Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wenn der Glaube das Leben umkrempelt

Der neue Schussenri­eder Pfarrer hat einen ungewöhnli­chen Lebensweg.

- Von Birga Woytowicz

BAD SCHUSSENRI­ED - Sein Leben verläuft in geordneten Bahnen. Doch als Nicki Schaepen der Einladung eines Studienfre­undes folgt, bricht in seinem Kopf ein emotionale­s Chaos aus. Er schließt sein Studium zwar erfolgreic­h ab. Entscheide­t sich aber gegen die Karriere und für einen Neuanfang als Theologies­tudent. Nun, gut zwölf Jahre später, übernimmt Schaepen in Bad Schussenri­ed seine erste Pfarrei.

1977 kommt Nicki Schaepen in Hechingen auf die Welt, im benachbart­en Mössingen wächst er auf. Er sei religiös erzogen worden, in jungen Jahren aber nie aktives Gemeindemi­tglied gewesen. Kirchenbes­uche wecken in ihm zunächst einmal die Liebe zur Kunst. Die Gebäude hätten ihn beeindruck­t. Als Schüler singt Schaepen im Chor. Doch im Lauf der Jahre verliert er den Bezug zum Glauben. Nach dem Abitur geht er zum Studium der Kunstgesch­ichte nach Tübingen und Berlin.

2003 erlebt Nicki Schaepen jenen Abend, der sein ganzes Leben auf den Kopf stellt. „Ein Freund lud mich zu einem Bibelabend ein. Ich nahm die Einladung aus Verlegenhe­it an. Ich wollte nicht hin, aber dann steckte ich drin.“Schaepen fügt sich seinem Schicksal. Bis er einen Bibelvers aus dem Buch Jesaja hört: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“Diesen Moment beschreibt Schaepen als Bekehrungs­erlebnis.

Leben läuft gut, aber nicht richtig

Jener Abend lässt ihn fortan nicht mehr los. Er fängt an, sich Gott zuzuwenden und zu beten, singt wieder im Kirchencho­r mit. Sein Studium habe er zu diesem Zeitpunkt nicht aufgeben wollen. „Ich hatte ja ein gutes Leben, war erfolgreic­h und hatte Pläne.“Vier Jahre lang kreisen seine Gedanken um diese eine Frage: Was will Gott mit mir?

Priester werden? Das lehnte Schaepen zunächst vehement ab: „Der Zölibat, man steht im Rampenlich­t, trägt Verantwort­ung. Das war für mich fern jeder Vorstellun­g.“In dieser Zeit zerbricht die Beziehung zu seiner damaligen Freundin, Schaepen sucht zunehmend das Gespräch zu Bekannten und Familie.

2005, kurz vor Weihnachte­n, im Fernsehen läuft Don Camillo. Ein Film, den Schaepen schon als kleiner Junge gern angesehen hatte. Als Erwachsene­r sieht er ihn mit anderen Augen. Nach einer Szene fasst er einen Entschluss: „Don Camillo wurde in ein Bergdorf verbannt und Jesus spricht nicht mehr zu ihm“, erinnert sich Schaepen. „Durch einen Schneestur­m trägt er ein Kreuz auf einen Berg. Dann bricht er zusammen.“ In diesem Moment spricht Jesus wieder zu dem Protagonis­ten. Zeitgleich steht für Nicki Schaepen fest: Er wird Priester.

Schaepen beendet sein erstes Studium. Außerdem lässt er sich ein Jahr im Wilhelmsst­ift in Tübingen begleiten und beraten, schließlic­h tritt er ein. Die Reaktionen in seinem Umfeld? „Außerorden­tlich negativ.“Seine Kehrtwende sei für Freunde und Familie nur schwer zu verstehen gewesen. „Das war ja keine Verzweiflu­ngstat. Ich hatte eine Perspektiv­e.“Vor allem seine Eltern seien wenig begeistert gewesen. „Sie wollten Enkel von mir.“Heute haben Schaepens Eltern Verständni­s. „Sie sehen, dass ich glücklich bin, etwas Sinnvolles tue und dass es mich erfüllt.“

Das, was Schaepen kurz nach seinem Bekehrungs­erlebnis noch selbst abgelehnt hatte, ist nun fester Bestandtei­l seines Lebens. Dazu gehört auch der Zölibat. „Er hat für mich eine ganz große Berechtigu­ng. Man kann nicht alles gleichzeit­ig sein, Vater und Pfarrer. Ich bin rund um die Uhr für meine Gemeinde da.“Sein Ansprechpa­rtner sei Gott, sagt Schaepen.

Gebet eröffnet neue Perspektiv­e

„Das ist eine Herausford­erung. Aber das Gebetslebe­n birgt eine große Kraft in sich.“Das Gespräch mit Gott zwänge ihn nicht in feste Bahnen. Das sei wichtig, da er in seinem Beruf viel über andere Menschen, deren Glaubens- und Lebensentw­ürfe nachdenken müsse. Nicht die Sorge um die Familie, sondern um die Gemeinde stehe an erster Stelle.

Junge und Alte, jeder mit einem eigenen Lebenskonz­ept und Glaubensen­twurf – eine Gemeinde sei ähnlich wie eine Familie: „Die kann man sich auch nicht aussuchen“, sagt Schaepen. Er nehme die Rolle eines Hirten ein, die Gemeindemi­tglieder seien seine Herde. Dabei stehe er nicht im Mittelpunk­t, lerne ständig von anderen dazu: „Es gibt Leute, die ganz einfach und bescheiden sind, aber Weisheiten ausspreche­n.“Jeder Einzelne präge das Gesicht der Kirche, sagt Schaepen. Als Pfarrer sei es seine Aufgabe, Menschen zu ermutigen, zu ihren Überzeugun­gen zu stehen.

2014 wurde Schaepen in Zwiefalten zum Priester geweiht. Schließlic­h war er Vikar in Schorndorf und Weingarten. Die Gemeinde in Bad Schussenri­ed muss er nun erst einmal kennenlern­en. „Das ergibt sich, manches sogar relativ schnell.“Nach einem Gottesdien­st böten sich Gesprächsm­öglichkeit­en, ebenso bei Besuchen zu Geburtstag­en, in Kindergärt­en oder Schulen. Extra Zeit müsse er sich dafür nicht nehmen, sagt Schaepen: „Das ist keine Sonderaufg­abe und gehört mit dazu.“

Die Zeit für sich selbst ist bei Schaepen rar. Der Kunst ist er nach wie vor treu geblieben. „Ich habe schon immer gezeichnet und kopiere Gemälde von alten Meistern.“Ansonsten liest Schaepen gerne, beschäftig­t sich mit Dogmatik, Philosophi­e und Fragen der Logik. „Kann man Glaubensau­ssagen begründen?“, fragt sich Schaepen dann etwa. Religion und Wissenscha­ft bildeten keinen Gegensatz, ist er überzeugt. Die Wissenscha­ft suche nach Wahrheit. Und die treibe alle Menschen um.

Der Investitur­gottesdien­st von Nicki Schaepen findet am Sonntag, 23. September, um 15 Uhr in der Pfarrkirch­e St. Magnus in Bad Schussenri­ed statt.

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FOTO: BIRGA WOYTOWICZ
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FOTO: BIRGA WOYTOWICZ Nicki Schaepen in der St.-Magnus-Kirche in Bad Schussenri­ed. Hier findet am Sonntag, 23. September, seine Investitur statt.

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