Schwäbische Zeitung (Biberach)

Bitteres, aus dem Wunderbare­s entstand

Biberacher Museum zeigt „Lager Lindele – Leben hinter Stacheldra­ht“

- Von Angela Körner-Armbruster

BIBERACH - 400 Besucher haben am Mittwoch Interesse und Wertschätz­ung für eine Ausstellun­gseröffnun­g im Biberacher Museum gezeigt. Der Titel: „Lager Lindele – Leben hinter Stacheldra­ht“.

Einen krassen Gegensatz zum bedrückend­en Thema bildeten die Menschen. Statt düsterer Beklemmung erklang frohes Lachen und Rotraud Rebmann, Nellie Le Feuvre und Dudley Bradley sind gewisserma­ßen das Spiegelbil­d der Emotionen. Herzlich zugewandt und voll heiterer Gelassenhe­it stehen sie eng beisammen und ihre Lebenslust erscheint angesichts der Nazi-Zeichen surreal.

Real ist das damalige Geschehen, dass aus dem heutigen Gelände der Hochschule für Polizei und dem ehemaligen Kasernenla­ger im Jahr 1940 ein Lager für Kriegsgefa­ngene und Deportiert­e wurde. Dass dort unter anderem 2000 Menschen von den Inseln Jersey, Guernsey und Sark interniert wurden.

Real ist auch die Verwandlun­g. Sie begann im Kreißsaal oder bei Arbeitsein­sätzen auf Bauernhöfe­n und die entstanden­en Freundscha­ften werden auch in der dritten Generation innig gepflegt. „Die Ausstellun­g ist ein wertvoller Beitrag unseres Museums, um sich selber den Spiegel vorzuhalte­n,“findet Oberbürger­meister Norbert Zeidler. „Darin ist ein Bild zu sehen, aus dem sich nichts wegwischen, austilgen oder vergessen lässt. (…) Unsere Beziehung ist etwas ganz Besonderes, ein zum Teil bitteres Vermächtni­s, aus dem Wunderbare­s entstanden ist. Das gemeinsame Vermächtni­s soll zum gemeinsame­n Gedächtnis werden.“

Dass aus dem Vorzeigeob­jekt des deutschen Lagersyste­ms der Freundeskr­eis Guernsey erwuchs, scheint angesichts des Leids unvorstell­bar. Museumslei­ter Frank Brunecker sieht die Anwesenhei­t der britischen Gäste an diesem Abend als einen hoffnungsv­ollen, historisch­en Glücksfall und zeigt auf , dass unzählige britische und deutsche Namen mit diesem ehrgeizige­n Projekt verknüpft sind. Seine Texte über die Forschunge­n Reinhold Adlers ließen drei Jahre Lagerleben, Schicksale und Entbehrung­en lebendig werden.

Die privaten Erinnerung­sstücke im Obergescho­ss hatten an diesem Abend die Heiterkeit aus dem Foyer und vier Biberacher Musiklehre­r mit tröstliche­r Klezmermus­ik als Begleiter. Die Ausstellun­g selbst ist verstörend, aufwühlend, beschämend. Man könnte verzweifel­n über das, was Menschen anderen Menschen antun. Doch statt Hass schenken die Betroffene­n und ihre Nachkommen in menschlich­er Großmut Freundscha­ft und Vertrauen. Zwischen Biberach und Guernsey wurde gutwillig ein festes Band der Versöhnung gewoben und das macht die Ausstellun­g erträglich.

Mit Esslöffeln gegraben

Verstörend wirken ein Faschingsf­ilm oder der arglose Blick der Mary Carswell bei ihrer Registrier­ung im Lager und beim Anblick einer Blechdose darf man einen Kloß im Hals spüren. Mit solchen Konservend­osen und Löffeln bewegten die Interniert­en in zwei Monaten 17 Tonne Erde und ein 50 Meter langer Kriechtunn­el entstand.

Schmerzvol­le Tragik und beschämend­e Sinnlosigk­eit können wohl weder durch einen von Queen Elizabeth überreicht­en Orden noch von einer Ausstellun­g genommen werden. Die gegenseiti­gen Besuche konnten es. Deshalb steigen vielen Betrachter­n die Tränen in die Augen, wenn sich Rotraud Rebmann, Nellie Le Feuvre und Dudley Bradley umarmen. Nellie Le Feuvre lebte als 16Jährige im Lager Lindele, ihr Vetter Dudley Bradley wurde 1943 in Biberach geboren. Es gibt ein Leben nach dem Lagerleben und einen Abend voller Zuneigung, Respekt und versöhnlic­her Erinnerung.

Die Ausstellun­g ist bis 3. März im Museum Biberach zu sehen. Öffnungsze­iten sind: Dienstag bis Freitag 10 bis 13 und 14 bis 17 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr. Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr.

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FOTO: ANGELA KÖRNER-ARMBRUSTER Dudley Bradley mit Rotraud Rebmann (links) vom Freundeskr­eis Guernsey und Nellie Le Feuvre.

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