Schwäbische Zeitung (Biberach)
Vor zehn Jahren wird die Venus entdeckt
Eine Dekade nach der Entdeckung geht das älteste bekannte menschliche Abbild auf Reisen
SCHELKLINGEN (jon) - Es war der Sensationsfund des Jahres, doch das konnte Archäologe Nicholas J. Conard von der Universität Tübingen in dem Moment der Ausgrabung nicht ahnen. Wir schreiben den 9. September 2008, die laufende Ausgrabungskampagne der Saison in der Eiszeithöhle Hohle Fels neigt sich langsam dem Ende entgegen, als eine Grabungsteilnehmerin – eine Volontärin aus der Schweiz – den Sensationsfund im Hohle Fels macht: die Venus vom Hohle Fels wird entdeckt. Seit der ersten Großgrabung im Jahre 1870 ist die Höhle als bedeutende archäologische Fundstelle in Fachkreisen bekannt. Seit 1977 wird alljährlich im Sommer durch die Universität Tübingen in der Eingangshöhle gegraben.
Erst nach ausführlichen Untersuchungen und Begutachtungen der Figur ist klar: Die Figur aus Mammutelfenbein ist rund 40 000 Jahre alt und damit das älteste Abbild eines Menschen, das bisher gefunden wurde. „Für mich strahlt diese Figur eine sehr große Kraft und Energie aus.“Mit diesen Worten kommentierte Professor Conard den Fund rund ein halbes Jahr später. Bekräftigte aber: „Ich bemühe mich, das möglichst leidenschaftslos zu sehen.“
Das alles ist jetzt ziemlich genau zehn Jahre her. In der Zwischenzeit hat sich einiges in Schelklingen und um die Eiszeithöhle getan. Scharen von Touristen strömen seitdem an den Fuße der Alb, um die Höhle in Schelklingen – aber auch die anderen des Ach- und Lonetals – zu begutachten. Noch mehr Zulauf erhält die Höhle seit dem 9. Juli 2017: der Tag, an dem die Unesco die Höhle in die Liste der Welterbestätten aufgenommen hat. In Schelklingen gab es beim Kirchplatzfest spontane Jubelausbrüche und auch im Urgeschichtlichen Museum in Blaubeuren, dort wo die Venus ausgestellt ist, war die Stimmung ausgelassen. „Die Verleihung des Welterbestatus für Höhlen der ältesten Eiszeitkunst ist eine fantastische Nachricht mit Schubkraft für unsere ganze Region“, kommentiert Landrat Heiner Scheffold, Landrat des AlbDonau-Kreises.
Es war das Planquadrat 30 – so die Bezeichnung der verschiedenen Grabungsbereiche in der Eingangshalle des Hohle Fels – in dem damals die Bruchstücke der kleinen Figur zum Vorschein kamen. Sie ließen sich zu einer menschlichen Figur zusammensetzen: 59,7 Millimeter hoch, 34,6 Millimeter breit und 33,3 Gramm schwer. Fast ein Jahr verging, ausgefüllt mit wissenschaftlichen Untersuchungen, bis die Sensation feststand: Es war und ist die älteste figürliche Darstellung eines Menschen, die unsere frühen Vorfahren im Hohle Fels zurückgelassen haben. Und nicht nur das: Nur wenig entfernt von der Elfenbeinfigur wurde eine Flöte, hergestellt aus der Speiche (Flügelknochen) eines Geiers, gefunden. Beide Fundstücke sind die ältesten ihrer Gattung weltweit.
Die Venus vom Hohle Fels ist eines der Aushängeschilder des UnescoWelterbes „Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb“. Und so verwundert es nicht, dass die kleine Figur zusammen mit der „Geierflöte“auf Reisen geht. Vom 21. September bis 6. Januar findet im Gropius-Bau in Berlin die Ausstellung „Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland“statt. Viele herausragende archäologische Entdeckungen werden konzentriert präsentiert. Baden-Württemberg trägt mit einigen sensationellen Neuentdeckungen zu dieser Ausstellung bei, so mit den beiden Schelklinger Sensationsfunden.