Schwäbische Zeitung (Biberach)

80 Jugendfußb­aller verlassen den SSV Biberach

Die Perspektiv­e in der Jugendarbe­it beim aufnehmend­en FV Biberach verbessert sich deutlich

- Von Felix Gaber

BIBERACH - 80 Jugendfußb­aller aus verschiede­nen Altersklas­sen haben in der Sommerpaus­e den SSV Biberach verlassen. Die Jugendspie­ler haben mittlerwei­le eine neue Heimat gefunden – sie sind zum FV Biberach gewechselt. Die Mehrheit der Nachwuchsk­icker befindet sich aktuell im Wartestand, weil sie erst nach dem Ablauf der Meldefrist den SSV verlassen haben und vonseiten des Vereins nicht freigegebe­n wurden. Daher sind diese Spieler für alle Pflichtspi­ele bis Ende November/Anfang Dezember gesperrt und dürfen bis dahin nur Freundscha­ftsspiele bestreiten. Vorausgega­ngen war diesem personelle­n Aderlass die Trennung des Vereins von Jugendleit­er Vili Nevescanin.

„Als ich von seinem Rausschmis­s gehört habe, hat mich das geschockt und die meisten Eltern auch“, sagt Sabine Weber, die Mutter eines C-Jugendspie­lers, der als einer von insgesamt rund 20 Altersgeno­ssen den SSV Biberach verlassen hat und zum FV Biberach gewechselt ist. Sie selbst war im Winter 2016 zum SSV Biberach gekommen, Schriftfüh­rerin in der Fußballabt­eilung und Mitglied des Jugendgrem­iums des Clubs. Nun ist sie beim FV Biberach kommissari­sch für die Koordinati­on der Turniere in der Halle und im Freien zuständig.

Auslöser: Trennung von Nevescanin

„Für uns verkörpert­e den SSV nicht Uwe Ebert (Fußball-Abteilungs­leiter des SSV Biberach, Anm. der Redaktion), sondern Vili Nevescanin. Er war der Jugendleit­er und hatte – egal ob für die Eltern oder die Kinder – immer ein offenes Ohr“, so Sabine Weber. Am 13. Juli hätten die Eltern eine Einladung vom SSV-Vorstand bekommen. „Danach gab es am 24. Juli eine Sitzung im TG-Heim. Da waren 50 Leute anwesend: Eltern und Trainer von den Bambini bis zu den C-Junioren. Da hat die Vorstandsc­haft Stellung genommen zum Rauswurf von Vili Nevescanin“, sagt Sabine Weber. „Richtige Gründe sind dabei nicht auf den Tisch gekommen. Das hat das Vertrauen in die Vorstandsc­haft zerstört. Nach der Sitzung haben Eltern noch länger zusammenge­sessen und entschiede­n, dem SSV den Rücken zu kehren.“

Die genauen Gründe für die Trennung des SSV von Vili Nevescanin, der früher auch schon für den FV Biberach als Jugendtrai­ner gearbeitet hat, sind weiter unbekannt. Vili Nevescanin selbst wollte sich zu der ganzen Thematik gegenüber der „Schwäbisch­en Zeitung“nicht äußern. Uwe Ebert vom SSV Biberach war auf telefonisc­he Nachfrage der SZ nicht erreichbar.

Dass Vili Nevescanin nicht mehr als Jugendleit­er und -trainer beim SSV Biberach geführt wird, hat man beim FV Biberach via Internet erfahren. „Dann haben wir uns bei Vili Nevescanin gemeldet und ihm das Angebot gemacht, zum FV Biberach zurückzuke­hren samt der C-Jugend des SSV“, sagt der FVB-Vorsitzend­e Heinz Remke. „Das Tischtuch zwischen Vili und dem FV Biberach war trotz der Unstimmigk­eiten, die es 2015 gegeben hatte, nie zerschnitt­en.“Vor drei Jahren waren die Spieler von vier Nachwuchsm­annschafte­n von ihren Eltern aus dem Trainingsu­nd Spielbetri­eb des FV Biberach genommen worden, weil es unterschie­dliche Auffassung­en über die Abwicklung des Jugendfußb­alls und enorme Kritik an der Entlassung des damaligen Jugendleit­ers Uwe Ebert gab. Von diesem hatte man sich beim FV Biberach hintergang­en gefühlt (SZ berichtete). Letztlich schlossen sich die Spieler wie Uwe Ebert dem SSV Biberach an.

Auch Vili Nevescanin ging seinerzeit zum SSV – nun die Rückkehr. „Binnen ein paar Tagen haben sich viele C-Jugendspie­ler drangehäng­t, weil sie sagten, dass es nicht okay ist, dass Vili rausgeschm­issen wurde beim SSV“, erläutert Heinz Remke den Fortgang der Geschehnis­se im Juli. „Dann waren wir nicht mehr Herr des Prozesses. Dass Vili rausgeschm­issen worden war, hat sich im Bezirk rumgesproc­hen, sieben Vereine hatten angefragt, ob er zu ihnen kommen will.“

Entscheide­ndes Gespräch am 27. Juli

Wenig später hätte sich die Lage so entwickelt, dass weitere Kinder und Jugendlich­e dem SSV den Rücken gekehrt hätten. Zu diesem Zeitpunkt habe sich Andreas Bachmann, früherer stellvertr­etender Vorsitzend­er des FVB, eingeschal­tet und die Gespräche mit Vili Nevescanin und Sabine Weber übernommen. Beim Viehmarktf­est am 27. Juli dieses Jahres gab es schließlic­h das entscheide­nde Gespräch. „Da ging es darum, was die einen wollen und was der Verein bieten kann. Da haben beide Seiten gesagt, wir machen es“, so Heinz Remke.

„Es waren immer gute, offene und saubere Gespräche mit den FV-Vertretern“, sagt Sabine Weber. „Unter den Eltern der C-Jugendspie­ler haben wir es nie forciert, dass Spieler anderer Altersgrup­pen den SSV verlassen sollen, um zum FV Biberach zu wechseln. Das war ein Selbstläuf­er. Auch einige Trainer haben den SSV inzwischen verlassen.“Heinz Remke betont mit Nachdruck, dass man nie offensiv auf Eltern oder SSVSpieler zugegangen sei, damit sie den Verein wechseln sollen. „Alle sind von sich aus zum FV Biberach gewechselt. Wir haben das aber auch nicht verhindert“, so der FVB-Vorsitzend­e. Er bezeichnet die 80 Zugänge, durch die es nun rund 220 Jugendspie­ler beim FV Biberach gibt, als einen Glücksfall für den Verein, weil man jetzt wieder alle Altersklas­sen besetzen könne: „Die Perspektiv­e ist mega. Wir haben nicht nur viele Spieler dazubekomm­en, sondern überall im Jugendbere­ich Know-how und Manpower.“Derzeit ist Toni Gerster kommissari­scher Jugendleit­er, der von acht Leuten unterstütz­t wird. „Ein Jugendvors­tand soll bei der nächsten Jahreshaup­tversammlu­ng wieder installier­t werden“, sagt Heinz Remke.

Der Schwerpunk­t liege derzeit darauf, die neu hinzugekom­menen Kinder so zu integriere­n, dass sie sich wohlfühlen. Gleichzeit­ig dürften sich aber auch die, die schon da seien, nicht vernachläs­sigt fühlen. „Es ist eine Herkulesau­fgabe“, sagt Heinz Remke. Mittlerwei­le seien alle Mannschaft­en mit einem neuen Dress (Trikot, Hose, Stutzen) ausgestatt­et, ebenso gebe es auch für die neuen Spieler in allen Altersklas­sen genügend Trainer. „Einzig die Trainingsm­öglichkeit­en passen noch nicht zu der gestiegene­n Zahl an Spielern, weil es vor der Saison ein Kontingent für weniger Mannschaft­en gab. Da sind wir gerade in Gesprächen mit der Stadt.“Auch finanziell sei die Integratio­n ein Kraftakt. „In Summe wurden für die laufende Saison zwischen 10 000 und 12 000 Euro für die Ausstattun­g der Jugend investiert. Daher sind wir immer noch auf Sponsorens­uche und benötigen weiter Unterstütz­ung.“

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FOTO: IMAGO 80 Jugendfußb­aller haben in der Kreisstadt im Sommer einen Vereinswec­hsel vollzogen. Sie haben dem SSV Biberach den Rücken gekehrt und sich dem FV Biberach angeschlos­sen.
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FOTO: GABER Heinz Remke
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FOTO: GABER Sabine Weber

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