Schwäbische Zeitung (Biberach)
Kirche, wohin gehst Du?
Noch ein Wort zum Thema Missbrauch in der katholischen Kirche im Wort zum Sonntag? Ja!
Denn jetzt nichts dazu zu sagen, können wir – angesichts des aufgedeckten Schmerzes so vieler Opfer und angesichts der massiven Verunsicherung vieler Menschen, ausgelöst durch die neu publizierten Horrorgeschichten und erschütternden Zahlen – vor unser beider Gewissen nicht.
Kardinal Marx hat selber gesagt: „Die Menschen glauben uns nicht mehr.“Ein Kommentar zu dieser seiner Aussage steht für das, was viele vielleicht ebenso denken: „Recht hat er: Ich traue einem Kardinal Marx in dieser Sache nicht weiter als ich gucken kann. Wenn die Menschen einem Kardinal nicht mehr glauben, ist das allerdings nur halb so schlimm. Jetzt aber muss sich der Glaube an Jesus Christus plötzlich an den Missständen in der Kirchenhierarchie messen.“
Die Frage: „Wem noch Glauben und Vertrauen schenken?“muss unserer Überzeugung nach deutliche Konsequenzen haben:
Damit der Einsatz für Opfer und Betroffene von Missbrauch von diesen selbst als glaubwürdig und hilfreich erfahren wird.
Damit das Engagement so vieler in der Kirche: Laien, hauptamtlich in der Pastoral Tätigen und auch Priester, Diakone und Ordensleute nicht völlig
aus dem Blick gerät und diese deshalb keine Ermutigung und Unterstützung mehr für ihre Berufung und ihren Dienst erfahren.
Damit Menschen in dieser Kirche noch dem begegnen können, der ihr eigentlicher Hirte ist: Jesus Christus.
Auch Papst Franziskus kommt immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik und Verdächtigung im Blick auf seinen Umgang mit offensichtlich schuldig gewordenen Kirchenoberen. Sein erst auf Februar nächsten Jahres gesetzter Termin, um sich gemeinsam in Rom mit Kirchenverantwortlichen über das weitere Vorgehen in Sachen Aufklärung und Prävention zu einigen, wird sich so aus unserer Sicht nicht halten können. Nachdem er – zu Recht – die Barmherzigkeit Gottes in das Zentrum seiner Verkündigung gerückt hat, muss er unserer Überzeugung nach nun das Thema „Gerechtigkeit“in den Blick nehmen und Konsequenzen ziehen, auch wenn sie hart sind.
Ein wenig bepredigter Satz aus dem Neuen Testament könnte nicht nur ihm und den „Kirchenoberen“zur Gewissenserforschung dienen. Wir müssen ihn selbst nochmals lesen und darüber nachdenken und sehen, welche Konsequenzen wir daraus zu ziehen haben:
„Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl Christi offenbar werden, damit jeder seinen Lohn empfängt für das Gute oder Böse, das er im irdischen Leben getan hat (2. Korintherbrief 5,10).