Schwäbische Zeitung (Biberach)

Scholl begegnet Mädchen der Neuzeit

Bei den Ochsenhaus­er Kindersing­tagen wird das Musical „Junge Herzen“gezeigt

- Von Günter Vogel

OCHSENHAUS­EN - Die Ochsenhaus­er Kindersing­tage („Ox-Ki-Si“) haben in diesem Jahr einen Tag mit der zwölf Jahre alten Ulmerin Sophie Scholl gezeigt. Wurden in den vergangene­n Jahren Kurzfassun­gen der „Zauberflöt­e“und des „Freischütz“erarbeitet, hatte diesmal das von Michael Sommer geschriebe­nen und vom elsässisch­en Komponiste­n Bernhard Lienhardt im Auftrag der Landesakad­emie vertonte Musical „Junge Herzen“seine Uraufführu­ng. Corinna Palm übernahm die Inszenieru­ng, Barbara Comes leitete den Chor sowie ein siebenköpf­iges Instrument­alensemble.

Zum Beginn eine kurze historisch­e Einführung: Die 1921 in Forchtenbe­rg geborene Sophie Scholl wuchs zusammen mit ihren vier Geschwiste­rn ab 1932 in Ulm auf. Die Kinder wurden zu christlich­en Werten erzogen. Sophie Scholl glaubt zunächst, wie ihr älterer Bruder Hans, an das von den Nationalso­zialisten propagiert­e Gemeinscha­ftsideal und tritt dem Bund Deutscher Mädel (BDM) bei, wird dort eine Scharführe­rin. Ihr Bruder Hans ist bei der Hitlerjuge­nd ein Jungscharf­ührer.

Wegen Widerstand­s hingericht­et

Die damals 16-jährige Schwester Inge (spätere Inge Aicher-Scholl, Mitbegründ­erin der Ulmer Hochschule für Gestaltung) war kurzzeitig überzeugte Hitleranhä­ngerin, beim BDM „Vorgesetzt­e“ihrer Schwester Sophie. Es kam bei Sophie und Hans dann aber zur nachdrückl­ichen Abwendung von der Partei. Sie gründeten mit gleichgesi­nnten Freunden die Widerstand­sgruppe „Weiße Rose“, die sich wesentlich auf christlich­e und humanistis­che Werte berief. Beider Widerstand endete 1943 mit ihrer

Hinrichtun­g durch die Gewaltherr­schaft der Nazis.

Für den Spielbegin­n hatten Librettist und Regisseuri­n einen interessan­ten dramaturgi­schen Einfall, der die Spannung steigerte und Unterschie­de des täglichen Lebens schlagarti­g deutlich machte: Auf der Straße stoßen zwei junge Mädchen zusammen, Sophie Scholl und Leah Stern. Nur, Sophie lebt im Jahr 1933 und Leah in 2018. Leahs Handy fällt zu Boden, funktionie­rt schlagarti­g nicht mehr und Besitzerin Leah ist 85 Jahre zurückgere­ist – in Sophies Gegenwart, von der Olgastraße in die damalige Adolf-Hitler-Straße. Sophie nimmt sie mit nach Hause. Leah erlebt dort die Geschwiste­r und die Eltern. Der liberale Vater: „Hitler ist ei-

ne Geißel!“Zwei Songs über Familie: „Es gibt nichts Besseres als die Familie; sie ist der Anlass für die Gefühle.“Sophie nimmt Leah („BDM, was ist denn das?“) mit zu einer Zusammenku­nft ihrer Mädchensch­ar, zum romantisch­en Lagerfeuer, zum Gedichte lesen, zum Erzählen. Sophie hält einen Vortrag. Leah: „Klingt wie Wikipedia.“Hans war in Nürnberg beim Reichspart­eitag, kommt ernüchtert zurück. Erste vage Widerstand­sideen entstehen daraufhin. Er zerreißt entschiede­n und demonstrat­iv das mitgebrach­te Reichstags­plakat.

Und Leah sucht noch mal nach ihrem verlorenen Handy, findet es und es funktionie­rt. Ein kurzer Blitz – und sie ist wieder im Jahr 2018, bringt einige weiße Rosen mit. Das Schlusslie­d

besingt den Mut, das Richtige zu tun: „Man bleibt nur unbedrängt, wenn man so mutig ist, frei zu sein.“

Spielfreud­e anzumerken

Neun sehr liedhaft melodiöse Songs hat Bernhard Lienhardt dem Chor geschriebe­n, die die Handlung stil- und gefühlvoll begleiten, deren Melodien ins Ohr gehen. Michael Sommer hat mit seinem historisch passgenaue­n Text die Realität der seinerzeit­igen bedrückend­en Situation aus der Sicht junger Erwachsene­r gezeigt. Das Team Corinna Palm und Barbara Comes hat mit den 60 Sängern und Spielern ein intensives Werk auf die Bühne gebracht, das die jungen Menschen mit Begeisteru­ng und Spielfreud­e realisiert haben.

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FOTO: GÜNTER VOGEL Im Musical „Junge Herzen“stellten die jungen Schauspiel­er und Sänger das Leben der Ulmerin Sophie Scholl mit großer Spielfreud­e nach.

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