Schwäbische Zeitung (Biberach)
Hightech vom Federsee
„Schwäbische Türöffner“: SZ-Leser blicken in die Werkshallen der Franz Kessler GmbH
BAD BUCHAU - Die Firma Franz Kessler aus Bad Buchau fertigt auf 23 000 Quadratmetern Produktionsfläche Komponenten für Werkzeugmaschinen. Als Motorspindelhersteller sei Kessler zudem weltweit führend, sagte Geschäftsführer Börne Rensing bei einer Führung – ein echter Global Player vom Federsee also.
Mit gerade mal fünf Mitarbeitern hat Franz Kessler 1950 in Buchau nach dem Krieg seinen Betrieb wieder aufgenommen. Heute ist die Kessler Group genauso ein Teil Bad Buchaus wie Federseesteg, Wackelwald oder Kurzentrum. Mit ihren grauen Arbeitshosen und orangefarbenen Polohemden sind die KesslerMitarbeiter schon von Weitem zu erkennen und prägen zu den Stoßzeiten das Ortsbild. 800 sind es mittlerweile, darunter rund 70 Auszubildende – und es sollen noch mehr werden.
Seit Jahren befinde sich das Unternehmen auf Wachstumskurs, führte Produktionsmanager Florian Gehrmann bei der Unternehmensführung aus. Als einer der ersten Hersteller begann Kessler 1992 mit dem Bau und der Entwicklung von Motorspindeln. Einige Innovationspreise habe das Unternehmen in diesem Bereich bereits erhalten, so Gehrmann. Als Neuheit wurden Motorspindeln Mitte der 1990er-Jahre stark nachgefragt. Produktion und Umsatz wuchsen – bis zum Krisenjahr 2009, das einen Einbruch von 74 Prozent beim Auftragseingang bescherte.
Tal in einem Jahr durchschritten
„Aber wir haben auch damals unsere Mannschaft gehalten“, betonte Gehrmann. Eine richtige Entscheidung, denn die Nachfrage habe schon ein Jahr später wieder angezogen, das Schiff befand sich wieder auf Kurs. 2011 lag der Umsatz der Kessler Group – aufgeteilt in die Franz Kessler GmbH, Kessler Energy und Service-Niederlassungen in den USA, Taiwan, China und Russland – bei 114 Millionen Euro. Für 2018, blickte Geschäftsführer Rensing voraus, peilt das Unternehmen 150 Millionen Euro an – mit 50 bis 60 zusätzlichen Mitarbeitern. Kein einfaches Unterfangen. „Fachkräfte zu finden, ist eine Riesen-Herausforderung“, weiß Rensing.
Die Montage von Spindeln, die Produktion von Antriebs- und Systemtechnik erfordert schließlich Präzisionsarbeit, das zeigte sich bei einem Rundgang durch die Produktionshallen. „Die Produkte werden immer komplexer und die Kundenanforderungen immer höher“, berichtete Service-Manager Stefan Locher. Gefragt seien individuelle, maßgeschneiderte Produkte; sie werden in den verschiedensten Bereichen von der Mikrozerspanung über die Automobilbis zur Luftfahrtindustrie eingesetzt, als Antrieb für Biogasanlagen genauso wie Synchronmotoren für Sport-Motorboote.
Hier kommt es nicht nur auf jeden Millimeter, sondern auf jeden Mikrometer, auf jedes „Mü“an. Benötigen Standardprodukte eine Montagezeit von etwa 40 Stunden, sind die Kessler-Mitarbeiter bei großen Systemen schon mal zwei bis drei Wochen beschäftigt.
Das Herz der Maschine
Und: Jedes Produkt wird vor dem Versand auf Herz und Nieren geprüft. Im Motorspindeldrehstand etwa werde jede Spindel eine Nacht lang im Dauerlauf mit Maximaldrehung getestet, Temperatur, Schwingungswerte oder Sensorik dabei genau erfasst und mit den zulässigen Grenzwerten abgeglichen. Mit Motorspindeln baue Kessler schließlich nicht weniger als „das Herz“jeder Werkzeugmaschine, verdeutlichte Geschäftsführer Rensing: „Wenn sich die Spindel nicht dreht, kann die Maschine nicht produzieren.“
Lieferanten unter der Lupe
Der Qualitätsstandard beginne schon beim Wareneingang. Zwar könne Kessler alle CNC-Teile selbst fertigen. Wegen des großen Auftragsvolumens greife der Betrieb aber auch auf Lieferanten zurück, mit Vorliebe aus der Region, etwa die ortsansässige Firma Rothmund. „Jedes Teil wird nach dem Eingang 100 Prozent geprüft, damit wir gewährleisten können, dass wir den Qualitätsstandard haben, den wir wollen“, betonte Service-Manager Locher.
Schon allein die Ausmaße des Wareneingangs wie auch des Materiallagers hinterließen bei den Teilnehmern der Betriebsbesichtigung einen tiefen Eindruck. Eine Spindel besteht aus 150 bis 200 Einzelteilen; und jedes Jahr fertigt Kessler an die 10 000 Spindeln.
„Jeder Kunde will am liebsten alle seine Teile lagerhaltig“, kam Locher auf die Herausforderungen des Betriebs zu sprechen. Entsprechend weise der Lagerbestand 40 Millionen Teile auf. „Wir nutzen mittlerweile jeden Millimeter Platz, den wir haben“, so Locher.
Zu eng dürfte es Kessler in Bad Buchau dennoch nicht werden. Angrenzend stünde dem Unternehmen eine große Erweiterungsfläche zur Verfügung, sagte Geschäftsführer Rensing. „Da gibt es also noch Potenzial.“Und damit dürften Arbeiter in orangefarbenen Polohemden auch noch in Zukunft fest zum Stadtbild Bad Buchaus gehören.