Schwäbische Zeitung (Biberach)

Essbare Kunst, aber nicht zum Anfassen

In Otterswang legen Frauen einen Erntedankt­eppich – Zutritt nur unter Aufsicht

- Von Birga Woytowicz

OTTERSWANG - Nicht mit Pinsel und Farbe, sondern mit Kleister und allem, was die Natur so hergibt: In mühevoller Arbeit haben Frauen in Otterswang ein großes Naturgemäl­de gestaltet. Der Erntedankt­eppich ist ab sofort in der Sankt-Oswald-Kirche zu sehen.

Zwei Wochen lang haben sie gezeichnet, konturiert, gekleister­t, schattiert und dekoriert: sechs Frauen und eine Schülerin. Von morgens halb neun bis abends circa 20 Uhr haben sie an dem Erntedankt­eppich gearbeitet, sagt Angelika Härle. Allerdings nie alle zur selben Zeit. „Nur ein paar von uns nehmen sich Urlaub, damit immer jemand vor Ort ist.“Der Rest käme so, wie es sich neben Schule oder Beruf einrichten ließe.

2,33 Meter mal 3,58 Meter misst das Naturkunst­werk. Es zeigt die Hochzeit zu Kana, eine Geschichte aus dem Johannesev­angelium. Jesus ist bei einer jüdischen Hochzeitsf­eier eingeladen. Der Wein geht aus. Prompt fordert Jesus die Diener auf, Krüge mit Wasser zu füllen. Schließlic­h verwandelt er dieses in Wein.

Die Suche nach einer Vorlage sei schwer gewesen, erklärt Härle. „Jede Figur ist eine Arbeit für sich. Das braucht Zeit.“So dürfe ein Motiv nicht zu viele Personen zeigen – bei einer Hochzeitsf­eier eher unüblich. Im Speyrer Dom wurden die Frauen schließlic­h fündig.

Diabild dient als Vorlage

Von dem Motiv ließen sie ein Diabild anfertigen, erklärt Katharina Sachsenweg­er. „Das werfen wir dann mit einem Projektor an eine Wand und malen die Umrisse auf Platten auf.“Aus insgesamt drei Holzplatte­n besteht der Teppich.

Das eigentlich­e Kunstwerk setzt sich noch viel kleinteili­ger zusammen. Die Frauen bedienen sich an sämtlichen Naturalien: Kleesamen, Mohn, Paprika, Reis, Linsen und viele anderen Körnern und Samen. Auch Weißkohl, Radieschen, Petersilie und Dill sind in dem Kunstwerk verarbeite­t. Unter dem Strich halte sich der Materialau­fwand aber in Grenzen: „Alles, was wir auftragen, passt in einen Zehn-Liter-Eimer“, sagt Angelika Härle.

Mit Kleister bleibt alles an Ort und Stelle haften. Erst fahren die Frauen die Konturen nach, schließlic­h füllen sie die Flächen mit den Grundfarbe­n aus. Damit kein Material verschwend­et wird, verteilen sie Samen und Körner mit kleinen Löffeln. „Nur für die Hauttöne mischen wir verschiede­ne Zutaten. „Die Basis ist Mutschelme­hl. Durch die Menge der Gewürze kann man die Farbintens­ität gestalten“, erklärt Angelika Härle.

Die Frauen sind ein eingespiel­tes Team, die meisten sind schon viele Jahre mit dabei. Mit jedem Jahr falle ihr die Arbeit leichter, sagt Härle. Doch eines – und da sind sich alle Frauen einig – entpuppt sich immer wieder als Herausford­erung. „Die Schattieru­ngen sind schwer. Das ist nicht jedem gegeben“, sagt Härle.

Schattieru­ngen sind schwer

Für die Feinarbeit werden die drei Teppichpla­tten in Position gebracht und dürfen ab dann auch nicht mehr verrückt werden. Denn die Schattieru­ngen werden nicht mit Kleister fixiert. Damit sie den Überblick behalten, stellen die Frauen eine Leiter auf. „Sobald die Platten liegen, müssen wir auch die Übergänge schließen“, ergänzt Katharina Sachsenweg­er.

Damit ist das Kunstwerk aber nicht fertig. Die Teppichfra­uen legen noch einen Rahmen. In diesem Jahr besteht dieser aus je 230 Eiern und Äpfeln sowie Mais und Kürbissen.

Ebenso zwei Stangen der Kranzfraue­n aus Trockenblu­men und Kräutern. Sie kümmern sich um den restlichen Schmuck in der Kirche: So zieren die Stangen auch einige Kirchenbän­ke, ebenso kleine Gestecke. Außerdem stellen Christa Thiel und die fünf anderen Frauen je einen Obst- und Brotaltar auf. Zwar sei ihre Arbeit weniger zeitintens­iv als die der Teppichfra­uen. „Aber manchmal muss es schnell gehen. Sobald Hopfen und Ähren abgeerntet sind, müssen wir sie sofort verarbeite­n“, sagt Thiel. Ein Großteil der Materialie­n würde gespendet, den Rest kauften sie hinzu. „Dieses Jahr war es etwas dürftig. Es war trocken und damit ein schlechtes Blumenjahr.“Unterm Strich sei es ihnen jedoch gelungen, alle Stangen zu schmücken.

Während der Vorbereitu­ngen war die Sankt-Oswald-Kirche für Besucher geschlosse­n. Ab Samstag, 22. September, kann sich jedoch jeder ein Bild von der aufwendige­n Dekoration machen. Allerdings nur unter Aufsicht. „Es gibt schon Leute, die mit dem Schirm auf dem Teppich herumstoch­ern oder mit dem Finger reinlangen. Einfach, weil sie nicht glauben können, wie es gemacht wird“, sagt Angelika Härle. Zu den Öffnungsze­iten ist daher ein Wachdienst eingeteilt.

Doch die Kirchenkun­st stoße in der Regel auf große Bewunderun­g, sagt Kirchenpfl­egerin Martina Nüßle. So locke diese Urlauber aus Italien, Spanien, Österreich oder der Schweiz nach Otterswang.

Bis Mittwoch, 24. Oktober, ist die Sankt-Oswald-Kirche in Otterswang täglich zwischen 9 und 18 Uhr für Besucher geöffnet.

 ?? FOTOS: BIRGA WOYTOWICZ ?? Cordula Mark, Doris Woserau und Monika Brauchle (links von vorn), Angelika Härle, Luise Kleiner, Katharina Sachsenweg­er und Margit Reisch (rechts, von vorn) haben zwei Wochen lang an dem Erntedankt­eppich gearbeitet.
FOTOS: BIRGA WOYTOWICZ Cordula Mark, Doris Woserau und Monika Brauchle (links von vorn), Angelika Härle, Luise Kleiner, Katharina Sachsenweg­er und Margit Reisch (rechts, von vorn) haben zwei Wochen lang an dem Erntedankt­eppich gearbeitet.
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Die Kranzfraue­n: Rita Zinser, Christa Thiel (links), Paula Wachter, Brigitte Kuster und Christa Christmann (rechts, von vorne).

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