegt sind, zahlt die Stadt Ravensburg drauf: Die Finanzierungskosten in Höhe von 508 000 Euro werden über Mieten so schnell nicht wieder hereingespielt. Letztendlich erhöht das Angebot aber die Attraktivität Ravensburgs als Fahrradstadt.
Wer sich für einen Platz im Radhaus interessiert, kann sich bei Carina Neusch unter 0751/ 8041131 melden. Jeder Mieter bekommt eine ausführliche Einweisung in die Technik.