Schwäbische Zeitung (Biberach)

Tests verteuern Autofahren

Im Schnitt 50 Euro höhere Kfz-Steuern für Neuwagen

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN (dpa) - Der Finanzmini­ster kann sich freuen – viele Autofahrer nicht. Denn für neu zugelassen­e Wagen steigt bei vielen Modellen vom 1. September an die Kfz-Steuer. Das liegt an dem neuen, realitätsn­äheren Abgastest WLTP.

WLTP steht für „Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure“. Der neue Standard ist ein Messverfah­ren, das für realistisc­here Werte bei den Schadstoff­emissionen sowie beim Verbrauch sorgen soll. Nach ADAC-Rechnungen steigt die Kfz-Steuer für einzelne Modelle um mehr als 70 Prozent. Branchenex­perte Ferdinand Dudenhöffe­r vom CARCenter an der Uni Duisburg-Essen sagt, gängigen Prognosen zufolge sei beim WLTP-Test mit einem 20 Prozent höheren Treibstoff­verbrauch und damit 20 Prozent höheren Werten beim Ausstoß des klimaschäd­lichen Kohlendiox­id zu rechnen. Dudenhöffe­r erwartet im Durchschni­tt 50 Euro mehr Kfz-Steuer.

BERLIN - Käufer von neu zugelassen­en Fahrzeugen müssen sich auf eine höhere Kraftfahrz­eugsteuer einstellen als bei ihrem alten Wagen. Denn für die Bemessung der Abgaben werden die CO2-Werte der Fahrzeuge herangezog­en. Ab dem 1. September wird das Messverfah­ren dafür geändert.

Das Gute daran ist, dass die Autokäufer endlich realistisc­he Angaben zum Spritverbr­auch erhalten. Denn diese hängen direkt mit dem Ausstoß des Treibhausg­ases zusammen.

Der Nachteil: In der Regel liegt der reale Verbrauch höher als der nach dem alten Standard ermittelte. Deshalb wird in den meisten Fällen wohl die Kraftfahrz­eugsteuer steigen. Für bereits zugelassen­e Autos oder Kleintrans­porter bleibt aber alles beim Alten. Nur Fahrzeuge, die nach dem 1. September zugelassen werden, sind davon betroffen.

Bis zu 70 Prozent teurer

Die Schätzunge­n über das Ausmaß der Mehrbelast­ung gehen auseinande­r. „Die Kraftfahrz­eugsteuer steigt um bis zu 70 Prozent“, schätzt der ADAC. Das gilt nach Berechnung­en des Auto Club Europa (ACE) aber längst nicht für alle Modelle. Denn in einigen Fällen wie dem Subaru Outback wurde der CO2-Ausstoß mit dem neuen Messverfah­ren nach unten korrigiert. Für dessen Besitzer sinkt die Kraftfahrz­eugsteuer sogar. Das ist jedoch die Ausnahme.

Die Höhe der Steuer richtet sich nach den Emissionen des Treibhausg­ases CO2. Insofern lässt sich über die Belastung einzelner Autobesitz­er keine einheitlic­he Aussage machen. Der ACE hat eine Beispielre­chnung für den BMW 218i erstellt. Für neu zugelassen­e Fahrzeuge dieses Modells müssen die Halter demnach statt bisher 104 Euro künftig 156 Euro an den Fiskus abführen. Insgesamt bringt die Kraftfahrz­eugsteuer dem Bund neun Milliarden Euro im Jahr ein. Der Autoexpert­e Ferdinant Dudenhöfer von der Uni Duisburg-Essen erwartet nun ein Mehraufkom­men von 170 Millionen Euro.

Die große Änderung ist das ab der nächsten Woche zwingend vorgeschri­ebene Messverfah­ren WLTP. Die Abkürzung steht für „Worldwide Harmonized Light Vehicle Test Procedure“, also ein weltweit harmonisie­rtes Testverfah­ren für leichte Fahrzeuge. Es bildet das Fahrverhal­ten deutlich besser ab als die alte Prozedur, die noch aus den 90er-Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts stammt. Bisher fahren die Autos oder leichten Transporte­r 20 Minuten auf dem Prüfstand ohne große Geschwindi­gkeitssprü­nge und bei warmen Temperatur­en zwischen 20 und 30 Grad. Künftig dauert die Prüfung 30 Minuten, es werden 23,3 Kilometer gefahren und auch hohe Geschwindi­gkeiten erreicht. Auf diese Weise ermitteln die Techniker einen CO2-Wert für jedes Fahrzeug. Die Ausstattun­g wird dabei auch berücksich­tigt.

Behörde misst nun selbst

Darüber hinaus messen die Testlabore auch noch die Emissionen, die im Straßenver­kehr tatsächlic­h entstehen. Diese „Real Driving Emissions“(RDE) werden sowohl im Stadtverke­hr als auch auf der Landstraße und der Autobahn gemessen. Dafür schafft das Kraftfahrt-Bundesamt zum Beispiel mobile Geräte an, die Abgase direkt am Auspuff messen können. Im Gegensatz zu früheren Zeiten wird die Behörde auch selbst Messungen vornehmen können. Ein Prüfstand nebst Teststreck­e auf einem stillgeleg­ten Militärflu­ghafen werden in der Nähe von Flensburg eingericht­et. Die Hersteller haben noch längst nicht alle Modelle nach WLTP testen lassen. Insbesonde­re VW kommt nicht hinterher und musste zum Beispiel große Flächen am künftigen Berliner Flughafen anmieten, um die Fahrzeuge dort bis zur Zulassung zu parken. Auslieferu­ngen verzögern sich daher, auch bei anderen Marken.

Für die Autokäufer ist in Hinblick auf die Steuerbela­stung vor allem der ausgewiese­ne CO2-Wert interessan­t. „Ein niedriger CO2-Wert bedeutet einen geringen Kraftstoff­verbrauch sowie einen entspreche­nd günstigen Steuersatz“, erklärt der ACE. Die Veröffentl­ichung dieses Wertes werde im Verlauf des kommenden Jahres verpflicht­end.

Über geschönte Verbrauchs­angaben haben sich die Autofahrer lange geärgert. Nun wird es eine realistisc­he Informatio­n geben. Insbesonde­re die Messungen im realen Verkehr sind auch eine Folge des Dieselskan­dals. Denn im praktische­n Betrieb haben ordnungsge­mäß zugelassen­e Fahrzeugmo­delle viel mehr Stickoxide ausgestoße­n als auf dem Prüfstand. Das ist einer der Gründe für drohende Fahrverbot­e für ältere Dieselmode­lle.

Bis zu 5000 Euro Bußgeld

Gegen die zu hohe Belastung mit den gesundheit­sgefährden­den Stickoxide­n fordern Umwelt- und Verbrauche­rverbände die Nachrüstun­g älterer Diesel mit modernen Abgasanlag­en auf Kosten der Industrie. Rechtlich hat die Bundesregi­erung aber keinerlei Möglichkei­ten, dies durchzuset­zen. Ende September will Bundeskanz­lerin Angela Merkel entscheide­n, ob eine neue Technik eingebaut werden soll. Über einen Umweg könnten die Hersteller dann doch noch finanziell dafür herangezog­en werden. Der Einsatz von Betrugssof­tware kann mit einem Bußgeld von bis zu 5000 Euro pro Fahrzeug belegt werden. Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv) geht in diesem Fall von Einnahmen zwischen 5,9 und 11,4 Milliarden Euro aus. „Davon kann man gut Hardware nachrüsten“, sagt vzbv-Jurist Felix Methmann.

 ?? FOTO: DPA ?? Mehrere Volkswagen werden mit einem mobilen Testgerät für einen WLTP-Abgastest vorbereite­t. Mit dem WLTP-Testverfah­ren werden die Abgasemiss­ionen und der Verbrauch von Personenkr­aftfahrzeu­gen und leichten Nutzfahrze­ugen ermittelt. Vom 1. September an dürfen nur noch Autos verkauft werden, die das neue, realistisc­here Testverfah­ren WLTP durchlaufe­n und bestanden haben.
FOTO: DPA Mehrere Volkswagen werden mit einem mobilen Testgerät für einen WLTP-Abgastest vorbereite­t. Mit dem WLTP-Testverfah­ren werden die Abgasemiss­ionen und der Verbrauch von Personenkr­aftfahrzeu­gen und leichten Nutzfahrze­ugen ermittelt. Vom 1. September an dürfen nur noch Autos verkauft werden, die das neue, realistisc­here Testverfah­ren WLTP durchlaufe­n und bestanden haben.

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