Schwäbische Zeitung (Biberach)
Ins Wunderland auf Fantasieflügeln
Der Juks gelingt mit dem Musical „Alice“ein großer Wurf.
BIBERACH - Als aktuelle Inszenierung präsentiert die Jugendkunstschule das Musical „Alice“nach dem Roman von Lewis Carroll von 1865. „Alice im Wunderland“ist seit 1951 etwa zehnmal verfilmt worden, es gibt mehrere Theaterstücke diesen Inhalts sowie einige Musicals. Die Biberacher Macher inszenierten die Bearbeitung von James Leisy, der 1981 den Text geschrieben und die Musik komponiert hatte.
Diese wunderschöne Adaption zeigt eine selbstbewusste Alice (Hanna Fauth), die sich in fantastisch-aberwitzigen Abläufen wiederfindet, nachdem sie das „Wunderland“betreten hat,
Und Regisseur Volkram Zschiesche schuf professionell ein flottes und spannendes Märchen, gegenüber dem Original-Roman inhaltlich, stilistisch, dramaturgisch verändert. Es wurde spannendes Theater daraus. Ein junges Tanzpaar eröffnet. Alice kommt, figurative Tanzbewegungen kleinerer Gruppen, das Wunderland öffnet sich. Keine Bühnenbilder, große Abhänger, die ganze Bühne ist Spielfläche. Nur wenige Requisiten. Ein Mädchenchor singt aus dem Off. Ein ständig aufgeregtes „weißes Kaninchen“(Willi Glück) tritt auf. Junge Paare finden sich, reden vielsprachig von Liebe. Es endet im Streit, keiner hört zu, das wahre Leben halt. Es gibt viele groteske und absurde Szenen. Da etwa werden Blumen angemalt; Alice darf mit winzigem Pinsel den Himmel anmalen. Groteske Gruppen treten auf, die „Gieraffen“, die „Verlierer“, eine Girlscrew. Es gibt dramaturgisch keine durchgehende Gesamt-Spielhandlung, alles spannende, irrwitzige, skurrile, auch fröhliche Einzelszenen, feinste Theaterunterhaltung. Das durchgehende Prinzip heißt „Alice“. Man hört Philosophisches: „Entscheide dich für einen Weg, den du gehen willst.“Die Raupe: „Es wird eh alles vergehen. Alles hat irgendwann ein Ende.“Und die Königin: „Wenn ein Kind ohne Liebe lebt, dann lernt es, sich die Liebe mit Gewalt zu holen.“
Heiter und irrational
Man erlebt viele heitere und irreale Szenen. So eine aufdringliche Journaille, eine goldene Raupe (Philine Frank) mit ihrem goldenen Gefolge im „Raupen-Synchronstepp“, die böse Königin (Sophia Alshihabi), der jemand die Quiche weggegessen hat, und die deshalb am laufenden Band Todesurteile fällt, auch Alice den Kopf abschlagen lassen will. Diese reagiert gelassen und philosophiert. Eine Herzogin (Hannah Held) kommt mit Kinderwagen, das schwatzhafte Pärchen „Zwiddeldum“und „Zwiddeldei“(Luca Wetterau und Alexandra Frenkel) quatscht schier ohne Luftholen, weitere Figuren kommen dazu wie Mausadler, Krabbente, der Hutmacher, der Faselhase, die Suppenschildkröte, die Honigkuchenkatze und noch eine Menge andere Erfindungen der Märchenfantasie.
Regisseur Volkram Zschiesche baut die Bilder mit professioneller Personenführung, fast immer Bewegung, selten Statik. Hanna Fauth in der Titelpartie spricht sehr schön mit differenzierten Betonungen und vorbildlich verständlich. Und auch andere Spieler liefern sehr schöne Textinterpretationen ab.
Zehn Musiker spielen unter Leitung von Uli Marquart Leisys feine Musik, gefühlvoll, szenisch angemessen, mit höchst unterschiedlichen Tempi und Dynamiken, mit Ohrwurm-Charakter. Die Geigerin Alexandra Frenkel und der Cellist Julius von Lorentz spielen Soli. Einige Darsteller singen Chansons. Eine Augenweide sind die Kostüme von Andrea Lintner-Fimpel wie etwa die raffinierte Bekleidung der Goldraupen. Flott choreografiert haben Angelika Anderbrügge, Barbara Clarke und Chasan Chousein.
Allen Beteiligten, den Machern sowie den insgesamt 120 mitwirkenden Darstellern, Tänzern, Sängern und Musikern ist unter der Gesamtleitung der Jugendkunstschulchefin Susanne Maier ein großer Wurf gelungen.
Weitere Bilder von der Premiere gibt es unter www.schwäbische.de/ Alice-2018
Weitere Aufführungen von „Alice“, jeweils ab 19.30 Uhr in der Stadthalle: Freitag, 28. September, Samstag, 29. September, Dienstag, 2. Oktober, Freitag, 5. Oktober und Derniere Samstag, 6. Oktober. Um 19 Uhr gibt es immer eine Einführung zum Stück.