Schwäbische Zeitung (Biberach)
Wie taumelnde Boxer
Schon wieder. Ein neuer Koalitionsstreit ist vom Zaun gebrochen. Diesmal geht es um HansGeorg Maaßen, und ein bisschen auch um seinen Dienstherrn Horst Seehofer. Die SPD ist zunehmend gereizt. Erst hat sie den monatelangen Streit zwischen CSU und CDU, zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel ertragen, ohne ihn groß zu kommentieren, dann Seehofers Ultimatum in der Flüchtlingspolitik.
Nun geht es um das gleiche Thema, genauer gesagt, um Reaktionen auf die Flüchtlingspolitik. Der oberste Verfassungsschützer Maaßen gilt nicht gerade als Freund von Merkels Linie, und es war Kritik an der Kanzlerin, als er sagte, es gebe keinen Beweis für Hetzjagden in Chemnitz. Maaßen hat, und selbst Parteifreunde fanden das ungeschickt, eine Diskussion über die Vorgänge in Chemnitz vom Zaun gebrochen, als er via „Bild“-Zeitung mitteilte, er habe Zweifel an der Echtheit der Bilder. Von einem Verfassungsschutzchef erwartet man keine Interviews mit Zweifeln, sondern klare Auskünfte.
Die ist Maaßen auch im Amri-Untersuchungsausschuss bisher schuldig geblieben, was den V-Mann im Umfeld des Attentäters anging. Vor diesem Hintergrund ist der Ruf der SPD nach einer Entlassung verständlich, auch die FDP schloss sich an, nachdem nun auch noch bekannt wurde, dass Maaßen der AfD vorab Informationen aus dem Verfassungsschutzbericht gab. All diese Punkte erzeugen ein Gesamtbild, das nicht mehr dem eines verantwortungsvollen Behördenleiters entspricht.
Die SPD hat jetzt Angela Merkel zum Handeln aufgefordert, der Streit wurde bis Dienstag vertagt. Diese Zeit wird nun wohl Innenminister Horst Seehofer dafür verwenden müssen, seinen Behördenchef Maaßen vom Rücktritt zu überzeugen.
Denn nicht nur Merkel, auch die SPD und die CSU wissen, dass ein weiterer Streit, eine weitere Hängepartie das Ende der Koalition sein könnte. Und in dem Zustand, in dem diese zur Zeit ist, wird keiner als Gewinner daraus hervorgehen. Die Koalitionspartner erinnern an taumelnde Boxer, die sich im Fallen noch aneinanderklammern.
s.lennartz@schwaebische.de