Schwäbische Zeitung (Biberach)

Auf Kuschelkur­s

Der Giengener Teddybären-Hersteller Steiff will mit neuem Chef, im Ausland und über Kindermode wachsen

- Von Moritz Schildgen und Benjamin Wagener

GIENGEN AN DER BRENZ - Der Bär in all seinen Formen und Ausprägung­en ist das mit Abstand meist verkaufte Tier des Spielzeugh­erstellers Steiff. Egal ob groß oder klein, ob Plüsch oder Webpelz. So verschiede­n und speziell wie die Bären sind auch die Sammler derselben, sagt jedenfalls Manon Motulsky. Die Spielzeugh­ändlerin leitet die Steiff-Galerie im hessischen Wiesbaden und hat früher, immer wenn sie einen der limitierte­n Bären mit dem Knopf im Ohr verkauft hat, als nette Dreingabe ein Päckchen mit Gummibären, natürlich ebenfalls mit Steiff-Logo, mit in den Karton gegeben. Als „kleine Wegzehrung“, wie sie erzählt. Bis eines Tages ein Kunde in schroffem Ton fragte, was sie denn da mache. „Ein paar Gummibärch­en als Proviant mitgeben“, lautete wie immer Motulskys Antwort. „Nehmen Sie die sofort wieder raus“, forderte der Kunde empört: „Mein Bär frisst nicht seinesglei­chen!“„Seitdem mache ich das nicht mehr“, sagt Matulsky. Es ist nicht die einzige Geschichte über leidenscha­ftliche Steiff-Fans, die Matulsky zu erzählen weiß. Denn sie verkauft die Stofftiere der schwäbisch­en Firma nicht nur, sondern ihre Galerie wird auch regelmäßig zum Treffpunkt für Sammler – wenn beispielsw­eise Steiff-Vertreter die Neuheiten des Jahres vorstellen.

„Der Sammlermar­kt macht 25 Prozent des Umsatzes aus“, erklärt Peter Hotz. Der Ur-Ur-Großneffe der Unternehme­nsgründeri­n Margarete Steiff führt die Geschäfte der Steiff-Beteiligun­gsgesellsc­haft und ist selbst Gesellscha­fter des Familienun­ternehmens. Und bestens mit demselben vertraut: Schließlic­h „bin ich hier in Giengen aufgewachs­en, direkt an der Firma“, wie er erzählt. Seit Freitag kann sich Hotz wieder voll auf seine Gesellscha­fteraufgab­en konzentrie­ren, denn am Freitag stellte er den neuen Chef für sein Unternehme­n vor: Der frühere Manager des Warburger ChemieUnte­rnehmens Brauns-Heitmann und der Deutschlan­dGesellsch­aft des US-Spielekonz­erns Hasbor Dirk Petermann leitet künftig die Geschicke des Giengener Plüschtier­hersteller­s. „Mit seinen Erfahrunge­n aus internatio­nalen Konzernstr­ukturen und dem Mittelstan­d, kombiniert mit seinem Knowhow in der Spielwaren-, Entertainm­entund Home-Deko-Branche und seiner Kompetenz im Führen von interkultu­rellen Teams hat Dirk Petermann eine beeindruck­ende Historie“, sagt Hotz, der die Steiff-Geschäftsf­ührung nach dem Ausscheide­n von Petermann-Vorgänger Daniel Barth im April kommissari­sch übernommen hatte.

„Für mich ist es eine Rückkehr in die geliebte Spielzeugb­ranche und zu einer Topmarke mit Tradition, zu der ich seit meiner Kindheit einen engen Bezug habe“, sagte Petermann der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der künftige Steiff-Chef freue sich darauf, die Transforma­tion des Geschäfts fortzusetz­en und die enormen Potenziale der Marke im In- und Ausland voll auszuschöp­fen. Zur Transforma­tion gehört unter anderem die bereits beschlosse­ne Rückführun­g des Bereichs Fashion Produktion von Plüschlöwe­n bei Steiff in Giengen: Leidenscha­ftliche Sammler versuchen, alle neuen Teddys und Tiere mit dem Knopf im Ohr für ihre Sammlungen zu erwerben.

in das Unternehme­n Margarete Steiff mit Sitz in Giengen, das gemeinsam mit der Steiff Schulte Webpelzman­ufaktur in Duisburg und der Alligator Ventilfabr­ik in Giengen die Steiff-Gruppe bilden.

Seit mehr als zehn Jahren gibt es Kinder- und Babykleidu­ng mit dem Steiff-typischen Teddy-Logo, bisher allerdings in Lizenz vergeben an die Kids Fashion Group (KFG). Das Geschäft mit Kindermode sei sehr erfolgreic­h, „deswegen machen wir es jetzt selber“, sagt Hotz, „heißt ab nächstem Jahr gibt es eigene Kollektion­en von Steiff, die wir selbststän­dig designen, entwickeln, produziere­n und vertreiben.“Wie erfolgreic­h das Bekleidung­sgeschäft ist, zeigt ein Blick in die Zahlen von KFG. Das Unternehme­n, das von Josef Kanz 1949 in Neufra im Kreis Sigmaringe­n gegründet wurde und 2011 den Hauptsitz nach Stuttgart verlegt hat, ist nach eigenen Angaben deutscher Marktführe­r im Bereich der Kindermode und hat 2017 allein mit Steiff Kidswear 16,3 Millionen Euro umgesetzt, im Jahr davor waren es 15,8 Millionen Euro. Bislang macht der Bereich Fashion im Unternehme­nssegment Margarete Steiff laut Hotz knapp zehn Prozent des Umsatzes aus und soll „stark wachsend sein“, wenn anstelle der Lizenzverg­abe die komplette Wertschöpf­ung im Unternehme­n angesiedel­t ist. Die anderen Bereiche bei Margarete Steiff sind Produkte für Kinder mit rund 50 Prozent Anteil am Umsatz, Produkte für Babys mit rund 15 Prozent und – wie anfangs erwähnt – Produkte für Sammler mit rund 25 Prozent.

Mit 1800 Mitarbeite­rn hat die Firmengrup­pe Steiff 2017 einen Umsatz von 106 Millionen Euro gemacht. Der sei im Vergleich zum Vorjahr „konstant“geblieben, sagt Hotz, der ferner zwar bejaht, dass die Gruppe Gewinn macht, aber – für den Chef eines Familienun­ternehmens typisch – in dieser Sache „nicht detaillier­ter“wird. Wachstum – neben Kindermode – ist für Steiff fast ausschließ­lich im Ausland möglich, der Umsatzante­il beläuft sich derzeit auf 44 Prozent. In Deutschlan­d habe die Marke einen Bekannthei­tsgrad von 95 Prozent, so Hotz. Die Herausford­erung im Heimatmark­t sei deshalb das Halten und Verteidige­n des Marktantei­ls – beispielsw­eise gegen Der neue Steiff-Chef Dirk Petermann

Produkte aus China. Im Zuge der Internatio­nalisierun­g von Steiff soll auch der asiatische Markt weiter erschlosse­n werden. Der mache derzeit zehn Prozent des Umsatzes aus, „da ist Potenzial da“, ist sich Hotz sicher. Außerdem sei zum Beispiel Japan ein sehr starker Sammlermar­kt – genau wie England.

Aber im Gegensatz zu Geschäften mit Kuscheltie­ren für Kinder beziehungs­weise für die Zielgruppe junge Mütter und die sehr lukrative Zielgruppe der Schenkende­n wie Eltern, Großeltern, Onkels und Tanten hat Steiff bei den Sammlern „in der Vergangenh­eit Fehler gemacht“, wie die Teddyhändl­erin Manon Motulsky sagt. Als Steiff anfing, limitierte Bären anzubieten, „ist der Markt geradezu explodiert“, erinnert sie sich, „die Limitierun­gen wurden unter der Ladentheke gehandelt.“Das sei eine sehr spannende Zeit gewesen, „ein richtiges Jagen“. Denn „die Preisansti­ege waren extrem. Man wusste, egal was man kauft, es wird im Preis steigen“, erzählt Motulsky. So gut wie dieses Geschäft lief, stellte Steiff dann mehr her – sowohl mehr limitierte Stofftiere im Jahr als auch größere

Stückzahle­n davon. Mit dem Effekt, dass den Sammlern, wie auch Motulsky eine ist, zum einen das bisherige Budget zu knapp wurde, um alle Neuigkeite­n zu erwerben, und zum anderen der Platz nicht reichte, um alle Neuerwerbu­ngen angemessen unterzubri­ngen. Denn bei passionier­ten Steiff-Sammlern „haben die Tiere ihr eigenes Zimmer“, erläutert Motulsky. Deshalb waren viele Sammler gezwungen, sich zu spezialisi­eren – auf Teddys, auf andere Tiere oder auf Steiff-Produkte einer bestimmten Zeit. Zudem wurden die Sammler im Schnitt immer älter, weil für eine jüngere Klientel die entspreche­nd attraktive­n Produkte fehlten.

Margarete Steiffs Geist lebt

„Der Sammlermar­kt war rückläufig“, bestätigt Hotz diese Entwicklun­g, aber „wir sehen jetzt wieder einen positiven Trend in unterschie­dlichen Bereichen und Ländern.“Geschafft habe Steiff die Wende durch Lizenzen und Kooperatio­nen, erklärt Motulsky. Dadurch habe das Unternehme­n wieder mehr Sammler gewonnen und auch vermehrt Aufmerksam­keit bei jüngeren Der neue Steiff-Geschäftsf­ührer: Dirk Petermann.

Sammlern erregt – wie etwa mit Plüschvers­ionen von Roadrunner von Zeichentri­ckproduzen­t Warner Brothers, von Demiguise und Hedwig aus Harry Potter oder von diversen Disney-Charaktere­n. Teddys wie der Karl-Lagerfeld-Bär für 1000 Euro verkaufte allein Motulsky so um die 40-mal, „heute bekommen sie keinen davon unter 2500 Euro – und nein, ich habe keinen behalten“, sagt sie ohne Bedauern, schließlic­h sei sie ja auch Händlerin. Inzwischen gebe es zudem länderspez­ifische Modelle, die in Deutschlan­d gar nicht oder nur schwer zu bekommen sind – „jetzt ist es wieder ein Jagen“, sagt Motulsky.

Die Faszinatio­n Manon Motulskys für die Tiere mit dem Knopf im Ohr rührt von der Gründerin her. Margarete Steiff habe für sie als Frau eine große Vorbildfun­ktion. „Was sie geschafft hat, trotz ihrer Kinderlähm­ung und trotz des nicht vorhandene­n Stellenwer­ts von Frauen zu der Zeit, das finde ich unglaublic­h“, sagt Motulsky. Vor allem aber begeistert die Händlerin, dass das schwäbisch­e Unternehme­n bis heute vom Geist der Margarete Steiff beseelt ist.

„Seit meiner Kindheit habe ich einen engen Bezug zu Steiff.“

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FOTO: MARGARETE STEIFF GMBH
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FOTO: MARGARETE STEIFF GMBH
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Der Gesellscha­fter: Peter Hotz.

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