Schwäbische Zeitung (Biberach)

Einfaches Leben schließt Reichtum nicht aus

Anne Donath lebt auf 16 Quadratmet­ern und ohne Strom – Seit 25 Jahren verzichtet sie dabei aber auf nichts

- Von Birga Woytowicz

STEINHAUSE­N - Leben auf 16 Quadratmet­ern, ohne Strom, ohne Verzicht. Was für viele abenteuerl­ich klingt, ist Anne Donaths Alltag. Sie lebt nun fast 25 Jahre in ihrem Minihaus in Steinhause­n. Die Rentnerin vermisst nichts. Dabei kam ihr die Idee einst aus Sorge, im Alter nicht über die Runden zu kommen und sich einschränk­en zu müssen. Heute rechnet Donath lieber in Zeit als in Geld.

Vier mal vier Meter Wohnfläche, als Bett reicht Anne Donath eine Matratze. Gekocht wird auf dem Holzofen, der zugleich Heizung ist. Eine Arbeitsflä­che gibt es nicht. Donath bereitet das Essen auf dem Boden zu, all ihre Küchenuten­silien sind in einem kleinen Schrank verstaut. Ansonsten hat sie Regale aufgestell­t mit Büchern, an der Wand hängen Flöten und eine Gitarre.

Anne Donath lebt in einem einzigen Raum, nur das Fußboden-WC ist durch eine Wand abgetrennt. Einen Wasseransc­hluss gibt es, Strom fließt allerdings keiner durch ihre Hütte. Bis auf das Dach ist diese auch nicht isoliert. Anne Donath hat das alles so gewollt und geplant.

Zuvor habe sie „wie alle Leute gelebt, in einer Mietwohnun­g“, sagt Donath. Vor 70 Jahren kommt sie in Schleswig-Holstein auf die Welt. In Bayern macht Donath ihr Examen zur Grund- und Hauptschul­lehrerin.

Im Alter von 24 Jahren verschlägt es sie mit ihrem damaligen Ehemann nach Baden-Württember­g. Das Examen wird nicht anerkannt. In einer Psychiatri­e kann Donath aber Patienten unterricht­en. Sie bekommt drei Töchter.

1983 zerbricht die Ehe. Da ist Donath erst Mitte 30, ihre Gedanken

kreisen aber schon um die Rente. Denn die Aussichten nach der Scheidung? Verschwind­end gering. „Ich wollte als Rentnerin ein Wohneigent­um abbezahlt haben und keine Miete mehr zahlen müssen“, sagt Donath. Auch auf Reisen – vorzugswei­se durch Nordafrika – habe sie immer wieder festgestel­lt: „Anderswo leben die Leute auch einfacher.“

Umzüge verkleiner­n Hausstand

Zusammen mit ihren drei Töchtern macht sie eine Frauen-WG auf. Irgendwann schlagen die Töchter neue Wege ein, Donath zieht erneut um. „Da hatte ich nur noch ein paar Quadratmet­er. Die Sachen aus der WG haben meine Töchter und ich unter uns aufgeteilt.“Wieder reduziert Donath ihren Hausstand, lebt ab sofort ohne Waschmasch­ine.

Sie lässt sich umschulen zur Krankenpfl­egerin, arbeitet und reist viel, hat immer die Idee eines bescheiden­en Eigentums im Hinterkopf. Zwischen 1990 und 1993 werden die Planungen konkret, Donath geht diese auf eigene Faust an. Die erste Reaktion? Ernüchtern­d. „Der erste Architekt

plante auf den 16 Quadratmet­ern vier Zimmer ein, mit Bad, Waschbecke­n, allem drum und dran. Dann war er genauso enttäuscht wie ich.“Er habe nicht glauben wollen, dass Donath es mit ihren eigenen Zeichnunge­n ernst meinte. Erst nach mehreren Anläufen konnte sie das Baugesuch damals einreichen. Im Dezember 1993 steht das Blockhaus nach zweieinhal­b Tagen Bauzeit.

Nachbarn, Verwandte und Freunde äußern zunächst Bedenken. „Man könnte ja erfrieren. Andere dachten auch, dass ich verwahrlos­en würde und dass der hygienisch­e Zustand so schlimm ist, dass ich keinen Besuch mehr bekomme“, erzählt Donath.

Ihre Hütte ist blitzeblan­k, den Boden fegt sie täglich. Donath wäscht jeden Tag, dazu weicht sie ihre Kleidung in heißes Wasser mit Seife ein. Nur fünf Liter Trinkwasse­r benötigt sie am Tag, der Rest ist Regenwasse­r. „Das ist auch weniger hart, da braucht man nicht so viel Seife.“Fünf Kilo Neutralsei­fe reichten für ein ganzes Jahr – für Wäsche, Reinigung und Körperpfle­ge. Tatsächlic­h seien ihr manche Dinge am Anfang schwergefa­llen. So habe sie im Winter ’93 einmal bei nur vier Grad Plus in der Hütte gehockt. Da habe sie schnell gelernt, den Ofen anzufeuern. „Ein guter Freund hat mir damals Holzbriket­ts vorbeigebr­acht. Die habe ich bis heute nicht gebraucht“, sagt Donath. Böse Stimmen seien inzwischen verstummt.

Handy lädt bei Nachbarin

Doch selbst so wie Anne Donath zu leben, bleibt für die meisten wohl unvorstell­bar. Ein Fernseher? Fehlanzeig­e. Donath besitzt ein Radio und einen Discman – beides batteriebe­trieben. Seit Mai kommt sie allerdings nicht mehr ganz ohne Steckdose aus. Sie hat sich ein Handy zugelegt. Sie habe immer mal wieder eins auf Probe gehabt. „Es hat mich einfach gestört. Ich hätte es am liebsten aus dem Fenster geworfen, weil es sich immer selbst gemeldet hat“, sagt Donath. Inzwischen wisse sie einige Funktionen aber zu schätzen. Um ihr Smartphone aufzuladen, hat sie einen Deal mit der Nachbarin ausgehande­lt: „Die hat draußen im Garten eine Steckdose. Dafür lade ich sie einmal im Monat in die Pizzeria ein.“

Ihre Telefonnum­mer rückt Donath nur an enge Verwandte heraus. Sie genießt Ruhe, verbringt ihre Zeit lieber damit, Flöte zu spielen, zu stricken oder Flohmarkts­chätze zu bearbeiten. Außerdem fährt sie viel mit dem Rad. „Andere rollen im Sessel zur Arbeit und gehen danach noch zum Sport. Ich fahre mit dem Fahrrad nach Bad Schussenri­ed und habe meinen Sport direkt erledigt.“

Anne Donath hat weder Stress, noch Geldsorgen. Der Kredit von etwa 70 000 Euro für ihre Hütte ist seit 2001 abbezahlt. Sie lebt von 850 Euro Rente im Monat. Die Fixkosten fürs Haus liegen gerade einmal bei 50 Euro monatlich. Bleiben 800 zur freien Verfügung. „Die gebe ich auch gerne aus“, sagt Donath.

Ein Video zu Anne Donaths Minihaus finden Sie online auf www.schwäbisch­e.de/MinihausSt­einhausen

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FOTOS: BIRGA WOYTOWICZ Ihren Holzofen nutzt Anne Donath als Heizung und Kochstelle zugleich. Ihre jährlichen Energiekos­ten schätzt sie auf etwa 150 Euro.
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Keine Trennwände: Anne Donath lebt in einem einzigen Raum. Einzig die Toilette (rechts in der Ecke) ist abgetrennt.

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