Schwäbische Zeitung (Biberach)

Sie zeigt Urlaubern den Königspala­st

Claudia Dobler ist nach Spanien ausgewande­rt und Fremdenfüh­rerin in Sevilla.

- Von Daniel Häfele

RINGSCHNAI­T/SEVILLA - Eigentlich wollte Claudia Dobler bereits bei ihrer Ankunft in Sevilla als Fremdenfüh­rerin beruflich durchstart­en. Doch zunächst sah es so aus, als ob sich dieser Wunsch niemals erfüllen würde. Die Ringschnai­terin ist 2003 nach Spanien ausgewande­rt, weil sie sich während eines Auslandauf­enthalts ins Land und ihren späteren Ehemann verliebt hatte. Bereut hat sie diesen Schritt nie. Auch nicht, als die Finanzkris­e ihre berufliche Existenz zunichte machte.

„Manchmal bekomme ich einen Asphalt- und Betonanfal­l“, sagt Claudia Dobler lachend. Mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen, acht und zwölf Jahre alt, lebt sie im „ersten Speckgürte­l“von Sevilla. Wenn ihr das Grau in der Hauptstadt Andalusien­s einmal zu viel wird, freut sie sich ganz besonders darauf, eine Reisegrupp­e nach Granada zu begleiten. „Bei der Fahrt übers Land sehe ich dann zumindest wieder etwas Grün“, sagt die 44-Jährige. Die grüne Natur, gutes Brot, ein Spaziergan­g über knirschend­en Schnee, eine Fastenbrez­el, Familie und Freunde sind die Dinge, die sie am meisten vermisst.

In Sevilla arbeitet sie als Fremdenfüh­rerin, zeigt Gästen aus aller Welt zum Beispiel den Königspala­st oder die Kathedrale. „Das schöne an meiner Arbeit ist, dass man nie genau weiß, was einen erwartet“, schildert Dobler. Die Gruppen seien nämlich verschiede­n, die Erwartunge­n an ihre Tätigkeit entspreche­nd unterschie­dlich. Der eine möchte mehr über die Historie wissen, der andere mehr über die kunstgesch­ichtliche Einordnung. Ehepaare oder Familien, Schulklass­en oder Senioren – Dobler hat schon den unterschie­dlichsten Menschen Andalusien näher gebracht: „Der Großteil der Führungen ist in englischer Sprache.“Deutsch Claudia Dobler ist vor 15 Jahren nach Sevilla umgezogen. Als Auswanderi­n sieht sie sich nicht.

und Spanisch beherrscht sie natürlich auch.

Erst seit 2015 darf Dobler in Spanien als Fremdenfüh­rerin arbeiten, weil dafür eine spezielle Lizenz notwendig ist. „Kurz nach meiner Ankunft im Jahr 2003 wurden die Normen geändert, so dass ich mich zwölf Jahre gedulden musste“, erläutert sie. Vor drei Jahren seien die Bestimmung­en dann zur ihren Gunsten geändert worden. Untätig war Dobler in dieser Zeit aber nicht. So entwickelt­e sie zunächst Bildungspr­ogramme für Schulen.

Deutschabt­eilung aufgebaut

Doch als 2008 die Finanz- und Wirtschaft­skrise über Europa hereinbrac­h, strich das Kultusmini­sterium die finanziell­en Mittel im Bildungsse­ktor zusammen. In der Folge konnten

die Schulen ihre Dienstleis­tung nicht mehr in Anspruch nehmen. „Also habe ich den Master in Deutsch als Fremdsprac­he absolviert und im Anschluss die Deutschabt­eilung an einer privaten Sprachschu­le aufgebaut“, schildert sie. Deutschkur­se seien gerade in der Zeit nach der Krise äußerst gefragt gewesen, weil Ingenieure oder Krankenpfl­eger der Arbeit wegen nach Deutschlan­d auswandert­en.

Im Sommer nach Ringschnai­t

Auch Dobler kommt regelmäßig nach Deutschlan­d – und zwar immer dann, wenn hierzuland­e die Menschen verreisen. „Zwischen sechs und acht Wochen leben wir in Ringschnai­t, weil es in den Sommermona­ten in Sevilla nicht auszuhalte­n ist“, sagt sie. Bei Temperatur­en jenseits der 40-Grad-Marke könne man tagsüber das Haus nicht verlassen. Möglich ist der Familie der mehrwöchig­e

Aufenthalt in Deutschlan­d, weil die Kinder zehn Wochen Sommerferi­en haben. „Mein Mann kann aufgrund von Überstunde­n einen längeren Zeitraum freimachen und ich bin selbständi­g“, erläutert Dobler, die über eine Wohnung im elterliche­n Haus verfügt.

Ob sie sich vorstellen kann, in Ringschnai­t wieder auf Dauer heimisch zu werden? Vielleicht in ein paar Jahren. Im Augenblick sieht sie ihre Zukunft in Sevilla. Sie hat in all den Jahren – die Wirtschaft­skrise macht sich auch heute noch zum Beispiel bei der Infrastruk­tur bemerkbar – zwar einmal mit dem Gedanken gespielt, Spanien den Rücken zu kehren. „Aber wenn man der Liebe wegen auswandert, bereut man einen solchen Schritt wohl nicht“, sagt Dobler und verweist darauf, dass sie sich nicht als Auswanderi­n sieht: „Ich bin eine Europäerin, die innerhalb Europas umgezogen ist.“

 ?? FOTO: PRIVAT ??
FOTO: PRIVAT
 ?? FOTO: PRIVAT ??
FOTO: PRIVAT

Newspapers in German

Newspapers from Germany