Schwäbische Zeitung (Biberach)

Bürger können nach Grund für 900-Meter-Radius fragen

Die Galvanikan­lage der Bundeswehr ist Thema einer Einwohnerv­ersammlung am Freitag in Ummendorf

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UMMENDORF (mad) - In der Gemeindeha­lle Ummendorf findet am Freitag, 28. September, von 19 Uhr an eine Einwohnerv­ersammlung zur örtlichen Galvanikan­lage des Instandset­zungszentr­ums 12 der Luftwaffe statt. Experten erläutern den Betrieb der Anlage und den geplanten Einbau einer Sprinklera­nlage. Wie berichtet, hat diese Anlage handfeste Auswirkung­en auf die Wohnbauent­wicklung in der Gemeinde (SZ vom 11. August).

Bestandsge­bäude sind nicht betroffen. Aber wenn die Gemeinde Neubaugebi­ete ausweisen will, muss sie einen Achtungsab­stand von rund 900 Metern um die Galvanikan­lage in ihren Abwägungen berücksich­tigen. Unter anderem deswegen hatte die Gemeinde Pläne für ein Wohngebiet Schleifweg II aufgegeben. Pläne für den Wettenberg­er Weg in Richtung Schweinhau­sen, der städtebaul­ich eigentlich favorisier­ten Entwicklun­gsachse für die nächsten Jahre, wurden zurückgest­ellt. Die Verantwort­lichen im Rathaus lebten lange in der Hoffnung, dass sich der 900-Meter-Radius durch den Einbau einer Sprinklera­nlage auf dem Kasernenge­lände erheblich reduzieren ließe. Dieser Hoffnung hat das Verteidigu­ngsministe­rium mittlerwei­le einen Dämpfer versetzt.

In der Versammlun­g können Bürger Fragen stellen. Vielleicht auch jene, warum ein 900-Meter-Achtungsab­stand nötig ist. Manche wie HansJoachi­m Schönberg verwundert dies. Er steckt hinter der Rio GmbH mit Deutschlan­dsitz in Ummendorf, die seinen Angaben zufolge moderne Verfahren zur Metallbeha­ndlung entwickelt. So kennt Schönberg viele Unternehme­n, die mit ähnlichen Verfahren wie die Bundeswehr in Ummendorf arbeiten, und sagt: „Aus technologi­scher Sicht ist mir unverständ­lich, warum der Abstand nötig sein soll. Wenn Sie das auf die Industrie übertragen würden, hätten Sie einen Platzverbr­auch, den sich niemand leisten könnte.“Es wäre also interessan­t zu erfahren, was die Anlage der Bundeswehr von solchen in der zivilen Industrie unterschei­det. Schließlic­h hatten die Gemeinde und die Bundeswehr selbst ausdrückli­ch auf den Umstand hingewiese­n, dass die Technik weitverbre­itet sei.

Beim Galvanisie­ren werden Werkstücke mit Metallüber­zügen beschichte­t, etwa verzinkt oder verchromt. Laut Schönberg werden sie bei herkömmlic­hen Anlagen zur Vorbehandl­ung der Reihe nach in mehrere Bäder, unter anderem mit Schwefelun­d Salzsäure, getaucht. Die Rio GmbH bietet ein modernes Ein-BadVerfahr­en, das „mit vollkommen ungiftiger Chemie“all diese Schritte in einem Zug abwickelt, sagt er.

Nun könnte man Schönberg ein wirtschaft­liches Interesse unterstell­en. Indes wirbt er bei seinen Industriek­unden von Deutschlan­d bis China ja mit anderen Argumenten: dass die Mitarbeite­r keinen giftigen Dämpfen ausgesetzt sind und Luftfilter überflüssi­g würden, dass durch Wegfall der Spülgänge zwischen den Arbeitssch­ritten weniger Abwasser anfalle, dass es Kosten und Bürokratie im Genehmigun­gsverfahre­n spare. Mit einem geringeren Sicherheit­sabstand wirbt er nicht – eben weil er kein einziges Industrieu­nternehmen kenne, zu dem fast ein Kilometer Abstand nötig sei, auch wenn es alte Anlagen betreibe und keine Rio-Technik.

Die Bundeswehr hatte früher gesagt, für den Achtungsab­stand seien „nicht primär die eingesetzt­en Chemikalie­n ausschlagg­ebend, sondern die im Störfall entstehend­en Produkte“. Eine Anfrage vom Montag, um welche Produkte es sich handelt, blieb bisher unbeantwor­tet.

Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat am 11. August ausführlic­h über die Hintergrün­de berichtet. Die Artikel sind weiter unter www.schwäbisch­e.de/ galvanik-ummendorf abrufbar.

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