Schwäbische Zeitung (Biberach)
Jungen Menschen zurück ins Leben helfen
Was die mobile Jugendarbeit in Biberach alles leistet.
BIBERACH - Der Jugendhilfeträger Jugend Aktiv feiert im Oktober seinen 25. Geburtstag. Seit Gründung des Vereins im Jahr 1993 ist viel passiert, auch neue Angebote sind hinzugekommen. Dazu zählen unter anderem die Streetworker, die seit 2009 in Biberach unterwegs sind. Mit der SZ sprachen sie über ihre mobile Jugendarbeit und gaben dabei auch einen Einblick in den Kontaktladen in der Viehmarktstraße.
Im Treppenaufgang des Altstadthäuschens hat das Team um Andreas Heinzel mehrere Bilder von Plätzen in Biberach aufgehängt. Der Leiter der offenen und mobilen Jugendarbeit möchte den Besuchern damit zeigen, wo die Streetworker überall unterwegs sind. Bahnhof, Stadthalle oder Wielandpark – das sind nur ein paar Beispiele für all jene Orte, an denen die Mitarbeiter versuchen, mit Heranwachsenden in Kontakt zu treten. „Wir sind dort, wo die jungen Menschen sind“, sagt Heinzel. Und das, bevor Plätze in den Fokus der Öffentlichkeit rückten, wie zuletzt beim Stadthallenareal geschehen.
Der Blick der Streetworker richtet sich dabei vor allem auf Menschen im Alter von 14 bis 26 Jahren, die sich abgehängt fühlen und keine Perspektive haben. Manche von ihnen sind obdachlos beziehungsweise schlafen bei Freunden auf der Couch. Der Druck, nicht zu wissen wo man als Nächstes unterkommt, lässt Betroffene die Schule oder die Arbeit vernachlässigen. Frust und Kummer werden mit Alkohol oder Drogen betäubt. Eine Spirale nach unten setzt sich in Gang, die die Streetworker versuchen zu stoppen.
Gemeinsames Kochen
An diesem Punkt kommt der Kontaktladen (Kola) ins Spiel. Er ist nicht nur ein Ort, wo die Mitarbeiter ihre Büros für individuelle Beratungen haben. Er ist auch ein Zufluchtsort. So gibt es unter dem Dach einen großen Raum mit bequemen Sitzmöbeln mit einem PC-Arbeitsplatz. „Hier können sich die jungen Menschen zurückziehen“, erläutert Andreas Heinzel. Sich erholen oder ausschlafen, aber auch intensive Einzel- sowie Gruppengespräche führen – dazu dient der Raum in erster Linie. Darüber hinaus befindet sich dort in den Regalen Kleidung für Kinder und Erwachsene.
Anders ist die Zielsetzung im Erdgeschoss: Hier geht es häufig etwas turbulenter und lebhafter zu. Donnerstags wird in der offenen Küche gemeinsam gekocht und an dem großen Holztisch gegessen. „Für viele ist das ein Ersatz für den fehlenden Mittagstisch innerhalb der Familie“, sagt der Leiter. In der Küche stehen zudem zwei Computer, an denen beispielsweise Bewerbungen erstellt werden können oder nach Wohnungen gesucht werden kann.
Verdoppelung der betreuten Fälle
Die mobile Jugendarbeit gibt es seit nunmehr neun Jahren in Biberach – und sie wird offenbar mehr gebraucht denn je. Seit 2014 stellen die Verantwortlichen nämlich eine Verdoppelung der von ihnen betreuten Einzelfälle fest. Etwa 340 Fälle wurden im vergangenen Jahr gezählt. Schwerpunkte dabei sind die Beratungen von jungen Müttern und Geflüchteten. „Wir haben zum Beispiel eine Spielecke für die Kleinen, damit sich die Mütter auf die Gespräche mit den Streetworkern konzentrieren können“, erläutert Heinzel. Gleichzeitig sprechen die Mitarbeiter mehrere Fremdsprachen wie Englisch, Türkisch, Albanisch oder Französisch, um sprachliche Hürden überwinden zu können.
Die Übersetzungshilfe, auch was Behördendeutsch angeht, ist dabei nur ein sozialer Wirkfaktor der mobilen Jugendarbeit. Es geht auch darum, Vertrauensperson zu sein, Orientierungshilfe zu bieten, die Menschen bedingungslos anzunehmen, für ihre Bedürfnisse und Nöte öffentlich einzutreten und ihnen Gehör zu schenken. 2,75 Stellen, durch Stadt und Land finanziert und besetzt mit den drei Sozialpädagogen Üstün Halici, Susanne Gnann und Hannah Eyssel, stehen dafür zur Verfügung. Egal ob bei Problemen mit Eltern, Schule, der Clique, Schulden oder der Polizei – sie sind Anlaufstelle für die Heranwachsenden. Heinzel sagt: „Sie sind bei den jungen Menschen so bekannt wie ein bunter Hund.“Für die Sozialarbeit ein wohl unbezahlbarer Wert.
Eine weitere Veranstaltung im Jubiläumsjahr ist das Get-FunkyWochenende vom 21. bis 23. September im Jugendhaus. Dort findet auch der Jubiläumstag am Sonntag, 14. Oktober, von 11 bis 14 Uhr statt. Weitere Infos unter www.jugendaktiv-biberach.eu.