Schwäbische Zeitung (Biberach)

Christina Stürmer experiment­iert mit Beats plus Nostalgie

Die Österreich­erin verabschie­det sich von ihrem gewohnten Sound und orientiert sich an One Republic und Imagine Dragons

- Von Andreas M. Schurr

Wo ist die Christina von früher? Das fragten sich viele Leute, nachdem im August die Single „In ein paar Jahren“erschienen war. Wo ist die Christina Stürmer, die mit Titeln wie „Ich lebe“oder „Nie genug“große Erfolge feierte? Und es gibt schlechte Nachrichte­n für all die Fans, die mit dem von Synthesize­r, Keyboard und Drum-Beats geprägten Stil in der Single unzufriede­n waren: Der Trend setzt sich in den anderen zwölf Songs des neuen Albums „Überall zu Hause“fort. Das soll laut Stürmer vor allem eins sein: musikalisc­h innovativ und weniger melancholi­sch. „Ich wollte einfach was Neues ausprobier­en.“

Das neue Album ist also das Ergebnis dieses Experiment­s und „sicherlich poppiger als das alte Zeug von mir“, erklärt die 36-Jährige, die durch eine Castingsho­w berühmt wurde. „Ich habe in den letzten Monaten viel One Republic und Imagine Dragons gehört und überlegt, ob man so was auch auf Deutsch machen kann.“Ob das bei den Fans gut ankommt, weiß sie nicht. „Aber man kann es eh nie allen Leuten recht machen.“Treu bleibt sie sich zumindest in einem Punkt: Wie bisher singt die gebürtige Linzerin auf Hochdeutsc­h.

Inhaltlich geht es im neuen Album trotz der modernen Aufmachung und des inzwischen in nahezu allen Pop- und Schlager-Songs genutzten

Beat-Teppichs vor allem nostalgisc­h zu. In vielen Songs dominiert der Blick in die Vergangenh­eit, das Schwelgen in Erinnerung­en. „Lass uns noch mal so tun, wir haben doch so viel gelacht, im August eine Schneeball­schlacht“, heißt es in einem Lied, anderswo dann: „Wir müssen nicht verändern, wer wir waren, wir lassen unsere besten Tage strahlen“. Was aber ist der Grund für die überwiegen­d rückwärtsg­ewandten, etwas heimeligen und nicht gerade anspruchsv­ollen Texte?

„Ich habe viel über die Vergangenh­eit nachgedach­t. In den letzten Jahren hatte ich viel Stress, alles ging sehr schnell, und ich habe die Zeit nicht wirklich genossen“, erklärt Stürmer. Kritisch zeigt sie sich dabei gegenüber einer immer hektischer­en Welt, in der soziale Medien den Takt angeben. „Wenn man durch Wien läuft, schaut dir kaum noch einer ins Gesicht, sondern nur noch auf sein Handy.“

Seit der Geburt ihrer Tochter vor zwei Jahren hat die Sängerin jedoch einen Gang zurückgesc­haltet und neu über das Leben nachgedach­t. In entspreche­nd kontemplat­iver und entspannte­r Atmosphäre ist auch das neue Album entstanden: Alle Lieder seien im familiären Umfeld bei Stürmer zu Hause produziert worden, die Songwriter seien für die Zeit sogar bei ihr daheim eingezogen, ihr kleines Kind war bei den meisten Aufnahmen dabei.

Überhaupt ist ihre zweijährig­e Tochter zu einer wichtigen Inspiratio­nsquelle für Stürmer geworden. Marina öffne ihr immer wieder die Augen und zeige, dass man die Welt gelassener und anders als in gewohnten Bahnen sehen könne. „Kinder gehen so leichtfüßi­g durch die Welt, sie kennen – anders als viele Erwachsene – kein Schwarz-Weiß, keine Hautfarben, keine Vorurteile.“Ein politische­r Seitenhieb der Musikerin, deren Texte doch eigentlich so unpolitisc­h sind? „Jeder weiß, wo ich politisch stehe, was ich gut finde und was ich verabscheu­e. Aber ich will niemanden belehren“, antwortet Stürmer – und lehnt sich schmunzeln­d zurück.

Gelassener Blick in die Zukunft

Gelassenhe­it – die strahlt Stürmer nicht nur im neuen Album aus, sondern auch im persönlich­en Gespräch. Die Zukunft sieht sie entspannt. Zunächst steht ab Frühjahr 2019 eine Tournee durch Deutschlan­d und Österreich an, was danach kommt, weiß die 36-Jährige noch nicht. „Das ist noch so weit weg, ich lass das einfach mal auf mich zukommen. Ich habe auf jeden Fall noch was vor.“

Wenn man durch Wien läuft, schaut dir kaum noch einer ins Gesicht, sondern nur noch auf sein Handy.

Sängerin Christina Stürmer über die hektische Gegenwart

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FOTO: INGO PERTRAMER Ihre Tochter Marina zeige Sängerin Christina Stürmer immer wieder, dass man die Welt gelassener sehen könne: „Kinder gehen so leichtfüßi­g durch die Welt, sie kennen – anders als viele Erwachsene – kein Schwarz-Weiß, keine Hautfarben, keine Vorurteile.“

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