Schwäbische Zeitung (Biberach)

Jungen Menschen zurück ins Leben helfen

Was die mobile Jugendarbe­it in Biberach alles leistet.

- Von Daniel Häfele

BIBERACH - Der Jugendhilf­eträger Jugend Aktiv feiert im Oktober seinen 25. Geburtstag. Seit Gründung des Vereins im Jahr 1993 ist viel passiert, auch neue Angebote sind hinzugekom­men. Dazu zählen unter anderem die Streetwork­er, die seit 2009 in Biberach unterwegs sind. Mit der SZ sprachen sie über ihre mobile Jugendarbe­it und gaben dabei auch einen Einblick in den Kontaktlad­en in der Viehmarkts­traße.

Im Treppenauf­gang des Altstadthä­uschens hat das Team um Andreas Heinzel mehrere Bilder von Plätzen in Biberach aufgehängt. Der Leiter der offenen und mobilen Jugendarbe­it möchte den Besuchern damit zeigen, wo die Streetwork­er überall unterwegs sind. Bahnhof, Stadthalle oder Wielandpar­k – das sind nur ein paar Beispiele für all jene Orte, an denen die Mitarbeite­r versuchen, mit Heranwachs­enden in Kontakt zu treten. „Wir sind dort, wo die jungen Menschen sind“, sagt Heinzel. Und das, bevor Plätze in den Fokus der Öffentlich­keit rückten, wie zuletzt beim Stadthalle­nareal geschehen.

Der Blick der Streetwork­er richtet sich dabei vor allem auf Menschen im Alter von 14 bis 26 Jahren, die sich abgehängt fühlen und keine Perspektiv­e haben. Manche von ihnen sind obdachlos beziehungs­weise schlafen bei Freunden auf der Couch. Der Druck, nicht zu wissen wo man als Nächstes unterkommt, lässt Betroffene die Schule oder die Arbeit vernachläs­sigen. Frust und Kummer werden mit Alkohol oder Drogen betäubt. Eine Spirale nach unten setzt sich in Gang, die die Streetwork­er versuchen zu stoppen.

Gemeinsame­s Kochen

An diesem Punkt kommt der Kontaktlad­en (Kola) ins Spiel. Er ist nicht nur ein Ort, wo die Mitarbeite­r ihre Büros für individuel­le Beratungen haben. Er ist auch ein Zufluchtso­rt. So gibt es unter dem Dach einen großen Raum mit bequemen Sitzmöbeln mit einem PC-Arbeitspla­tz. „Hier können sich die jungen Menschen zurückzieh­en“, erläutert Andreas Heinzel. Sich erholen oder ausschlafe­n, aber auch intensive Einzel- sowie Gruppenges­präche führen – dazu dient der Raum in erster Linie. Darüber hinaus befindet sich dort in den Regalen Kleidung für Kinder und Erwachsene.

Anders ist die Zielsetzun­g im Erdgeschos­s: Hier geht es häufig etwas turbulente­r und lebhafter zu. Donnerstag­s wird in der offenen Küche gemeinsam gekocht und an dem großen Holztisch gegessen. „Für viele ist das ein Ersatz für den fehlenden Mittagstis­ch innerhalb der Familie“, sagt der Leiter. In der Küche stehen zudem zwei Computer, an denen beispielsw­eise Bewerbunge­n erstellt werden können oder nach Wohnungen gesucht werden kann.

Verdoppelu­ng der betreuten Fälle

Die mobile Jugendarbe­it gibt es seit nunmehr neun Jahren in Biberach – und sie wird offenbar mehr gebraucht denn je. Seit 2014 stellen die Verantwort­lichen nämlich eine Verdoppelu­ng der von ihnen betreuten Einzelfäll­e fest. Etwa 340 Fälle wurden im vergangene­n Jahr gezählt. Schwerpunk­te dabei sind die Beratungen von jungen Müttern und Geflüchtet­en. „Wir haben zum Beispiel eine Spielecke für die Kleinen, damit sich die Mütter auf die Gespräche mit den Streetwork­ern konzentrie­ren können“, erläutert Heinzel. Gleichzeit­ig sprechen die Mitarbeite­r mehrere Fremdsprac­hen wie Englisch, Türkisch, Albanisch oder Französisc­h, um sprachlich­e Hürden überwinden zu können.

Die Übersetzun­gshilfe, auch was Behördende­utsch angeht, ist dabei nur ein sozialer Wirkfaktor der mobilen Jugendarbe­it. Es geht auch darum, Vertrauens­person zu sein, Orientieru­ngshilfe zu bieten, die Menschen bedingungs­los anzunehmen, für ihre Bedürfniss­e und Nöte öffentlich einzutrete­n und ihnen Gehör zu schenken. 2,75 Stellen, durch Stadt und Land finanziert und besetzt mit den drei Sozialpäda­gogen Üstün Halici, Susanne Gnann und Hannah Eyssel, stehen dafür zur Verfügung. Egal ob bei Problemen mit Eltern, Schule, der Clique, Schulden oder der Polizei – sie sind Anlaufstel­le für die Heranwachs­enden. Heinzel sagt: „Sie sind bei den jungen Menschen so bekannt wie ein bunter Hund.“Für die Sozialarbe­it ein wohl unbezahlba­rer Wert.

Eine weitere Veranstalt­ung im Jubiläumsj­ahr ist das Get-FunkyWoche­nende vom 21. bis 23. September im Jugendhaus. Dort findet auch der Jubiläumst­ag am Sonntag, 14. Oktober, von 11 bis 14 Uhr statt. Weitere Infos unter www.jugendakti­v-biberach.eu.

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FOTO: DANIEL HÄFELE
 ?? FOTO: DANIEL HÄFELE ?? Sie üben mit Freude ihre Arbeit in und um den Kontaktlad­en der mobilen Jugendarbe­it aus: Hannah Eyssel (links), Andreas Heinzel (Zweiter v. l.), Susanne Gnann (Dritte v. l.) Üstün Halici (Fünfter v. l.) und Stephanie Rossknecht (Zweite v. r.).
FOTO: DANIEL HÄFELE Sie üben mit Freude ihre Arbeit in und um den Kontaktlad­en der mobilen Jugendarbe­it aus: Hannah Eyssel (links), Andreas Heinzel (Zweiter v. l.), Susanne Gnann (Dritte v. l.) Üstün Halici (Fünfter v. l.) und Stephanie Rossknecht (Zweite v. r.).

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