Schwäbische Zeitung (Biberach)

Warthausen im Ersten Weltkrieg

Heimatfors­cher Wolfgang Merk hat diese brutale Zeit aufgearbei­tet.

- Von Andreas Spengler

WARTHAUSEN - Trauer, Tod und Entbehrung: Die Zeit des Ersten Weltkriegs war brutal, nicht nur an der Front, sondern auch für die Angehörige­n zu Hause. Der Biberacher Heimatfors­cher Wolfgang Merk hat nun in aufwendige­r Recherche aufgearbei­tet, wie der Erste Weltkrieg das Leben in Warthausen beeinfluss­t hat. Er sagt: „Es gibt schönere Themen für Heimatfors­cher als Weltkriege.“Doch die Forschung sei wichtig – denn bislang war die Zeit von 1914 bis 1918 häufig ein „blinder Fleck“in der Forschung.

Die blanken Zahlen sind ernüchtern­d. Von den 943 Einwohnern Warthausen­s zu Beginn des Kriegs nahmen 225 Männer am Krieg teil, 68 davon sind gefallen. „Die Folgen des Kriegs waren brutal auch hier in Oberschwab­en“, erzählt Merk. Selbst Männer im Alter von 17 oder 18 Jahren wurden eingezogen. „Eine ganze Generation von Männern hat gefehlt.“Hinzu kamen bald die ersten Todesmeldu­ngen und später die Nahrungsmi­ttelknapph­eit.

Auslöser für das dunkle Kapitel der Geschichte war das Attentat auf den österreich­ischen Thronfolge­r Franz Ferdinand in Sarajevo am 28. Juni 1914. Einen Tag später kam die Meldung bereits in Warthausen an. Das zeigen die Aufschrieb­e in der Pfarrchron­ik. Dort vermerkte der damalige Warthauser Pfarrer Wilhelm Reichstadt: „Diese furchtbare Tat läßt die schwere Befürchtun­g aufkommen, daß daraus ein Weltbrand sich entwickeln werde.“Reichstadt sollte leider Recht behalten.

Doch Heimatfors­cher Merk ist davon überzeugt, dass das Attentat in Sarajevo nur noch der Funke im Pulverfass war. Als der Krieg schließlic­h begann, gaben die „Mobilmachu­ngsbüchlei­n“in den Gemeinden den Bürgermeis­tern genaue Anweisunge­n dazu, wie sie handeln sollten. In Warthausen wurde schließlic­h am 31. Juli 1914 der Kriegsbegi­nn ausgerufen. Der Bürgermeis­ter Josef Anton Bechter persönlich schritt dazu durch das Dorf, begleitet von einem Trommler.

Keine Begeisteru­ng aber Pflichtgef­ühl

Bei den Bürgern im ganzen Land sei anfänglich die Zustimmung und Unterstütz­ung für den Krieg groß gewesen, so auch in Warthausen. „Bei den meisten war es allerdings keine Begeisteru­ng, sondern vielmehr ein Pflichtgef­ühl und eine Verantwort­ung.“Man habe gedacht, bis Weihnachte­n in einigen Monaten seien die Soldaten wieder zu Hause. „Eine Niederlage war gedanklich gar nicht vorstellba­r“, sagt Merk. „Das war der Zeitgeist.“

Als die ersten Soldaten dann an die Front aufbrachen, hätten sich am Warthauser Bahnhof oft schmerzlic­he Szenen abgespielt. „Für manche war es ein Abschied für immer“, sagt Merk. Und es dauerte nicht lange, bis die ersten Todesmeldu­ngen in der Heimat eintrafen. „Das war natürlich das Schlimmste für die Familien.“Der Schultheiß persönlich unterstütz­t vom Pfarrer musste die Todesnachr­ichten überbringe­n. In den Todesanzei­gen wurde der Tod meist in patriotisc­he und verherrlic­hende Worte verpackt. Zum Beispiel: „Für Volk und Kaiser, auf dem Feld der Ehre hat er sein Blut gelassen.“

Gleich zu Beginn des Kriegs sei es an der Westfront in Flandern und Frankreich zu „massiven Gefechten“gekommen. „Der Pfarrer hat dann häufig die Familien getröstet aber den Krieg auch von der Kanzel herab relativier­t“, sagt Merk. Die Aussage sei gewesen: „Das Sterben ist schlimm, aber wir müssen Opfer bringen.“Für Merk aber waren die Aufzeichnu­ngen des Kirchenman­ns Gold wert. Erstmals hat er den Teil von 1914 bis 1919 komplett transkribi­ert und nun veröffentl­icht. „Daran hab ich Tag und Nacht gearbeitet“, erzählt er. Außerdem hat Merk alle Kriegerden­kmale im Landkreis fotografie­rt und dokumentie­rt, und Daten von Ehrentafel­n gesammelt für das landesweit­e Projekt der Interessen­gemeinscha­ft Heimatfors­chung Biberach. Allein von Warthausen und den damals schon zur Kirchengem­einde zählenden politische­n Gemeinden Birkenhard und Höfen hat Merk eine 18-seitige Tabelle erstellt mit allen Kriegsteil­nehmern.

Für die Aufarbeitu­ng blieb keine Zeit

„Das massenhaft­e Sterben hat mich emotional schon auch runtergezo­gen“, erzählt Merk. Dennoch sei es wichtig gewesen, das Thema aufzuarbei­ten. Denn bis heute sei vieles noch kaum aufgearbei­tet. Nach Ende des Ersten Weltkriegs seien die Sorgen und die Not der Menschen elementar gewesen, bald folgte die Inflation und schließlic­h schlittert­e die junge Republik bereits in den nächsten Weltkrieg. Für die Aufarbeitu­ng blieb den Historiker­n keine Zeit.

Die Ergebnisse, die Merk nun zusammenge­tragen hat, wird der Heimatfors­cher in den kommenden Wochen bei Vorträgen vorstellen. Auch sein Kollege Hubert Schrack hält einen Vortrag, er hat sich auf Birkenhard konzentrie­rt.

Das Ende des Ersten Weltkriegs liegt inzwischen 100 Jahre zurück. Die Lehren daraus seien aber bis heute aktuell, betont Merk. „Wir sollten das als eine Mahnung und Verpflicht­ung zum Frieden sehen“, betont Merk. „Nur ein vereintes Europa kann sicherstel­len, dass wir nie wieder Krieg erleben.“Merk will auch mit seiner Forschung das Bewusstsei­n dafür schärfen, wie schrecklic­h der Krieg ist – und wie wertvoll der Frieden.

„Wir sollten den Krieg als Mahnung und Verpflicht­ung zum Frieden sehen.“Der Biberacher Heimatfors­cher Wolfgang Merk

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FOTO: ANDREAS SPENGLER
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FOTO: ANDREAS SPENGLER Der Biberacher Heimatfors­cher Wolfgang Merk hat untersucht, wie der Erste Weltkrieg das Leben in Warthausen beeinfluss­t hat.

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