Schwäbische Zeitung (Biberach)
Frauen häufiger Opfer von Grapschern
Ein sexueller Übergriff am helllichten Tag wirft die Frage auf: Wie oft geschieht so etwas?
ULM - Es war ein Übergriff am helllichten Tag: An einem Donnerstag im Spätsommer um 11.30 Uhr wollten sich zwei Männer über eine Frau hermachen. Die 21-Jährige hatte gerade die Donau an der Eisenbahnbrücke von Neu-Ulm nach Ulm überquert – mit ihrem Kinderwagen samt Baby. Die Polizei berichtete, dass die beiden dunkelhäutigen Angreifer die Frau begrapschten und in ein Gebüsch zerren wollten. Die 21-Jährige wehrte sich erfolgreich mit Faustschlägen. Nach einem Aufruf der Polizei meldeten sich zwar Zeugen. Konkrete Hinweise konnten sie aber nicht geben. „Die Ermittlungen sind am Stocken“, räumt der Ulmer Polizeisprecher Uwe Krause ein.
Joggerinnen. Spaziergängerinnen. Immer wieder wird über Übergriffe berichtet. Oft geraten Ausländer in Verdacht. Manchmal wegen der Hinweise, mit denen die Ermittler die mutmaßlichen Täter beschreiben. Steigt die Zahl der Sexualdelikte in der Region? Und begehen Ausländer häufiger Sexualstraftaten als Deutsche? Einfach beantworten lässt sich das nicht, denn es gibt Tücken. Tendenz: nein.
Zahl der Übergriffe steigt
Die Zahl der Sexualdelikte, die bekannt wurden, ist zuletzt gestiegen – aber noch immer auf einem niedrigen Niveau. In der Stadt Ulm sind 2017 laut der Sicherheitsanalyse der Ulmer Polizei 100 Fälle angezeigt worden. Im Jahr davor waren es 76 Fälle. Die Statistiken haben Tücken. Im November 2016 änderte der Bundestag das Strafrecht und führte ein neues Delikt ein: sexuelle Belästigung. Darunter fällt manches, was vorher als Beleidigung galt. Auch dadurch hätten sich die Zahlen so entwickelt, schreibt die Ulmer Polizei in ihrer Sicherheitsanalyse. Übergriffe, bei denen Männer Frauen in der Öffentlichkeit
begrapschen, seien nicht wesentlich häufiger geworden, sagt auch der Ulmer Polizeisprecher Krause. Nach dem Vorfall bei der Eisenbahnbrücke suchte die Polizei nach zwei dunkelhäutigen Männern. Waren es Ausländer? Solange sich keine neuen Erkenntnisse ergeben, wird das offen bleiben.
Auch auf die Frage, ob Ausländer häufiger Sexualstraftaten begehen als Deutsche, gibt es keine klare Antwort. Eine Darstellung in Prozenten sei wegen der geringen Fallzahl nicht seriös, betonen die Sprecher des Ulmer und des Kemptener Präsidiums. Ein Vergleich: Im Bereich des Präsidiums Schwaben Süd/West machten Sexualdelikte im vergangenen Jahr nur 1,2 Prozent aller angezeigten Straftaten aus. Für eine Antwort auf die Frage genügt es nicht, die absoluten Zahlen der Verdächtigen zu vergleichen. Es kommt darauf an, wie viele Ausländer sich gerade hier aufhalten. Doch das lässt sich nur bedingt
herausfinden.
Der Anteil von Ausländern, die dauerhaft hier leben, ist bekannt. In Ulm beispielsweise betrug er in beiden zurückliegenden Jahren laut Statistischem Landesamt 18 (2016) und 19 Prozent (2017). Die Zahl ausländischer Tatverdächtiger dort lag bei 26 (2016) und 28 Prozent (2017). Allerdings halten sich in der Regel mehr Ausländer in einer Stadt oder Region auf, als statistisch erfasst sind. Wie viele Touristen zu Gast sind, wird nicht gezählt.
Tücken der Statistik
Auch bei der Zahl der Zuwanderer gibt es Tücken. Als solche werden zum Beispiel Asylbewerber bezeichnet – aber auch Menschen, bei denen schon fest steht, dass sie das Land wieder verlassen müssen. Zuwanderer werden häufig in andere Unterkünfte verlegt. Die Statistiken enthalten aber Jahreswerte. Wenn darin zwölf Personen aufgeführt sind, bedeutet das nicht, dass alle ein ganzes Jahr lang hier lebten. „Wenn sich zwölf Zuwanderer jeweils einen Monat hier aufhalten, können wir sie ja nicht zu einer Person zusammenfassen“, erklärt der Kemptener Polizeisprecher Florian Wallner. Eine statistische Aussage könne kaum getroffen werden.
Es ist zwar klar, wie viele Zuwanderer verdächtig sind. Aber es ist nicht klar, ob sie häufiger als Täter infrage kommen als Deutsche. Klar sind nur die absoluten Zahlen ausländischer Tatverdächtiger: In Ulm sind es der Sicherheitsanalyse zufolge zuletzt leicht mehr geworden: Der Wert stieg von 20 (2016) auf 28 (2017).
Die Tücken der Statistik sind nicht das einzige Problem: Manche Täter werden nicht gefunden. Ihre Nationalität bleibt ungewiss. Und: Viele Sexualstraftaten werden nicht angezeigt, wie das Kemptener Präsidium in seinem Sicherheitsbericht schreibt.