Schwäbische Zeitung (Biberach)
Die bessere Welt ist die der Bücher
Aaron Lehmans „Das schönste Mädchen der Welt“ist tiefsinnige Unterhaltung
Roxy ist neu in der Klasse, schlagfertig und hübsch, daher dauert es nicht lang, bis die 17-Jährige allen Jungs den Kopf verdreht hat. Sowieso geht es in dieser Schule nur um das Eine: Die Liebe und das sexuelle Erwachen der Jungen. Roxy ist gerade von ihrer alten Schule geflogen, in der neuen steht eine Klassenfahrt nach Berlin an, aber Roxy hat keine Lust.
Schon auf der Hinfahrt im Bus freundet sich die Neue mit dem Außenseiter der Klasse, dem dem sensiblen Cyril an, den alle hier wegen seiner viel zu großen Nase verspotten.
Aber Cyril ist witzig und poetisch, und überrascht Roxy mit seinem Wortwitz. Er scheint der einzige zu sein, der ihren kessen Sprüchen gewachsen ist. Trotzdem scheint sich die Neue mehr für Rick zu interessieren, den blendend aussehenden Beau der Klasse. Der ist allerdings ein geistiger Tiefflieger und bringt keine drei Worte am Stück heraus. Auch Benno (Jonas Ems) geht Roxy mit seinen plumpen Aufreißer-Sprüchen schnell auf den Zeiger, scheint aber doch mit seiner Hartnäckigkeit einen gewissen Erfolg zu haben. Darum startet der wortgewandte Cyril, der sich inzwischen aufrichtig in Roxy verliebt hat, sich aber nicht traut, ihr das einzugestehen, waghalsig eine Verkupplungsaktion, um Roxy zumindest vor Bennos falschem Spiel zu schützen: Ausgerechnet für den beschränkten Schönling Rick schreibt er coole Songs und romantische SMS, mit denen er den Konkurrenten ausstechen und Roxys Herz erobern kann. Wie aber wird das „schönste Mädchen der Welt“reagieren? Luna Wedler spielt Roxy in „Das schönste Mädchen der Welt“.
Wer es jetzt noch nicht gemerkt hat: Der neue sehr schwungvolle Spielfilm des bayrischen RegieSchootingstars Aaron Lehman („Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“) ist die Adaption eines klassischen Stoffes: Der berühmten Geschichte des „Cyrano de Bergerac“, Edmond Rostants im 17. Jahrhundert angesiedeltes Versdrama von 1897 – allerdings auf sehr originelle Weise: Sensibles Coming-ofAge-Drama und alberner „PaukerFilm“mischen sich in dieser temporeichen romantischen Komödie.
Auf clevere Weise bezieht der Regisseur die Härte der Pubertätsrealität mit ein, thematisiert die Oberflächlichkeit der Konsumwelt und
bezieht Stellung gegen Oberflächlichkeit und Dummheit und plädiert für eine bessere Welt - diese ist die Welt der Bücher. Humanistische Werte stehen gegen unerbittliche Mobbingkultur. Hinzu kommt, dass er in seinen Film mitreißende Musicalsequenzen mischt. Traumsequenzen lassen Roxy fliegen und erinnern an Baz Luhrmanns „Moulin Rouge“.
Auch die Besetzung ist interessant: European Shooting Star Luna Wedler trumpfte beim MaxOphühls-Festival mit dem Schweizer Nixen-Märchen „Blue my Mind“kräftig auf, und spielt jetzt die schlagfertige Roxy mit Charme und erstaunlicher Reife, Aaron Hilmer als schüchterner Poet, der unter seiner großen Nase leidet, und Damian Hardung als tumber Rick. Anke Engelke, und Heike Makatsch spielen Nebenrollen um auch die Patentanten und -onkels der Zielgruppe ins Kino zu locken.
Girl meets Boy, Mädchen liebt Junge – das klassische Rezept funktioniert eben immer noch immer wieder. So gelingt Lehman eine viel bessere Schulkomödie als „ Fack ju Göhte“.
Das schönste Mädchen der Welt. Regie: Aron Lehmann. Mit Aaron Hilmer, Luna Wedler und Anke Engelke. Deutschland 2018. 103 Minuten. FSK ab 12.