Schwäbische Zeitung (Biberach)
Landwirt lässt Bullen im Stall verhungern
Angeklagter ist mit dem Hof offenbar aus mehreren Gründen überfordert – Jetzt muss er eine Geldstrafe zahlen
BIBERACH - Schimmel in den Trögen, teils massiv abgemagerte Rinder und ein verhungerter Bulle: Ein Landwirt aus dem östlichen Landkreis Biberach hat seine Tiere so sehr vernachlässigt, dass ihn die Staatsanwaltschaft Ravensburg wegen des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz in 13 Fällen anklagte. Ernteausfälle, Schulden und gesundheitliche Probleme – die Verteidigung führte eine Reihe von Gründen ins Feld, warum es so weit gekommen war. Das Amtsgericht Biberach verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe in Höhe von 900 Euro.
Endgültig aufgeflogen sind die Missstände auf dem Hof vor etwa einem Jahr. Die Untersuchung eines verendeten
Bullen kam zu dem Ergebnis, dass das
Tier massiv ausgezehrt war und an Unterernährung starb. So schilderte es die zuständige Staatsanwältin in dieser Woche vor dem Amtsgericht Biberach. Besuche des Veterinäramts im Stall brachten die Erkenntnis, dass weitere Rinder abgemagert waren. 60 Prozent der Tiere sollen zu wenig Nahrung bekommen haben. Verunreinigte Futterstellen, fehlende Abtrennungen und zu inhomogene Gruppen stachen den Verantwortlichen darüber hinaus negativ ins Auge. Bei einem zweiten Besuch wenige Wochen später stellten die Mitarbeiter des Veterinäramts keine Verbesserungen fest.
Die Verteidigung räumte ein, dass die Situation alles „andere als optimal“sei. Doch sein Mandant sei gesundheitlich stark beeinträchtigt, erläuterte der Verteidiger. Gleichzeitig werfe der Betrieb in finanzieller Hinsicht kaum etwas ab, nicht mehr als 10 000 Euro pro Jahr seien verdient. Mit monatlich 850 Euro habe die fünfköpfige Familie auskommen müssen. Eine Summe, die bei Weitem nicht ausreichte, weshalb die Frau des Angeklagten einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht. Hinzu kommen Schulden im niedrigen sechsstelligen Bereich, auch, weil der Milchpreis vor ein paar Jahren im Keller war.
Zur Unterernährung der Tiere sei es schließlich gekommen, weil 2016 die Maisernte verregnet war, schilderte der Angeklagte. Deshalb habe das Futter nicht die Energiedichte wie sonst gehabt. Ihm sei damals nicht bewusst gewesen, dass es so schlecht um den Bullen stand. Dieser sei schon immer etwas schmächtiger gewesen, so der Landwirt. „Klar, hätte er Futter dazukaufen können“, sagte
formulierte der Verteidiger überspitzt die prekäre Situation auf dem Hof.
der Verteidiger. „Aber wie soll er das bei einem monatlichen Gewinn von 850 Euro machen?“Überspitzt formulierte der Rechtsanwalt im späteren Verlauf der Verhandlung: „Entweder hätte die Familie etwas zu essen gehabt oder die Tiere.“Zudem sollen die stärkeren Kühe die schwächeren an der Futterstelle vertrieben haben, was in einem Laufstall nicht immer zu verhindern sei.
Dem Angeklagten ist offenbar schon im Vorfeld des Prozesstermins bewusst geworden, dass der Hof in dieser Form keine Zukunft haben kann. Sein Mandant habe den Schluss gezogen, die Tierhaltung bis spätestens Ende kommenden Jahres einzustellen, kündigte der Verteidiger an. Ein Teil der Kühe sei bereits verkauft worden, der restliche Abverkauf soll sukzessive folgen. Ein Schritt, der sich bei der Zumessung der Geldstrafe zugunsten des Angeklagten auswirken sollte.
Richter Ralf Bürglen äußerte Verständnis für die Situation des Beschuldigten: „Mir ist klar, dass die Rinderhaltung schwieriger geworden ist.“Er machte aber auch deutlich: Wer Tiere halte, müsse auch dafür sorgen, dass sie genügend zu essen haben. Die Staatsanwältin wies in der Verhandlung mehrmals darauf hin, dass der Landwirt auch früher hätte seinen Hof aufgeben können. Gleichzeitig hätte er homogenere Gruppen bilden können, um dem Machtkampf der Kühe am Futtertrog entgegenzuwirken. Sie sah den Tatbestand „mehr als erfüllt“– und die Unterernährung sei nicht plötzlich gekommen. Schließlich habe sich das Gewicht des Bullen nicht über Nacht um ein Drittel reduziert.
Die Staatsanwaltschaft forderte letztlich eine Geldstrafe in Höhe von 1200 Euro (60 Tagessätze je 20 Euro). Bei der Strafzumessung solle das Gericht Milde walten lassen, plädierte dagegen der Verteidiger. Die Familie pfeife ohnehin schon „aus dem letzten Loch“. Zudem seien aufgrund der Aufgabe des Hofs keine weiteren Verstöße zu befürchten. Bürglen verurteilte den Landwirt schließlich zu einer Geldstrafe in Höhe von 900 Euro (60 Tagessätze je 15 Euro). Vielleicht könne er diese Summe durch den Abverkauf der Tiere aufbringen, so Bürglen. Die Verteidigung möchte auf eine Berufung verzichten.
„Entweder hätte die Familie etwas zu essen gehabt oder die Tiere“,