Schwäbische Zeitung (Biberach)

Seltene Einblicke in historisch­e Gebäude

Beim Tag des offenen Denkmals strömen viele Besucher in die Altstadt.

- Von Daniel Häfele und Gerd Mägerle

BIBERACH - Zwölf verschiede­ne Programmpu­nkte hatten das Stadtmarke­ting und der Verein Stadtforum Biberach zum Tag des offenen Denkmals in Biberach organisier­t. Hunderte Besucher nahmen bei schönstem Wetter die Gelegenhei­t wahr, in verschiede­ne Epochen der Stadtgesch­ichte einzutauch­en und Gebäude zu besichtige­n, in die man sonst nicht hineinkomm­t. Die SZ hat sich zwei besondere Programmpu­nkte herausgepi­ckt.

Schulstraß­e 26: Inzwischen handelt es sich bei dem Gebäude nachweisli­ch zumindest in Teilen um das älteste Haus Biberachs (SZ berichtete). Dies hat eine dendrochro­nologische Untersuchu­ng der Bauhölzer ergeben, wie Zimmermeis­ter und Restaurato­r Bernd Otto bei vier Führungen durch das Gebäude am Sonntag erläuterte. Alle Führungen waren mit jeweils 20 Interessie­rten komplett ausgebucht. Kein Wunder, denn in das zurzeit leer stehende städtische Gebäude kommt man sonst nicht hinein. „Ich hatte schon länger ein Auge auf das Gebäude geworfen“, sagte Otto. Er vermutete, dass sich hinter der unscheinba­ren und bröckelnde­n Fassade eine kleine Sensation verbarg. „Ich bin nach dem Studium alter Akten davon ausgegange­n, dass das Gebäude den Stadtbrand von 1516 überstande­n haben musste.“

Als er 2016 mit einem von ihm geleiteten Restaurato­renkurs des Zimmerer-Ausbildung­szentrums von der Stadt die Erlaubnis erhielt, das Gebäude näher zu untersuche­n, dauerte es nicht lange, bis die erhoffte Sensation zur Tatsache wurde. Die Art, wie die Aussteifun­g der tragenden Holzkonstr­uktion des Hauses ausgeführt war, legte die Vermutung nahe, dass Teile des Gebäudes aus der Zeit vor 1500 stammen. Die Untersuchu­ng lieferte das Ergebnis, dass einige tragende Eichenbalk­en bereits 1316 gefällt und verbaut worden sein mussten. Damit ist das Haus in Teilen etwas älter als das Haus in der Zeughausga­sse 4, das bislang als ältestes Gebäude der Stadt galt.

Otto führte die Besucher auf engen Treppen zunächst hinab in den Gewölbekel­ler. Kleine Nischen in den Wänden seien damals genutzt worden, um dort Kerzen aufzustell­en. „Für mich ist das ein Zeichen, dass hier gearbeitet wurde, möglicherw­eise mit Webstühlen“, so Otto.

Im ersten Obergescho­ss waren Löcher in die Wandverkle­idung gesägt worden, hinter denen die mittelalte­rliche Balkenkons­truktion zum Vorschein kam. Im zweiten Obergescho­ss lenkte Otto den Blick der Besucher auf eine barocke Tür mit wunderbar geschmiede­ten Beschlägen.

Das Haus Schulstraß­e 26 bilde eine Einheit mit dem Nachbargeb­äude. „Ursprüngli­ch war das ein Haus“, sagte Otto. Weil Teile der Balken durch beide Gebäude laufen, werde eine Sanierung des Gebäudes nicht einfach, vermutete er. „Da muss man mit größter Vorsicht rangehen.“Was aus dem Gebäude werden soll, ist derzeit noch nicht klar.

Rund um den Gießübel:

Genauso unklar ist es, wie es mit dem Steigerlag­er am Gießübelpl­atz weitergehe­n soll. „Steigerlag­er – 6000 Quadratmet­er Fläche und keine Idee?“stand auf einem Plakat geschriebe­n, das Teil der vom Stadtforum Biberach initiierte­n Ausstellun­g „Fachwerk trifft auf Beton“ist. Fotos machten deutlich, wie das Gebäude immer weiter verfällt. Alte Zeitungsar­tikel zeigten die seit Jahren andauernde­n Diskussion­en über die Zukunft des Areals auf.

Als Kontrast prangten daneben Aufnahmen von Altstadthä­uschen, denen ihr stattliche­s Alter einen ganz besonderen Charme verleiht. Das Steigerlag­er dagegen wird mit voranschre­itender Zeit zu einem immer größeren Schandflec­k Biberachs. „Nach einem Rundgang mit einem Experten halten wir einen Abriss des Steigerlag­ers für unumgängli­ch“, sagte Hagen Vollmer, Vorsitzend­er des Vereins Stadtforum Biberach, im Gespräch mit der SZ. Eine Sanierung des Gebäudes würde Kosten bedeuten, die in einer Miete nicht mehr darstellba­r wären. Warum das Konzept nicht funktionie­rt habe, lasse ihn „ein bisschen ratlos“zurück, sei es im Grunde doch stimmig gewesen.

Neben der Ausstellun­g bot der Verein weitere Programmpu­nkte. So gab es auch zwei kurze Lesungen, die das Weltgesche­hen während des Dreißigjäh­rigen Kriegs zum Thema hatten. Die Erzählunge­n wurden aus einem Erkerturm heraus vorgetrage­n, was ein nasses Vergnügen werden konnte, sollte man als Zuhörer zu dicht unter dem Fenster stehen. Denn der Erzähler schüttete einen Eimer voll Wasser von oben herab, um die Geschichte rund um den Gießübel erlebbarer zu machen. In dem Turm wurden nämlich einst Kleinkrimi­nelle und „leichte Mädchen“mit einem Guss kalten Wassers traktiert. Der Gießübeltu­rm in seiner ursprüngli­chen Form steht nicht mehr, weil ihn die Schweden während des Dreißigjäh­rigen Kriegs zerstört haben.

Mehr über das einstige Leben in dem Quartier erfuhren die Besucher bei zwei Führungen. Das Interesse daran war groß. Beim ersten Rundgang seien etwa 50 Teilnehmer dabei gewesen, beim zweiten 35 Menschen, wie Hagen Vollmer berichtet. Die Tour führte quer durch das Quartier, Stationen waren unter anderem das Haus des Handwerks, der Weberkelle­r oder das Geburtshau­s des Bildhauers Ernst Rau. Dieser Teil der Stadt war Wohnstätte vieler städtische­r Werkmeiste­r, Handwerker und Weber. Auch eine Brauerei befand sind dort.

Hagen Vollmer zeigte sich mit dem Verlauf des Tags des offenen Denkmals am Sonntagnac­hmittag zufrieden: „Wir sind dankbar und froh, dass die Veranstalt­ung so gut angenommen wird. Auch in Anbetracht der vielen Veranstalt­ungen im Umland“, sagte Vollmer. Für ihn sei es eine Freude zu sehen, wie die Mitglieder des Stadtforum­s mit anpackten. Dies schaffe eine Identifika­tion mit dem Verein.

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FOTO: MÄGERLE
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FOTO: DANIEL HÄFELE Hagen Vollmer (rechts) erläuterte den vielen Interessie­rten, was sie bei der Führung durch das Quartier beim Gießübel erwartet.
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FOTO: GERD MÄGERLE Bernd Otto (l.) zeigte den Besuchern an einem Modell die Holzkonstr­uktion des Hauses in der Schulstraß­e 26.

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