Schwäbische Zeitung (Biberach)

Eine heiße Mission beginnt

BepiColomb­o-Raumsonde zum Merkur startet im Oktober – Airbus ist federführe­nd

- Von Alexander Tutschner

IMMENSTAAD - Es wird heiß, verdammt heiß: Am 20. Oktober wird die vierteilig­e Raumsonde BepiColomb­o vom Weltraumba­hnhof Kourou (Französich Guyana) mit einer Ariane-5-Rakete ins All geschossen. Nach sieben Jahren soll der Forschungs­satellit den Merkur erreichen und dann voraussich­tlich zwei Jahre lang spektakulä­re Bilder und neue Erkenntnis­se zum kleinsten und heißesten Gesteinspl­aneten des inneren Sonnensyst­ems liefern. Die Trabanten müssen dabei Temperatur­en von über 350 Grad standhalte­n. Den Schutz gegen die infernalis­che Hitze zu konstruier­en brachte auch die für das europäisch-japanische Gemeinscha­ftsprojekt federführe­nden Ingenieure von Airbus in Immenstaad mächtig ins Schwitzen.

BepiColomb­o ist insgesamt 6,40 Meter hoch, wiegt 4,1 Tonnen und besteht aus vier Teilen: einem Transfermo­dul, einem europäisch­en und einem japanische­n Forschungs­satelliten sowie einem Hitzeschil­d, der die japanische Sonde auf dem siebenjähr­igen Trip zum Merkur schützt. Allein das Transfermo­dul hat eine Spannweite von rund 30 Metern. „Es hat eine Dimension eines Verkehrsfl­ugzeuges“, sagt Projektman­ager Markus Schelkle von Airbus in Immenstaad. Die erreicht es jedoch erst im All, wenn die Solarpanel­s ausgeklapp­t sind.

Zunächst einmal wird BepiColomb­o mit der Ariane-Rakete ins All geschossen, mit einer Geschwindi­gkeit von elf Metern pro Sekunde verlässt der Satellit die Erdatmosph­äre. Anschließe­nd muss er auf seiner 8,5 Milliarden Kilometer langen Reise um acht Meter pro Sekunde abgebremst werden, ansonsten würde er am Merkur vorbeischi­eßen. „Wir bremsen permanent“, sagt Schelkle, dafür hat BepiColomb­o das Transfermo­dul, das mit Solarenerg­ie betrieben wird. „Trotzdem reicht die Energie nicht.“Deshalb wird die Schwerkraf­t der anderen Planeten auf dem Weg zum Merkur genützt, um BepiColomb­o weiter zu verlangsam­en. Der Satellit umfliegt zunächst einmal die Erde, dann zweimal die Venus und schließlic­h sechsmal den Merkur. „60 Prozent der Abbremsung erreichen wir durch das Vorbeiflie­gen der inneren Planeten.“Deshalb dauert es auch sieben Jahre, bis der Merkur erreicht wird. BepiColomb­o legt dabei die 38-fache Distanz im Vergleich zum kürzesten Weg zurück.

Wenn BepiColomb­o den Merkur voraussich­tlich im Dezember 2025 erreicht, wird das Transfermo­dul abgestoßen, der japanische und der europäisch­e „Orbiter“werden abgetrennt und auf verschiede­ne Umlaufbahn­en des Merkur gebracht. Der Merkur ist der am wenigsten erforschte Planet in der Nachbarsch­aft zur Erde. Aufgrund seiner Nähe zur Sonne können laut Airbus keine Teleskope für die Untersuchu­ngen genützt werden. Bislang gab es nur zwei Nasa-Missionen zum Merkur: „Mariner 10“flog in den 1970er-Jahren dreimal am Merkur vorbei, die Raumsonde Messenger untersucht­e 2011 die Nordseite des Planeten aus einer hohen Umlaufbahn.

BepiColomb­o ist jetzt die zweite Sonde, die den Merkur erreicht, die erste europäisch­e, sie fliegt tief und kommt sehr nah an den Planeten ran. BepiColomb­o soll zum einen die Oberfläche des Merkur scannen und 3-D-Bilder generieren, aber auch die innere, chemische Struktur des Planeten, sein Magnetfeld und den damit zusammenhä­ngenden Sonnenwind erforschen. Eine spannende Frage ist, ob es auf den sonnenabge­wandten Kratern in den Polregione­n Eis gibt. Rund 200 Gigabyte an Daten sollen pro Jahr zur Erde gefunkt werden. Die Wissenscha­ftler erhoffen sich von der Mission auch weitere Erkenntnis­se über die Entstehung des Sonnensyst­ems. „Darum geht es letztendli­ch“, sagte Schelkle, „wir wollen den Merkur gänzlich erfassen“. Spätestens nach zwei Jahren wird der Treibstoff ausgehen und BepiColomb­o stürzt auf den Merkur ab.

Die größte Herausford­erung bei der Mission ist die extreme Hitze. Der Merkur ist „nur“58 Millionen Kilometer von der Sonne entfernt (Erde rund 150 Millionen Kilometer), auf der Planetenob­erfläche herrschen Temperatur­en von mehr als 430 Grad. „Wir fliegen in einen Pizzaofen rein“, sagt Schelkle. BepiColomb­o muss Temperatur­en von mehr als 350 Grad standhalte­n. Das Raumfahrze­ug muss laut Airbus außerdem sowohl mit extremer Sonnenstra­hlung als auch der Infrarotst­rahlung des Planeten klarkommen. Es wurde mit einer mehrschich­tigen Hochtemper­aturisolie­rung ausgestatt­et, die speziell für diese Mission entwickelt wurde. Auch für Transfermu­dule mussten für die Mission besondere Solarzelle­n entwickelt werden. Sie halten rund 250 Grad stand.

Seit April befindet sich der komplette Satellit in Kourou, vier riesige Flugzeuge der Marke Antonov 124 und drei Schiffe waren nötig, um das Material zum Raketensta­rtplatz in Französich-Guyana zu transporti­eren. Derzeit finden die letzten Tests statt. Für den 20. Oktober ist der Start geplant. Dann werden die Airbus-Ingenieure für zweieinhal­b Tage rund um die Uhr im Einsatz sein, bis Antennen und Solarpanel ausgefahre­n sind. Bis Weihnachte­n werden die Triebwerke gecheckt und in Betrieb genommen. Im Februar übergibt Airbus die Mission an die Europäisch­e Weltraumor­ganisation ESA. Anschließe­nd wird der Satellit vom Kontrollze­ntrum in Darmstadt (European Space Operations Centre/ESOC) überwacht. „Dann passiert sieben Jahre nicht viel“, sagt Schelkle. Die Instrument­e werden immer wieder überprüft, eventuell die Software korrigiert, Fehler ausgebesse­rt. Und ab Dezember 2025 beginnt dann die heiße Phase für BepiColomb­o.

„Wir fliegen in einen Pizzaofen rein.“Airbus-Projektman­ager Markus Schelkle

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FOTO-MONTAGE: AIRBUS Die von Airbus gebaute BepiColomb­o-Raumsonde der ESA soll ab 2025 den Merkur erforschen.

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