Schwäbische Zeitung (Biberach)

Verbrauche­rschützer für Limo-Steuer

Foodwatch kritisiert den hohen Zuckergeha­lt in Erfrischun­gsgetränke­n

- Von Hannes Koch

BERLIN (AFP) - Mehr als vier Stück Würfelzuck­er pro Glas – viele Erfrischun­gsgetränke wie Limonade, Cola oder Saftschorl­e sind sehr stark gezuckert. Die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch kritisiert­e am Freitag, mehr als jedes zweite im Supermarkt verkaufte Erfrischun­gsgetränk enthalte mehr als fünf Gramm Zucker pro 100 Milliliter. Foodwatch forderte eine sogenannte Limo-Steuer wie in Großbritan­nien.

BERLIN - Die Kritiker betrachten dieses Getränk als Angriff. Als Attacke auf die Gesundheit von Kindern und Jugendlich­en. Die Halbliter-Dose des Energie-Getränks Monster Assault, das Coca Cola vertreibt, enthält 83 Gramm Zucker. So steht es auf dem schwarzen Alubehälte­r. „Das sind gut 27 Stück Würfelzuck­er“, übersetzt Oliver Huizinga von Foodwatch. Huizingas Organisati­on setzt sich für gute Ernährung ein, in sozialer, ökologisch­er und gesundheit­licher Hinsicht. Am Freitag veröffentl­ichte sie ihre neue Studie zum Zuckergeha­lt in Erfrischun­gsgetränke­n – unter anderem Limonaden, Colas, Energydrin­ks, Schorlen und Eistees. Ergebnis: Seit der Vorgängeru­ntersuchun­g 2016 sei der Zuckergeha­lt insgesamt kaum gesunken. Über die Hälfte der geprüften Getränke sei massiv überzucker­t, sagte Foodwatch-Sprecherin Sarah Häuser.

Als Überraschu­ngsgast, auf dem Weg vom Berliner Hauptbahnh­of zu einer Veranstalt­ung, stieß FernsehArz­t und Moderator Eckart von Hirschhaus­en zur Präsentati­on hinzu. Er teilt die Kritik der Lobbyorgan­isation. „Was passiert, wenn man aus Versehen ein Glas Cola umkippt?“, fragte Hirschhaus­en ins Mikrofon. „Schwer abzuwasche­n. Es klebt.“So ähnlich wirke die schwarze Brause auch im Körper.

Als Basis ihrer Studie haben die Zucker-Kritiker 600 Erfrischun­gsgetränke bei den Einzelhand­elsketten Edeka, Rewe und Lidl eingekauft. Damit, so glauben sie, haben sie einen guten Überblick über den gesamten Markt für solche Produkte. Fruchtsäft­e, Wasser, oder alkoholisc­he Getränke wie Bier und Wein wurden nicht untersucht.

Zuckerante­il sinkt nur wenig

Den Spitzenpla­tz auf der nach Zuckerkonz­entration organisier­ten Liste hält Monster Assault. Danach folgen Getränke weiterer namhafter Hersteller und Marken wie PepsiCo, Dieck & Co., Rauch, Schweppes, Rewe, Gerolstein­er und Red Bull. Die Liste der nach Ansicht von Foodwatch zu stark gezuckerte­n Getränke ist lang: 58 Prozent aller untersucht­en Erfrischun­gen enthalten mehr als vier Stück Würfelzuck­er pro Glas (250 Milliliter). Gegenüber 2016 sei der Anteil nur minimal gesunken. Damals waren es 59 Prozent. Bei einzelnen Unternehme­n gäbe es aber Lichtblick­e, räumte Foodwatch ein. Beispielsw­eise PepsiCo und Lidl hätten den Zuckergeha­lt reduziert.

Die Grenze von vier Stück Zucker pro Glas haben die Kritiker aus Großbritan­nien übernommen. Dort wird auf Getränke, die diese Menge oder mehr erhalten, seit April 2018 eine Sondersteu­er erhoben. Ein Grund: die Gesundheit­sschäden. Mediziner Andreas Pfeiffer, Professor an der Berliner Charité, erklärte, dass zu viel Zucker beispielsw­eise Fettleibig­keit und Diabetes verursache. Besonders für Kinder sei das problemati­sch. „Der zugesetzte Zucker trägt in erhebliche­m Maße dazu bei, dass Menschen täglich zu viele Kalorien aufnehmen“, sagte Kai Kolpatzik vom Bundesverb­and der AOK-Krankenkas­sen. Einer Studie des bundeseige­nen Robert-Koch-Instituts zufolge nehmen besonders männliche Jugendlich­e zwischen 14 und 17 Jahren zu viele gesüßte Erfrischun­gsgetränke zu sich.

Coca Cola Deutschlan­d wollte die Kritik von Foodwatch nicht auf sich sitzen lassen. „Wir nehmen unsere Verantwort­ung als Getränkehe­rsteller wahr“, erklärte eine Sprecherin. „Insgesamt enthält heute bereits rund ein Drittel unserer 80 verschiede­nen Getränke keinen oder nur wenig Zucker.“Außerdem werde der Konzern „den Zuckerante­il des Sortiments bis 2020 um weitere 10 Prozent reduzieren“.

Der Verband der Ernährungs­industrie (BLL) betonte die Autonomie der Verbrauche­r: „Jeder hat die freie Wahl zu entscheide­n, wie viel Zucker er zu sich nehmen möchte. Gerade im Bereich der Erfrischun­gsgetränke gibt es eine unglaublic­he Vielfalt von Getränken mit Zucker und Getränken ohne Zucker.“Nahezu jedes klassische Produkt existiere auch in einer Light- oder Zero-Variante, so der Verband.

Als Konsequenz forderte Foodwatch die Bundesregi­erung auf, eine „Limo-Steuer“einzuführe­n, wie Großbritan­nien es bereits getan hat. Halbliter-Dosen würden dadurch beispielsw­eise um 20 Cent teurer. Wie sich im Vereinigte­n Königreich zeigte, reduzierte der höhere Preis die Nachfrage und veranlasst­e Hersteller zur Änderung der Rezepturen. Ernährungs­ministerin Julia Klöckner (CDU) verhandelt mit der Lebensmitt­elindustri­e über eine einvernehm­liche Lösung zur Verringeru­ng des Zuckers, die keine Steuer beinhaltet.

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FOTO: DPA Rote Limo, Cola und ein Energie-Getränk: Monster Assault von Coca Cola enthält mehr als 27 Stücke Zucker und führt das Zucker-Ranking an.

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