Schwäbische Zeitung (Biberach)
Dem mageren Jahr folgt die Apfelschwemme
Eine rekordverdächtige Apfelernte hält Obstbauern und Kelterer in Atem – Frühe Blüte im warmen Frühjahr
LAUPHEIM - Der eher schwachen Obsternte im vergangenen Jahr folgt diesmal offenbar eine wahre Apfelschwemme, glaubt man den Besitzern von Apfelbäumen in der Region. Die Bäume seien so voll, dass Äste brechen, heißt es in Schilderungen. Bei Keltereien muss man Schlange stehen oder es gibt gar Annahmestopp. Tatsächlich ist die aktuelle Apfelernte ungewöhnlich ergiebig, bestätigen auch Fachleute. Aber nicht überall spricht man von „rekordverdächtig“. Die Trockenheit tat offenbar ihre Wirkung.
Robert Wekenmann kann von der guten Ernte ein Lied singen. Er ist mit seiner Ehefrau Birgitt Inhaber der gleichnamigen Fruchtsaftkelterei in Bußmannshausen und seit Wochen im Stress: „Ich arbeite 16 Stunden am Tag“, erklärt er. Den Tag über liefern die Leute Äpfel an, abends und in der Nacht verarbeitet er das angelieferte Obst zu Saft: entweder für die großen Tanks auf seinem Betriebsgelände, aus denen er das Jahr über Saft zum Verkauf abzapft, oder auf Wunsch zur direkten Abholung des eigenen Erzeugnisses.
Zeitweise kamen so viele Anlieferer, dass das Ehepaar mit der Verarbeitung nicht mehr nachkam: „Wir hatten Anlieferungsstopp!“Es ist klar, meint Robert Wekenmann: Die Ernte begann früh in diesem Jahr, fällt recht reichlich aus, aber sei auf längere Sicht so ungewöhnlich nicht. „Es hat schon ähnliche Jahre gegeben.“Bei dem anhaltend schönen Wetter sind die Menschen aber auch anhaltend im Garten aktiv – um das Ergebnis dann bei ihm abzuliefern.
Eine Wagenladung Äpfel
Einer von ihnen ist Gerhard Walcher aus Wain, der gerade einen Anhänger voller Äpfel abliefert. Das Gefährt schiebt er rückwärts an die Schütte der bereits halb vollen Annahme. Von da werden die Äpfel über Förderbänder zur Presse befördert. Rund 1400 Kilogramm sind es diesmal, zeigt die Waage an, die von den 25 Bäumen seiner kleinen Streuobstwiese kommen. Pro 100 Kilogramm bekommt er die Lieferung abgerechnet. Im Hof daneben lädt Johannes Faller aus Großschafhausen gerade Kartons voller Saft von Äpfeln aus dem eigenen Garten auf einen Anhänger. Rund 200 Liter haben seine drei Bäume gebracht, erzählt er: Boskop, Berlepsch und Jakob Fischer heißen die Sorten, die er bei Wekenmann zum Pressen ablieferte. „So eine Menge hatte ich noch nie!“Er lacht: „Dieser Saft schmeckt viel besser als gekaufter“.
20 bis 30 Tonnen Äpfel kommen auf die Weise jetzt täglich bei der Kelterei Wekenmann an, erzählt der Kelterer aus der Gemeinde Schwendi: in Portionen von wenigen Kilogramm bis zu Ladungen von über einer Tonne. In normalen Jahren sind es rund zehn Tonnen am Tag – letztes Jahr war es eine einzige. Robert Wekenmann hat so viel zu tun, dass er sich mal ein paar Tage schlechtes Wetter wünscht, damit nicht ständig geerntet wird und die Ernte sich verzögert. Ein paar Tage noch: Dann bekommt das Ehepaar auch personelle Verstärkung für den Rest der Erntezeit.
Hof mit Streuobstwiesen
Eher gelassen nimmt Josef Herre die gute Obsternte. Er betreibt einen Bullen- und Schweinemastbetrieb im idyllischen Westerflach bei Untersulmetingen. Das Gehöft kommt noch mit dem pittoresken Charme der über Generationen gewachsenen Höfe daher – inklusive Streuobstwiese hinter dem Haus. Dort herrscht jetzt immer wieder Betrieb. Gut 100 Bäume auf zwei Wiesen erntet die Familien in jedem Herbst ab. Die Äpfel landen über einen Bündler in Rottenacker in der Saftpresse des Großabnehmers Dreher in Stockach. „Die Bäume sind viele Jahre alt“, erzählt Josef Herre bei einem Besuch in der Wiese hinter dem Haus, „es dürften gut 60 bis 70 Jahre sein.“Er wisse selbst nicht, wer sie mal gepflanzt hat, und auch nicht genau, welche Sorten es eigentlich sind. Aber: „Es sind alte Sorten“. Das Rudölfle gehört dazu, die Schafsnase, der Boskop natürlich und noch einige mehr. Die Familie Herre hat ihren Apfelbetrieb sogar als biologisch zertifizieren lassen. Das heißt zum Beispiel: Kunstdünger ist tabu.
Zur Ernte fährt er die Rüttelmaschine unter die Bäume. Deren Stämme sind bis zu zehn Meter hoch, höher als solche in den Plantagen der Obstbauregionen, sodass das Pflücken direkt vom Baum mühselig und gefährlich wäre – und sich eh nicht lohnen würde, meint der Bauer. Frische Äpfel finden nur wenige Abnehmer, für die Saftpresse können sie auch Druckstellen bekommen. Mit einer Stange legt Josef Herre ein Kabel um einen Ast und startet den Motor eines alten Traktors, auf dessen Kurbelwelle die Rüttelmaschine steckt. Darin verschwindet das Kabel, und als der Rüttler loslegt, bebt der ganze Baum, dass es Äpfel regnet. In diesem Jahr ist er mit dem Rüttler vorsichtig, weil die Trockenheit den alten Bäumen zugesetzt hat. Ihre Äste sind brüchiger. Normalerweise würde nun die Familie bereitstehen, die Ladung vom Boden aufzulesen. Ja, es wird eine gute Ernte, schätzt Josef Herre: Bis zu 15 Tonnen Äpfel könnten es werden, hat er mit seiner Frau gewettet. Aber es gab schon bessere Jahre. 2011 zum Beispiel: „Da haben wir gar nicht gewusst, wohin mit den vielen Äpfeln.“