Schwäbische Zeitung (Biberach)
Klon des Jakob-Fischer-Urbaums gepflanzt
Damit findet im Museumsdorf Kürnbach ein Projekt seinen Abschluss.
KÜRNBACH/REGION - Das ist für alle Beteiligten ein wichtiger und emotionaler Moment gewesen: Am Freitagnachmittag haben Alexander Ego und Museumsbaumwart Franz Weiß den Klon des Apfel-Fischer-Urbaums auf der Streuobstwiese im Museumsdorf Kürnbach eingepflanzt. Damit fand ein Projekt einen glücklichen Abschluss, von dem lange unklar war, es ob es überhaupt gelingen könnte.
Keine andere Apfelsorte ist den Schwaben, allen voran den Menschen aus dem Landkreis Biberach, so lieb wie der Jakob-Fischer-Apfel. Rotbackig und kräftig im Geschmack – solche Apfelsorten gibt es nicht mehr viele. Und natürlich ist der Bezug zu dieser Apfelsorte auch deswegen so groß, weil bis heute der Urbaum in Rottum steht, mittlerweile 115 Jahre alt. Nicht nur gibt es jedes Jahr ein eigenes Fest zu Ehren der Apfelsorte. Ganze Delegationen von Apfelfreunden kommen jedes Jahr nach Rottum, um einen der letzten Urbäume Deutschlands zu bestaunen.
Urbaum kränkelt seit Jahren
Der Baum kränkelt jedoch seit Jahren, zum einen aufgrund seines Alters, zum anderen weil er falsch beschnitten wurde. Alexander Ego, Kreisfachberater für Garten- und Obstbau am Landratsamt Biberach, ist ein leidenschaftlicher Freund des Baumes. Als sich abzeichnete, dass der Baum nicht mehr lange überleben wird, machte er sich im Juni 2014 auf die Suche nach Hilfe. Er nahm Kontakt auf mit pomologischen Instituten in ganz Deutschland und landete schließlich beim JuliusKühn-Institut in Dresden. Die damalige Leiterin, Professorin Magda-Viola Hanke, zeigte sich sofort interessiert. Klar war aber auch, dass es kein leichtes Unterfangen sein würde, das exakte Erbgut des Urbaums zu retten – denn genau darum ging es den beiden. Was oft nur Experten bekannt ist: Jeder Apfelkern, aus dem ja theoretisch ein neuer Baum entstehen kann, hat eine eigene genetische Zusammensetzung. Jeder Jakob-Fischer-Apfelbaum, den es bisher gab, ist dem Urbaum also genetisch zwar ähnlich. Aber einen exakten Klon gab es bisher eben noch nicht. Wenn der Baum in absehbarer Zeit stirbt, wäre das Original somit verloren gewesen. Um das zu verhindern, machten sich die Mitarbeiter des JuliusKühn-Instituts, allen voran Laborleiterin Uta Hille, die große Mühe, den Urbaum zu klonen.
Für dieses Unterfangen braucht es jedoch gesunde und frische Knospen vom Urbaum, die noch die Fähigkeit zur Vermehrung in sich tragen. „Das Problem war, dass die Gene des Urbaums sehr alt sind. Da kommt es nur noch selten und mit viel Mühe zu einer Zellteilung“, erklärte die Wissenschaftlerin Magda-Viola Hanke. Ego musste mehrere Mal Pakete von Biberach nach Dresden schicken, bis der Versuch gelang, aus einer solchen Blattknospe das Genmaterial zu entnehmen und es in einer In-vitro-Kultur im Labor zum Wachsen zu bringen. „Wir waren unglaublich gespannt, ob es gelingen würde, aber wir waren auch zu keinem Zeitpunkt bereit aufzugeben“, erinnert Ego sich heute.
Hoffen und bangen
Im Januar 2015 dann der erste Hoffnungsschimmer: Laborleiterin Uta Hille teilt den Biberachern mit, dass die Meristeme, also die Stammzellen, sich vermehrt haben und erste Wurzeln an den Klonen sichtbar sind. Im Juni 2015 dann die nächste gute Nachricht: Die ersten Bäumchen wachsen auf ihrer eigenen Wurzel. Doch irgendetwas läuft schief, die Bäumchen entwickeln sich nicht weiter und sterben ab.
Die Beteiligten geben jedoch nicht auf. Ego sendet neue, bessere Edelreißer nach Dresden – und dieses Mal gelingt das fast Unmögliche. Im Frühjahr 2016 können erste „Sicherheitskopien“auf Veredelungsunterlagen veredelt werden. Eine zweite Meristem-Versuchsreihe wird im Labor angesetzt. Daraus können zwei wurzelechte Klone gezüchtet und sechs weitere Veredelungen gewonnen werden. Im Oktober 2016 fahren Ego und Weiß nach Dresden und holen die ersten acht Jakob-Fischer-Urbaum-Klone und weitere Veredelungen nach Hause. „Den Klon habe ich zuerst zu meinen Eltern ins Gewächshaus gestellt, damit ihm auch ja nichts passiert“, erinnert sich Ego. Erst nachdem der strenge Winter vorbei war, bringt er den jungen Baum in seinen eigenen Garten und gewöhnt ihn schrittweise an die schwere schwäbische Erde.
Eine neue Heimat gefunden
Und nun, am Freitag, war es dann so weit: Der zweijährige Baum, mittlerweile zweieinhalb Meter hoch, konnte in Kürnbach eingepfanzt werden. Und weil das für alle Beteiligten ein so besonderer Moment war, ließen es sich die beiden Wissenschaftlerinnen aus Dresden nicht nehmen, eigens dafür anzureisen. Mit Ehrfurcht standen alle im Kreis um den Baum herum und sahen zu, wie Ego und Weiß ganz sachte den Baum mitsamt Wurzelwerk aus seinem Kübel klopften und in das zuvor gegrabene Loch senkten. Die staubtrockene Erde wurde angegossen und der Baum vorsichtig gerade gerichtet. Er steht nun direkt vor dem Hauptgebäude und dem Tante-Emma-Laden. Wer draußen im kleinen Biergarten sitzt, schaut direkt auf den Baum. Ein kleines Schild erklärt Besuchern, um was für einen besonderen Baum es sich handelt – wobei das wahrscheinlich nur der Biberacher Schwabe begreift.