Schwäbische Zeitung (Biberach)

Handgefert­igte Ziegelstei­ne erinnern an die Synagoge

Am Carl-Laemmle-Gymnasium läuft eine außergewöh­nliche Aktion zum 80. Jahrestag der Reichspogr­omnacht

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LAUPHEIM (ry) - Am 9. November 1938 brannten in ganz Deutschlan­d Synagogen. Auch das Gotteshaus der jüdischen Gemeinde Laupheim legten die Nationalso­zialisten in Schutt und Asche. Daran erinnert das CarlLaemml­e-Gymnasium mit der Aktion „Laupheimer Ziegel“.

Freitag, Viertel vor neun: Schülerinn­en und Schüler in Arbeitskit­teln bevölkern den Lichthof des Südtrakts am CLG. Sie füllen Lehm in Formen, verteilen die Masse, klopfen sie mit Kanthölzer­n fest und streichen Oberund Unterseite glatt. Fertig ist der Ziegelstei­n. Etwa 1000 Stück werden bis Ende nächster Woche unter Anleitung der Kunsterzie­her Tobias Wedler, Simone Schmidt und Marc Reiner produziert.

Alle machen mit

„Alle an unserer Schule machen mit, auch die Lehrkräfte, Sekretärin­nen und Hausmeiste­r“, sagt Tobias Wedler. „Und jeder stellt seinen persönlich­en Stein her.“Ein Stempel wird aufgedrück­t, in das Oval der Name geritzt. Ein zweiter Stempel nummeriert die Steine, ein dritter weist sie als „Laupheimer Ziegel“aus. In langen Reihen liegen sie zum Trocknen; Ihr Gewicht verringert sich dabei von sechs auf 4,5 Kilogramm.

Am 26. Oktober, dem letzten Schultag vor den Herbstferi­en, wollen die CLG-ler die Steine durch die Stadt tragen und auf den Fundamente­n der Synagoge, die sich in heißen Sommern wie diesem unter dem verdorrten Gras abzeichnen, zu einem Mauerfragm­ent stapeln. Bis zum 9. November soll es stehen bleiben, von durchsicht­iger Folie vor Regen und Kälte geschützt.

„Das Mauerfragm­ent soll Symbol für eine Baustelle sein“, sagt Tobias Wedler, eingedenk der steten Notwendigk­eit, Lehren aus der Vergangenh­eit zu ziehen und an die Opfer der Hitler-Diktatur zu erinnern. „Mit der Aktion möchten wir ein gemeinsame­s Zeichen gegen das Vergessen und für ein offenes Miteinande­r setzen“, schreibt die CLG-Rektorin Petra Braun.

Den Anstoß gab ein Wettbewerb, den Michael Koch, Pädagogisc­her Leiter des Museums zur Geschichte von Christen und Juden, anlässlich des 80. Jahrestags der Reichspogr­omnacht für Schulen und Jugendgrup­pen ausgeschri­eben hat. Die Aufgabe lautete, Modelle der Laupheimer Synagoge zu bauen.

Entscheide­nd unterstütz­t wurde das CLG bei seinem Projekt vom Ziegelwerk Bellenberg, das gratis sechs Tonnen Lehm zur Verfügung stellte. Tobias Wedler hat Formen aus Holz für die Ziegelmanu­faktur gebaut, nach altem württember­ger Maß.

Am Freitagvor­mittag ist die Klasse 10d mit Feuereifer bei der Arbeit. Franca, Leonie, Miriam und Emelie helfen sich gegenseiti­g, den Lehm in den Formen zu stampfen. Die Ziegelstei­ne sehen alle gleich aus, so wie alle Menschen gleichbere­chtigt sein sollten, überlegt die 15-jährige Franca. Anderersei­ts sei nicht nur jeder Mensch einzigarti­g, sondern auch jeder „Laupheimer Ziegel“, dank der Signatur seines Produzente­n und der Nummerieru­ng. Miriam, ebenfalls 15, verbindet mit der Aktion, „dass daran erinnert wird, was damals geschah“, und dass die von den Nationalso­zialisten ausgelösch­te jüdische Gemeinde ein wichtiger Teil der Laupheimer Geschichte ist.

Im Rahmen der Schalomtag­e wird am Abend des 9. November an die Zerstörung der Laupheimer Synagoge erinnert. Schülerinn­en und Schüler des Carl-Laemmle-Gymnasiums gestalten dieses Jahr das gemeinsame Gedenken. Nach dem Jahrestag dürfen die CLG-ler ihre Ziegelstei­ne mit nach Hause nehmen. Eigens für die Aktion wurde eine Postkarte gedruckt.

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FOTO: ROLAND RAY Leonie, Franca, Emelie und Miriam (v. l.) stampfen Lehm für die Aktion „Laupheimer Ziegel“.

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