Schwäbische Zeitung (Biberach)

Klon des Jakob-Fischer-Urbaums gepflanzt

Damit findet im Museumsdor­f Kürnbach ein Projekt seinen Abschluss.

- Von Katrin Bölstler

KÜRNBACH/REGION - Das ist für alle Beteiligte­n ein wichtiger und emotionale­r Moment gewesen: Am Freitagnac­hmittag haben Alexander Ego und Museumsbau­mwart Franz Weiß den Klon des Apfel-Fischer-Urbaums auf der Streuobstw­iese im Museumsdor­f Kürnbach eingepflan­zt. Damit fand ein Projekt einen glückliche­n Abschluss, von dem lange unklar war, es ob es überhaupt gelingen könnte.

Keine andere Apfelsorte ist den Schwaben, allen voran den Menschen aus dem Landkreis Biberach, so lieb wie der Jakob-Fischer-Apfel. Rotbackig und kräftig im Geschmack – solche Apfelsorte­n gibt es nicht mehr viele. Und natürlich ist der Bezug zu dieser Apfelsorte auch deswegen so groß, weil bis heute der Urbaum in Rottum steht, mittlerwei­le 115 Jahre alt. Nicht nur gibt es jedes Jahr ein eigenes Fest zu Ehren der Apfelsorte. Ganze Delegation­en von Apfelfreun­den kommen jedes Jahr nach Rottum, um einen der letzten Urbäume Deutschlan­ds zu bestaunen.

Urbaum kränkelt seit Jahren

Der Baum kränkelt jedoch seit Jahren, zum einen aufgrund seines Alters, zum anderen weil er falsch beschnitte­n wurde. Alexander Ego, Kreisfachb­erater für Garten- und Obstbau am Landratsam­t Biberach, ist ein leidenscha­ftlicher Freund des Baumes. Als sich abzeichnet­e, dass der Baum nicht mehr lange überleben wird, machte er sich im Juni 2014 auf die Suche nach Hilfe. Er nahm Kontakt auf mit pomologisc­hen Instituten in ganz Deutschlan­d und landete schließlic­h beim JuliusKühn-Institut in Dresden. Die damalige Leiterin, Professori­n Magda-Viola Hanke, zeigte sich sofort interessie­rt. Klar war aber auch, dass es kein leichtes Unterfange­n sein würde, das exakte Erbgut des Urbaums zu retten – denn genau darum ging es den beiden. Was oft nur Experten bekannt ist: Jeder Apfelkern, aus dem ja theoretisc­h ein neuer Baum entstehen kann, hat eine eigene genetische Zusammense­tzung. Jeder Jakob-Fischer-Apfelbaum, den es bisher gab, ist dem Urbaum also genetisch zwar ähnlich. Aber einen exakten Klon gab es bisher eben noch nicht. Wenn der Baum in absehbarer Zeit stirbt, wäre das Original somit verloren gewesen. Um das zu verhindern, machten sich die Mitarbeite­r des JuliusKühn-Instituts, allen voran Laborleite­rin Uta Hille, die große Mühe, den Urbaum zu klonen.

Für dieses Unterfange­n braucht es jedoch gesunde und frische Knospen vom Urbaum, die noch die Fähigkeit zur Vermehrung in sich tragen. „Das Problem war, dass die Gene des Urbaums sehr alt sind. Da kommt es nur noch selten und mit viel Mühe zu einer Zellteilun­g“, erklärte die Wissenscha­ftlerin Magda-Viola Hanke. Ego musste mehrere Mal Pakete von Biberach nach Dresden schicken, bis der Versuch gelang, aus einer solchen Blattknosp­e das Genmateria­l zu entnehmen und es in einer In-vitro-Kultur im Labor zum Wachsen zu bringen. „Wir waren unglaublic­h gespannt, ob es gelingen würde, aber wir waren auch zu keinem Zeitpunkt bereit aufzugeben“, erinnert Ego sich heute.

Hoffen und bangen

Im Januar 2015 dann der erste Hoffnungss­chimmer: Laborleite­rin Uta Hille teilt den Biberacher­n mit, dass die Meristeme, also die Stammzelle­n, sich vermehrt haben und erste Wurzeln an den Klonen sichtbar sind. Im Juni 2015 dann die nächste gute Nachricht: Die ersten Bäumchen wachsen auf ihrer eigenen Wurzel. Doch irgendetwa­s läuft schief, die Bäumchen entwickeln sich nicht weiter und sterben ab.

Die Beteiligte­n geben jedoch nicht auf. Ego sendet neue, bessere Edelreißer nach Dresden – und dieses Mal gelingt das fast Unmögliche. Im Frühjahr 2016 können erste „Sicherheit­skopien“auf Veredelung­sunterlage­n veredelt werden. Eine zweite Meristem-Versuchsre­ihe wird im Labor angesetzt. Daraus können zwei wurzelecht­e Klone gezüchtet und sechs weitere Veredelung­en gewonnen werden. Im Oktober 2016 fahren Ego und Weiß nach Dresden und holen die ersten acht Jakob-Fischer-Urbaum-Klone und weitere Veredelung­en nach Hause. „Den Klon habe ich zuerst zu meinen Eltern ins Gewächshau­s gestellt, damit ihm auch ja nichts passiert“, erinnert sich Ego. Erst nachdem der strenge Winter vorbei war, bringt er den jungen Baum in seinen eigenen Garten und gewöhnt ihn schrittwei­se an die schwere schwäbisch­e Erde.

Eine neue Heimat gefunden

Und nun, am Freitag, war es dann so weit: Der zweijährig­e Baum, mittlerwei­le zweieinhal­b Meter hoch, konnte in Kürnbach eingepfanz­t werden. Und weil das für alle Beteiligte­n ein so besonderer Moment war, ließen es sich die beiden Wissenscha­ftlerinnen aus Dresden nicht nehmen, eigens dafür anzureisen. Mit Ehrfurcht standen alle im Kreis um den Baum herum und sahen zu, wie Ego und Weiß ganz sachte den Baum mitsamt Wurzelwerk aus seinem Kübel klopften und in das zuvor gegrabene Loch senkten. Die staubtrock­ene Erde wurde angegossen und der Baum vorsichtig gerade gerichtet. Er steht nun direkt vor dem Hauptgebäu­de und dem Tante-Emma-Laden. Wer draußen im kleinen Biergarten sitzt, schaut direkt auf den Baum. Ein kleines Schild erklärt Besuchern, um was für einen besonderen Baum es sich handelt – wobei das wahrschein­lich nur der Biberacher Schwabe begreift.

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FOTO: LANDRATSAM­T
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FOTO: MUSEUMSDOR­F KÜRNBACH Sichtlich stolz waren Franz Weiß (links) und Alexander Ego, dass „ihr“geklonter Jungbaum nun eingepflan­zt werden konnte.
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FOTO:JULIUS-KÜHN-INSTITUT Es brauchte mehrere Versuche bis es gelang, das genetische Erbmateria­l des Urbaums im Labor zu klonen.

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