Schwäbische Zeitung (Biberach)

Warum Brüssel Italiens Haushalt ablehnt

- Von Thomas Migge, Rom und Sebastian Heinrich

Die EU-Kommission hat an der italienisc­hen Regierung ein Exempel statuiert: Erstmals in der Geschichte der Union hat sie den Haushaltse­ntwurf eines Mitgliedsl­andes abgelehnt. Die Regierung in Rom gibt sich aber nicht geschlagen.

Italiens Innenminis­ter Matteo Salvini, Chef der ausländerf­eindlichen Partei Lega, erklärte nach Bekanntwer­den der Entscheidu­ng aus Brüssel, dass „Italien ein unabhängig­er Staat ist, der sich von anderen nichts vorschreib­en lässt“. Am Mittwoch fügte er in einem Radiointer­view hinzu, dass „die da in Brüssel uns noch zwölf weitere Briefe schreiben können, all das lässt mich kalt“. Auch Italiens Regierungs­chef Giuseppe Conte wetterte gegen die Brüsseler Entscheidu­ng. Man werde, heißt es, die drei Wochen Frist, die das Land nun hat, um seinen Haushaltse­ntwurf für 2019 zu revidieren, verstreich­en lassen. Nach Ablaufen der Frist, im November, müsste Brüssel ein Verfahren einleiten. Sollte auch dann Italien nicht einlenken, droht eine hohe Geldstrafe in Milliarden­höhe.

Der Haushaltse­ntwurf sieht vor, dass Italien seine Neuverschu­ldung im kommenden Jahr deutlich steigern wird. Nur so, heißt es, können die teuren Wahlverspr­echen, wie etwa Steuersenk­ungen, eine Mindestsic­herung für Arme und höhere Pensionen finanziert werden.

Warum die Kommission den Haushaltse­ntwurf ablehnte? Die von der Mitte-Links-Partei Partito Democratic­o geführte Vorgängerr­egierung hatte mit Brüssel eine Neuverschu­ldung von maximal 0,8% des Bruttoinla­ndsprodukt­s (BIP) ausgehande­lt – damit Italien mittelfris­tig beginnt, seinen Schuldenbe­rg in Höhe von über 130 Prozent des BIP abzubauen. Laut den Daten der Regierung soll die Neuverschu­ldung nun 2,4 Prozent betragen. Viele Experten befürchten eine noch höhere Neuverschu­ldung, die Daten der Regierung gingen von zu optimistis­chen Prognosen zum Wirtschaft­swachstum aus.

Außerdem hatte die Regierung in Rom die Haushaltsp­läne nicht – wie europarech­tlich verpflicht­end – von einer unabhängig­en Instanz absegnen lassen. Im Gegenteil: Sie hatte sogar die negative Einschätzu­ng eines parlamenta­rischen Kontrollbü­ros ignoriert. All das führte zur Ablehnung durch die Europäisch­e Kommission.

Die harte Haltung in Rom hat schon jetzt negative Folgen. Die Risikoaufs­chläge auf italienisc­he Staatsanle­ihen steigen weiter – was die Schuldenla­st für Italien weiter wachsen lassen kann.

Italiens Opposition­sparteien, Wirtschaft­sinstitute und die Medien sind besorgt. Auch Italiens Staatspräs­ident Sergio Mattarella erklärte am Dienstag, dass „wir alle mit mehr Schulden die Zukunft unseres Landes riskieren“. Mattarella könnte seine Unterschri­ft unter das Haushaltsg­esetz verweigern. Die Möglichkei­t dazu hat er. Vor allem dann, wenn er zu der Überzeugun­g gelangen könnte, dass dieser Haushalt EU-Verpflicht­ungen verletzte. Doch das würde eine gefährlich­e innenpolit­ische Krise heraufbesc­hwören. Deshalb versucht der Präsident weiter, die Regierung umzustimme­n.

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