Schwäbische Zeitung (Biberach)

500 Liter Schmutzwas­ser in der Sekunde

In der Kläranlage in Warthausen leistet ein Team Erstaunlic­hes, um das Wasser zu reinigen

- Von Andreas Spengler

WARTHAUSEN - Wer zu Hause auf die Toilettens­pülung drückt, der ist es los: das Abwasser. Über Rohre landet es irgendwann bei Maximilian Maier und seinem Team in der Kläranlage in Warthausen. „Die Leute zahlen Geld dafür, dann ist es aus den Augen, aus dem Sinn“, sagt er. Sein Beruf ist es, das Wasser so aufzuberei­ten, dass es kurze Zeit später wieder in die Riß fließen kann. Maier spricht vom Ehrgeiz, dafür zu sorgen, dass es niemals einen Störfall geben wird.

Warum das Ganze – die Sache mit dem Schmutz, dem Schlamm und den riesigen Wasserbeck­en? Maier erinnert sich noch an die 1960er- und 1970er-Jahre, als in Deutschlan­d Flüsse umkippten, Fische verendeten und selbst das Baden verboten wurde. Danach hat man angefangen, die Wasserqual­ität zu verbessern, Grenzwerte wurden gesenkt, Vorschrift­en verschärft. Heute sei die Wasserqual­ität der meisten Flüsse so gut wie lange nicht - doch die Kläranlage­n stehen vor neuen Herausford­erungen.

„Manche Leute denken, das Abwasser ist eine Giftbrühe, aber das ist Unsinn“, sagt Maier. Genau genommen dürfen nur biologisch abbaubare Stoffe ins Wasser gelangen. Als braungrünl­iche Brühe kommt es ununterbro­chen an der Kläranlage an: etwa 550 Liter pro Sekunde, das entspricht etwa dem Inhalt von vier Badewannen. „Im Wesentlich­en ist es Scheiße und Regenwasse­r, wenn Sie so wollen“, sagt Maier. Ab und an schwimme einmal eine ertrunkene Ratte mit. Sorgen bereiten Maier aber andere Dinge: Ohrenstäbc­hen, Feuchttüch­er, Damenbinde­n, die die Pumpen verstopfen. Genauso wenig gehörten Lebensmitt­elreste oder Öle in den Abguss oder die Toilette: „Wenn man oben den halben Schweinsbr­aten runterspül­t, klatscht unten die Ratte vor Freude in die Hände.“An Fasching finden sich sogar Reste von Platzpatro­nenhülsen in der brauen Brühe. Maier sagt: „Das Abwasser ist ein Abbild unseres menschlich­en Lebens.“

Die Suche nach dem Ehering

Jeder, der eine Kopfschmer­ztablette schlucke, müsse sich klar werden, dass Reste davon in der Kläranlage enden. Jede Tafel Schokolade, jedes Stück Nudel wird für Maier zu einer Kohlenstof­fverbindun­g. „Das kommt alles bei uns an.“Und doch gerät das System der Kläranlage manchmal an seine Grenzen. Einmal habe ein Frau angerufen, die ihren Ehering beim Spülen verloren hatte. Da war auch Maier am Ende seiner Möglichkei­ten. „Wir drehen nicht jeden Liter Wasser nochmal um.“

Das Wasser, das in der Anlage endet, wird im ersten Schritt von groben, festen Stoffen gesäubert. Mit einem Gitter werden sie abgefangen, entsorgt und kompostier­t. Das übrige Wasser landet im Vorklärbec­ken, wo sich Schlamm und größere Partikel

ablagern. Der Schlamm wird vergoren, entwässert und schließlic­h zur Verbrennun­g gefahren.

Die Hauptarbei­t erfolgt anschließe­nd in einem Becken mit Klärschlam­m. „Da wird die Verschmutz­ung von Bakterien verfrühstü­ckt“, sagt Maier. Die Mischung aus verschmutz­tem Wasser und Mikroorgan­ismen bezeichnet er als „Lebensgeme­inschaft“, beinahe so, als hege er einen kleinen Streichelz­oo. Die Bakterien passten sich optimal an das Wasser an. Die Kulturen, die genügend Nährstoffe finden, vermehrten sich, andere gehen zugrunde.

Nach diesem Verfahren gleicht die Mischung einem braunen, unappetitl­ichen Brei, doch tatsächlic­h müssen

Wasser und Schlamm nur noch getrennt werden. Das geschieht im letzten Schritt: Im Nachklärbe­cken bei niedriger Fließgesch­windigkeit setzt sich der Schlamm langsam wieder ab.

Am Ende fließt das gereinigte Wasser zurück in die Riß. Das sei oftmals klarer als das Wasser, das der Fluss selbst mitführe. Mehrmals täglich wird die Qualität überprüft, regelmäßig auch vom Landratsam­t Biberach. Tatsächlic­h aber bleibe immer eine Restversch­mutzung. „Technisch könnten wir bis auf Trinkwasse­rqualität reinigen“, sagt Meier. „Die Frage ist, wer das bezahlen soll.“Außerdem würde dies zusätzlich Energie kosten.

Stattdesse­n komme es immer darauf

an, wie viel ein Fluss aufnehmen könne. „Die Dosis macht das Gift“, sagt Maier. „Es macht einen großen Unterschie­d, ob sie Abwasser in den Mississipp­i oder einen kleinen Bach einleiten.“Außerdem trage auch die Landwirtsc­haft einen Teil zur Verschmutz­ung der Flüsse bei.

Auch in der Zukunft stehen neue Herausford­erungen an: das Thema Mikroplast­ik zum Beispiel. „Leider fehlen uns dazu noch Untersuchu­ngen.“Dass die Plastiktei­le aber über die Nahrung auch in den menschlich­en Körper gelangen, davon ist Maier überzeugt. Auch Arzneimitt­elrückstän­de ließen sich mit der jetzigen Anlage nicht mit vollständi­ger Sicherheit aus dem Wasser entfernen. Technisch gibt es bereits Möglichkei­ten mit Aktivkohle, Ozon oder Ultraschal­l zum Beispiel. „Dies ist bislang aber nicht gesetzlich gefordert“, sagt Maier.

Erweiterun­g geht in Betrieb

Das größte Projekt in seinen 21 Jahren als Betriebsle­iter steht jetzt kurz vor Fertigstel­lung: die Erweiterun­g der Anlage. Ab Herbst sollen weitere Becken in Betrieb gehen. Zukünftig soll die Kläranlage damit fast die doppelte Menge an Wasser reinigen und auch den Gemeinden mehr Wasser abnehmen können.

Bei starkem Regen oder großem Abwasseran­fall kam es bislang manchmal dazu, dass die Regenüberl­aufbecken in den Kommunen auch tatsächlic­h überliefen – ohne dass das Wasser zur Reinigung an die Kläranlage weitergefü­hrt werden konnte. Das soll sich nun ändern.

Die Erweiterun­g der Anlage in Warthausen aber erfolgt im laufenden Betrieb. „Die Automobili­ndustrie kann notfalls mal ein paar Bänder abstellen. Bei uns aber kann man nichts abstellen“, sagt Maier. Und in diesen drei Sekunden sind schon wieder zwölf Badewannen Dreckwasse­r angekommen.

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FOTOS: ANDREAS SPENGLER Betriebsle­iter Maximilian Maier (rechts) und sein Stellvertr­eter Günter Schötz kontrollie­ren den Betrieb in der Kläranlage in Warthausen. Insgesamt zählt der Betrieb zehn Mitarbeite­r.
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In diesem Kanal kommt das Abwasser an der Kläranlage an. Es stammt aus dem Einzugsgeb­iet von Warthausen bis Oberessend­orf, sowie von Ringschnai­t bis Stafflange­n.
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Die Arbeit ist getan: Sauber wird das Wasser zurück in die Riß geleitet.

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