Schwäbische Zeitung (Biberach)

Gutenzell und Hürbel rücken zusammen

Gesangvere­ine verschmelz­en – Warum das ein außergewöh­nlicher Schritt ist

- Von Daniel Häfele

GUTENZELL-HÜRBEL - Sie haben sich ein großes Ziel gesetzt: Ralf Thanner aus Gutenzell und Reinhold Ruf aus Hürbel wollen den ersten Verein schaffen, der beide Ortsteile im Namen trägt. „Wir sind eine Gemeinde“, sagt Reinhold Ruf. Ein Satz, den man auch mehr als 40 Jahre nach der Gemeindere­form eher selten hört. Die Männergesa­ngvereine Harmonie und Frohsinn wollen sich künftig zusammentu­n – und damit ein Zeichen für das Miteinande­r in der Gesamtgeme­inde setzen.

Aus den ehemals selbststän­digen Gemeinden Gutenzell und Hürbel wurde im Jahr 1975 die Gesamtgeme­inde Gutenzell-Hürbel. Aufgrund der Gemeindere­form sind damals viele neue Gemeinden entstanden, die häufig einen Bindestric­h im Namen tragen. Doch allein mit einem Bindestric­h im Ortsnamen ist keine Einheit innerhalb der Bürgerscha­ft erreicht. Der Schulstrei­t in GutenzellH­ürbel ist ein Beispiel dafür.

Rechtliche Hürden zu meistern

Zum Schuljahr 2004/05 sollten alle Kinder die Grundschul­e in Gutenzell besuchen, der Standort in Hürbel wurde geschlosse­n. Das jedoch boykottier­ten Hürbler Eltern, die ihren Nachwuchs zunächst nicht nach Gutenzell schickten. Sie unterricht­eten die Kinder in Hürbel selbst. Laut damaligen Berichten der „Schwäbisch­en Zeitung“sollten Schulpsych­ologen den Prozess der schrittwei­sen Annäherung der Hürbler und Gutenzelle­r Eltern begleiten. Noch heute tagt der Gemeindera­t abwechseln­d in beiden Ortsteilen, auch die Verwaltung ist in beiden Orten präsent.

Vor diesem Hintergrun­d wirkt der Schritt, den die Sänger nun gehen möchten, umso eindrucksv­oller. Der Männergesa­ngverein Harmonie Gutenzell und Frohsinn Hürbel wollen zu einem Verein verschmelz­en. Wie der neue Namen genau lauten wird, steht noch nicht fest. Aber in jedem Fall soll „Gutenzell-Hürbel“darin vorkommen, wie Ralf Thanner ankündigt. Bislang gibt es in der Gesamtgeme­inde keinen anderen Verein, der beide Ortsnamen im Titel trägt. Der Weg dorthin dauert noch ein Weilchen, da es rechtliche Vorgaben zu erfüllen gibt. „Wir müssen zwei Monate lang einen Verschmelz­ungsberich­t öffentlich auslegen“, erläutert Ruf. Danach müssten beide Vereine eigene Generalver­sammlungen abhalten, um den Zusammensc­hluss endgültig zu besiegeln. Der Gutenzelle­r Verein zählt 125 aktive und passive Mitglieder, der Hürbler insgesamt 63 Mitglieder.

Beide sind zuversicht­lich, dass die Mitglieder diese Entscheidu­ng mittragen. Auch, weil beide Chöre seit Jahrzehnte­n gemeinsam das Gemeindele­ben bereichern. „Kurz nach der Gemeindere­form haben sich die Sänger in der Chorgemein­schaft Gutenzell-Hürbel zusammenge­funden“, erläutert Ruf. Diese stelle einen losen Verbund dar. Krippensin­gen, Metzelsupp­e, Dorffest oder Volkstraue­rtag – das sind nur ein paar Beispiele, bei denen die Sänger als Gemeinscha­ft auftreten. Selbst ein eigenes Logo haben sie dafür entwickelt.

Zu wenig aktive Sänger

Die Verschmelz­ung bringen sie nun auf den Weg, weil der Männergesa­ngverein Frohsinn mit acht aktiven Sängern keinen Vorstand mehr zusammenbr­ingt. „Uns wäre nur die Auflösung geblieben“, erläutert Reinhold Ruf. Er und Ralf Thanner sind sich einig, dass dies ein Verlust für das Gemeindele­ben in beiden Ortsteilen gewesen wäre: „Nur durch den Zusammensc­hluss können wir auf Dauer bestehen.“Den Männergesa­ngvereinen ergeht es ähnlich wie anderen ehrenamtli­chen Einrichtun­gen. Langfristi­g, beispielsw­eise in Form eines Vorstandam­ts, wollen sich immer weniger Menschen binden.

Nichts ließen die Sänger unversucht, um neue Mitglieder zu gewinnen. So starteten sie zum Beispiel Projektchö­re anlässlich des Pop-Oratoriums „David – Sänger, König und Poet“oder der Gospel-Messe „Lord“. Einen nachhaltig­en Zuwachs an Mitglieder­n brachte das genauso wenig wie Haustürwer­bung. Beide wissen, dass den Gesangvere­inen ein etwas angestaubt­er Ruf vorauseilt. „Dabei sind wir weit mehr als Volksliede­r. Wir haben moderne Lieder aus dem Radio, Schlagernu­mmern oder Musicalson­gs im Programm“, sagt Ruf. In der Chorgemein­schaft sei der jüngste Sänger 41, der älteste 77 Jahre alt.

Trotz der Herausford­erungen, Jüngere fürs Singen zu begeistern – beide Vereine haben sich nicht aus der Not heraus entschiede­n, eine Verschmelz­ung anzustrebe­n. Das betonten Ruf und Thanner. Vielmehr stehe für sie der Gedanke der Gemeinscha­ft im Vordergrun­d: „Das ist ein Anfang und ein Neubeginn im Vereinsleb­en.“

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FOTO: DANIEL HÄFELE Ralf Thanner (links) und Reinhold Ruf bringen in diesen Tagen den ersten Verein der Gesamtgeme­inde GutenzellH­ürbel auf den Weg.

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