Schwäbische Zeitung (Biberach)
Datenschutz-Streit um Klingelschilder
Haus&Grund empfiehlt, Namen zu entfernen – Datenschützer halten das für übertrieben
,BERLIN (dpa) - Verstößt das Klingelschild eines Mieters an der Haustür gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)? Über diese Frage ist ein Streit entbrannt. Der ImmobilienEigentümerverband Haus&Grund empfiehlt laut „Bild-Zeitung“seinen Mitgliedern, vorsorglich die Namensschilder zu entfernen. Nur so könne sichergestellt sein, dass die Privatsphäre der Mieter gewährleistet und Bußgelder in Millionenhöhe für den Vermieter vermieden würden, sagt Verbandspräsident Kai Warnecke.
Ohne explizite Einwilligung der Mieter seien die Namen an den Klingelschildern „möglicherweise unzulässig“, schreibt der Verband in einer Mitteilung. „Es darf nicht sein, dass Vermietern hohe Bußgelder drohen, nur weil sie die Namen ihrer Mieter an den Klingelschildern anbringen“, sagte Warnecke. Müssen Mieter jetzt also ihre Klingelschilder abschrauben? Datenschützer halten das für übertrieben. „Wir halten die DSGVO hier nicht für anwendbar, da es sich um keine automatisierte Datenerfassung handelt“, sagte die Sprecherin der Berliner Datenschutzbeauftragten Jana Schönefeld. Das Regelwerk greife nur bei automatisierten Datenverarbeitungen und Dateien.
„Offensichtlich geht es hier einmal mehr darum, die Menschen mit derartigen Absurditäten zu verunsichern und substanzlos gegen die neue EUDatenschutz-Grundverordnung zu wettern“, schätzt der netzpolitische Sprecher der Grünen-Faktion, Konstantin von Notz. Die Behauptung, die Klingelschilder müssten abmontiert werden, „entbehrt jeder Grundlage“, Klingelschild mit Hinweis auf die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO): Haus&Grund-Präsident Kai Warnecke will Klagen vorbeugen.
da sie überwiegend analog und deshalb datenschutzrechtlich nicht betroffen seien. Selbst bei digitalen Klingelschildern liege ein „berechtigtes Interesse im Sinne von Artikel 6 DSGVO“vor.
Auch die Netzpolitikerin der SPD, Saskia Esken, sieht in der Diskussion lediglich einen Versuch, „die DSGVO zu diskreditieren und die Menschen zu verunsichern“. „Die DatenschutzGrundverordnung verbietet keine Namen auf Klingelschildern“, sagt sie. Jeder könne selbst entscheiden, was an der Haustür stehe – „Datenschutz ist informationelle Selbstbestimmung.“
Vor einer Woche hatte die österreichische Hausverwaltung „Wiener Wohnen“für Schlagzeilen gesorgt. Nach der Beschwerde eines Mieters entschied der Verband, an 220 000 Wohnungen sukzessive die Namensschilder gegen die Wohnungsnummer auszutauschen. Die für Datenschutzangelegenheiten der Stadt zuständige Magistratsabteilung schätze die Verbindung von Nachname und Wohnungsnummer als einen Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung ein, hieß es. Wer dennoch seinen Namen am Klingelschild haben wolle, müsse nun selbst einen Aufkleber anbringen.
Die rechtliche Einschätzung aus Österreich sei nicht von der Hand zu weisen, sagte Haus&Grund-Präsident Warnecke. Der Verband mit Sitz in Berlin vertritt 900 000 Mitglieder. „Wir wollen nicht in die Situation kommen, dass jeder Mieter klagen könnte.“Wer auf Nummer sicher gehen wolle, sollte deshalb die Namensschilder an den Klingeln entfernen lassen. Sofern sich kein Mieter beschwert habe, brauche jedoch niemand unbedingt aktiv zu werden. Warnecke erwartet jedoch, dass die Streitfrage von der Politik gelöst werde. „Das schreit nach einer Klärung.“
Wahlmöglichkeit empfohlen
Er sehe keine Notwendigkeit, die Namensschilder abzumontieren, sagte dagegen der bayerische Datenschutzbeauftragte Thomas Petri. Der Vermieter sei im Regelfall sogar verpflichtet, einen Namen an die Klingel zu schreiben. Nur bei einem Widerspruch müsse das Schild weg. Ähnlich sieht es auch der Präsident der bayerischen Datenschutzaufsicht Thomas Kranig. Die Entscheidung aus Wien halte er für übertrieben, sagte Kranig der „Augsburger Allgemeinen“.
Auch die Berliner Datenschutzbehörde sieht keinen Grund zur Panik. Sie empfiehlt Vermietern, den Mietern bei Neuvermietung eine Wahlmöglichkeit zu bieten. Alle Namensschilder von Alt-Mietern zu entfernen, wäre dagegen „wirtschaftlicher Wahnsinn“, sagte Schönefeld. Bei möglichen Klagen würde ihre Behörde den Vermieter anschreiben. Die Verhängung von Bußgeldern hält Schönefeld – zumindest in Berlin – für unwahrscheinlich.