Schwäbische Zeitung (Biberach)

Lebbe geht immer weider

Kult-Trainer Dragoslav Stepanovic feiert am Donnerstag seinen 70. Geburtstag

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FRANKFURT (dpa) - Es kommt nicht oft vor, dass man einen Menschen an nur drei Worten erkennt. Dragoslav Stepanovic gehört zu den wenigen Ausnahmen. „Lebbe geht weider“, kommentier­te der damalige Trainer von Eintracht Frankfurt am 16. Mai 1992 den auf dramatisch­e Weise verpassten Meistertit­el in Rostock. Der Spruch ist im deutschen Fußball längst Kult und zugleich das Lebensmott­o des stets gut gelaunten Serben.

Seinen 70. Geburtstag an diesem Donnerstag nimmt „Stepi“, wie der Mann mit dem Schnauzer und den wehenden grauen Haaren von den meisten liebevoll genannt wird, daher mit Humor. „Es geht mir sehr gut. Ich habe zwei neue Knie bekommen“, berichtet der Jubilar und fügt mit einem Augenzwink­ern hinzu: „Wenn noch etwas Zeit vergeht, kann ich mich zum Probetrain­ing anmelden.“

Er betreut ein Team kognitiv beeinträch­tgter Kinder

Eine Party hat er zu seinem Ehrentag nicht geplant: „Warum soll ich denn feiern, dass ich ein Jahr älter werde?“, sagt Stepanovic. Immerhin kommen die Kinder und Enkelkinde­r zum Essen vorbei. Eine große Sause wird es aber doch noch geben, verrät er – im April 2019. Dann feiert „Stepi“mit Ehefrau Jelena Goldene Hochzeit.

Der Terminkale­nder des früheren Weltklasse­verteidige­rs aus Jugoslawie­n, der 1976 als Profi zu Eintracht Frankfurt kam und nach dem Ende seiner Profikarri­ere bei Wormatia Worms zunächst hauptberuf­lich als Kneipier arbeitete und nur nebenher Amateurtea­ms betreute, ist immer noch voll. Getreu dem Motto: Rentner haben niemals Zeit. Seit einigen Jahren betreut Stepanovic ehrenamtli­ch ein hessisches Team kognitiv beeinträch­tigter Kinder. „Ich freue mich immer wahnsinnig, wenn ich die Kinder sehe und mit ihnen arbeite. Sie sind so ehrlich“, berichtet Stepanovic. Zudem engagiert er sich als Integratio­nsbotschaf­ter der Hessischen Landesregi­erung für Flüchtling­e. Und dann besucht er natürlich regelmäßig die Heimspiele der Eintracht – seiner großen sportliche­n Liebe.

Im Sommer 1976 wollte ihn eigentlich Feyenoord Rotterdam ver-

pflichten, doch Stepanovic entschied sich für einen Wechsel von Roter Stern Belgrad an den Main. Eine Entscheidu­ng, die er bis heute nicht bereut hat. „Deutschlan­d ist nicht meine zweite Heimat, sondern meine erste Heimat geworden. Ich fühle mich, als wäre ich hier geboren worden“, sagt er.

1991 holte ihn Bernd Hölzenbein dann überrasche­nd zur Eintracht.

Dort startete Stepanovic mit Spielern wie Andreas Möller oder Uwe Bein durch und eroberte mit dem offensiven und spektakulä­ren „Fußball 2000“die Herzen der Fans. Doch die Niederlage am letzten Spieltag bei Hansa Rostock kostete den Titel. „Es war schwer an dem Tag, als wir nicht gewonnen haben“, erzählt Stepanovic im Rückblick. „Aber wie ich damals schon sagte: Lebbe geht wei- der!“Das wiederholt­e er auch nach der Saison 1995/1996, als er bei seinem zweiten Engagement am Main den Abstieg nicht verhindern konnte.

Obwohl ihm der ganz große Erfolg versagt blieb, war der Globetrott­er stets ein gefragter Mann – in Deutschlan­d, Spanien, Griechenla­nd, China, Ägypten, Bosnien und Herzegowin­a sowie Serbien, wo seine Trainerlau­fbahn 2014 bei Radnicki Nis endete. „Ich hatte eine Traumkarri­ere“, sagt Stepanovic. „Das einzige was mir fehlt: Ich wäre gerne einmal Nationaltr­ainer geworden. Fünfmal stand ich dicht davor, fünfmal wurden andere Leute genommen. Aber das macht nichts.“

Noch heute genießt er seine Popularitä­t, die dank seiner umgänglich­en Art ungebroche­n ist. Stepanovic hat stets die Nähe der Fans gesucht und lässt sie auch zu. „Immer wenn ich in die Stadt gehe, habe ich Autogrammk­arten und einen Filzstift dabei“, sagt er. „Ich bin immer noch interessan­t für das Publikum, weil ich einer von ihnen bin.“

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FOTO: IMAGO Dragoslav Stepanovic im Januar 1992 bei einem Strandspaz­iergang.
 ?? FOTOS: IMAGO ?? Dragoslav Stepanovic damals in den 1990ern mit Zigarillo, Schnäuzer und wehenden Haaren – und heute. Ohne Zigarillo.
FOTOS: IMAGO Dragoslav Stepanovic damals in den 1990ern mit Zigarillo, Schnäuzer und wehenden Haaren – und heute. Ohne Zigarillo.
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