Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wer ist der Größte?

- Von Rosi Hörmann

Es ist Samstagmor­gen. Ich sitze gemütlich beim Frühstück und schlage die Zeitung auf: Da begegnen mir auffallend viele egozentris­che Politiker, die polarisier­en, Andersdenk­ende feuern oder ins Gefängnis stecken, Brücken abbrechen und viele Probleme und Menschen in Not einfach ignorieren.

Weiter geht es mit Gruppen in der Bevölkerun­g, die auch nur die eigenen Interessen im Blick haben. Wie es den anderen geht, ist anscheinen­d ganz egal. Jeder will der Größte sein und das größte Stück vom Kuchen für sich selber haben.

Beim Weiterblät­tern stoße ich irgendwann auf die Kirchensei­te und das geistliche Wort. Meistens schenkt es uns einen Blick in die Bibel und das Sonntagsev­angelium: Da ist zu lesen, dass die Jünger von Jesus auch nicht besser sind als wir in heutiger Zeit. Über die Frage „Wer ist der Größte?“sind sie in Streit geraten. Da muss Jesus einiges zurechtrüc­ken. Bei Jesus ist der Letzte der Erste, derjenige, der anderen dient und für sie sorgt. Und dann macht er etwas ganz Unerwartet­es: Er stellt ein Kind in ihre Mitte.

Jesus wendet sich immer wieder sehr deutlich Kindern zu. Er segnet sie, lobt sie und nimmt sie als Vorbild gegenüber den allzu ehrgeizige­n Jüngern. Im sorgsamen Umgang mit Kindern können wir Erwachsene­n seiner Botschaft vom Reich Gottes näherkomme­n.

Er stellt Kinder auch in unsere Mitte. Er führt uns fort vom Kreisen um die Frage „Wer ist der Größte?“Sein Auftrag heißt: Kinder aufnehmen, begleiten und schützen, damit sie sich gut entwickeln können.

Unter diesem Blickwinke­l fallen mir bei der weiteren Zeitungsle­ktüre andere Überschrif­ten auf: „Geflüchtet­e, unbegleite­te Kinder erreichen Deutschlan­d“, „Missbrauch­sskandale erschütter­n die Kirche“und „Benachteil­igte Familien kämpfen um ihr Auskommen“.

Und da sitze ich nun und wünsche mir Zeichen und Taten in der Politik, die zeigen, dass Kinder und Menschen wichtiger sind als Wählerstim­men. Und ich warte auf Zeichen und Taten in der Kirche, auf ein deutliches „Nein“zu Missbrauch, auf Schritte, die Opfer und nicht Täter schützen und die Ursachen bei der Wurzel packen. Und ich hoffe und vertraue auf die Menschlich­keit und das Engagement von vielen Einzelnen, die sich einsetzen zum Schutz und Wohl von Kindern und Notleidend­en.

Ach ja – und wer ist denn nun der Größte? Nach Jesus ist das der Allerletzt­e, der ganz hinten, der sein Herz aufmacht für Kinder und Menschen in Not.

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FOTO: PRIVAT Rosi Hörmann, Gemeindere­ferentin in Kirchberg/Iller

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