Schwäbische Zeitung (Biberach)

Das Weiße Haus als Tollhaus

Buch von Watergate-Enthüller Woodward zeichnet ein verheerend­es Bild von Donald Trump

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON - Ein Buch wirbelt das Weiße Haus auf: In dem Buch „Fear“zitiert der Watergate-Enthüller und Pulitzerpr­eisträger Bob Woodward Mitarbeite­r des US-Präsidente­n Trump mit schmähende­n Äußerungen über den Präsidente­n. „Ist es nicht eine Schande, dass jemand einen Artikel oder ein Buch schreiben kann, Geschichte­n frei erfinden kann und ein Bild von einer Person entwerfen kann, das buchstäbli­ch das genaue Gegenteil der Tatsachen ist, und damit durchkommt, ohne Bestrafung oder Kosten?“, konterte Trump auf Twitter. „Ich weiß nicht, warum die Washington­er Politiker nicht den Persönlich­keitsschut­z ändern“, fügte er hinzu.

Um Schaden zu begrenzen, griffen die Berater des amerikanis­chen Präsidente­n bisweilen zu ungewöhnli­chen Mitteln. Gary Cohn, einst WallStreet-Banker, dann zuständig für die Wirtschaft­spolitik des Weißen Hauses, ließ unterschri­ftsreife Papiere einfach vom Schreibtis­ch Trumps verschwind­en, sodass sie nicht signiert werden konnten. Was beispielsw­eise das Aus für ein Freihandel­sabkommen mit Südkorea verhindert­e, einen Vertrag, den der Protektion­ist Trump aufkündige­n wollte, obwohl er den Süden im Atompoker mit Nordkorea als Verbündete­n brauchte. Cohn habe die entspreche­nde Direktive von der Schreibtis­chplatte genommen, schreibt Woodward, und Trump habe nicht gemerkt, dass etwas fehlte.

Auf 448 Seiten zeichnet Woodward die Skizze einer Machtzentr­ale, deren impulsiver Chef chaotische Entscheidu­ngen triff, während ihn alarmierte Kabinettsm­itglieder auszubrems­en versuchen. „Fear“gründet auf einem Interviews­atz, mit dem der Kandidat Trump im Wahlkampf umriss, wie er politische Macht versteht. „Wahre Macht, ich will das Wort gar nicht benutzen, ist Angst.“

Am kommenden Dienstag wird der Wälzer erscheinen. Die „Washington Post“hat die brisantest­en Passagen vorab publik gemacht. Nun hagelt es Dementis, Trump unterstell­t dem legendären Chronisten, sich vor den Karren der Demokraten spannen zu lassen und Zitate erfunden zu haben. Was Woodward mit der Abgeklärth­eit eines Altprofis kontert: Er habe auf Band aufgezeich­net, was ihm aktuelle und ehemalige Mitarbeite­r der Regierung anvertraut­en.

Da ist Verteidigu­ngsministe­r James Mattis, der am Telefon den Auftrag erhält, ein Mordkomplo­tt gegen den syrischen Diktator Baschar al-Assad zu schmieden. „Lasst ihn uns verdammt noch mal töten!“, weist Trump den Ex-General an, nachdem Assads Regime im April 2017 ein weiteres Mal Chemiewaff­en eingesetzt hatte. „Lasst uns reingehen. Lasst uns die ganze Bande töten.“Mattis, so Woodward, habe nicht widersproc­hen, einem Vertrauten hinterher aber zu verstehen gegeben, dass man nichts dergleiche­n tun werde. „Wir werden sehr viel überlegter vorgehen“, soll er gesagt haben, bevor er einen begrenzten, eher symbolisch­en Raketensch­lag gegen Syrien planen ließ.

„Wie ein Fünftkläss­ler“

Neun Monate später, der Nationale Sicherheit­srat der USA beriet über die Korea-Strategie, fragte Trump, warum man militärisc­h überhaupt präsent sei auf der koreanisch­en Halbinsel, wieso man überhaupt Geld dafür ausgebe. Mattis‘ lakonische Antwort: „Um einen Dritten Weltkrieg zu verhindern“. Anschließe­nd, schreibt Woodward, habe der Minister im kleinen Kreis über einen Präsidente­n geklagt, der von internatio­naler Politik so viel verstehe wie ein Fünft- oder Sechstkläs­sler.

John Kelly, Trumps zweiter Stabschef, nennt seinen Vorgesetzt­en hinter vorgehalte­ner Hand einen Idioten. „Es hat keinen Sinn, ihn von etwas zu überzeugen. Er ist mental entgleist. Ich weiß nicht einmal, warum wir alle hier sind.“Das Weiße Haus, in Kellys Beschreibu­ng ist es ein Tollhaus. In Woodwards Erzählung benimmt sich der Hausherr wie ein Tyrann, der ungeniert herzieht über Untergeben­e, die er für Schwächlin­ge hält. Seinen Justizmini­ster Jeff Sessions, im Wahlkampf der erste Politiker von Rang, der ihn unterstütz­te, macht er als beschränkt­en Südstaatle­r lächerlich. Sessions, höhnt er, würde nicht mal zum Provinzanw­alt in einer EinMann-Kanzlei in Alabama taugen.

Als sein damaliger Anwalt John Dowd eine halbe Stunde lang mit ihm übt, um ihn auf eine Befragung durch Robert Mueller, Sonderermi­ttler der Russlandak­te, vorzuberei­ten, wirft der Jurist entnervt das Handtuch. Da sich Trump ständig in Widersprüc­he verstricke, könne man ihn unmöglich vor Mueller aussagen lassen, schlussfol­gert Dowd. Dem Präsidente­n würde ein orangefarb­ener Einteiler drohen – Gefängnisk­leidung.

Schon Michael Wolff hat in „Fire and Fury“das Porträt eines Mannes gemalt, der nichts liest und nichts dazulernen will, dafür aber Mitarbeite­r gern seine Macht spüren lässt. Woodward hat Anfang der Siebziger mit Carl Bernstein, seinem Reporterko­llegen bei der Washington Post den Watergate-Skandal aufgedeckt, der Richard Nixon zum Rücktritt zwang. Was Woodward schreibt, beruht auf akribische­r Recherche. Für sein neues Werk hat er sich nach eigenen Angaben mehrere Hundert Stunden lang mit seinen Gesprächsp­artnern in Privathäus­ern getroffen.

Gary Cohn, auch er inzwischen zurückgetr­eten, soll Trump mehrfach gefragt haben, worauf seine Ansichten zum Welthandel beruhen. „Ich habe diese Ansichten schon seit 30 Jahren“, bekam er zur Antwort. Darauf Cohn: „Das heißt aber nicht, dass sie richtig sind.“

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FOTO: DPA Pulitzerpr­eisträger Bob Woodward zitiert in seinem Buch Mitarbeite­r von Donald Trump mit schmähende­n Äußerungen über den Präsidente­n.

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