Schwäbische Zeitung (Biberach)
Warthausen im Ersten Weltkrieg
Heimatforscher Wolfgang Merk hat diese brutale Zeit aufgearbeitet.
WARTHAUSEN - Trauer, Tod und Entbehrung: Die Zeit des Ersten Weltkriegs war brutal, nicht nur an der Front, sondern auch für die Angehörigen zu Hause. Der Biberacher Heimatforscher Wolfgang Merk hat nun in aufwendiger Recherche aufgearbeitet, wie der Erste Weltkrieg das Leben in Warthausen beeinflusst hat. Er sagt: „Es gibt schönere Themen für Heimatforscher als Weltkriege.“Doch die Forschung sei wichtig – denn bislang war die Zeit von 1914 bis 1918 häufig ein „blinder Fleck“in der Forschung.
Die blanken Zahlen sind ernüchternd. Von den 943 Einwohnern Warthausens zu Beginn des Kriegs nahmen 225 Männer am Krieg teil, 68 davon sind gefallen. „Die Folgen des Kriegs waren brutal auch hier in Oberschwaben“, erzählt Merk. Selbst Männer im Alter von 17 oder 18 Jahren wurden eingezogen. „Eine ganze Generation von Männern hat gefehlt.“Hinzu kamen bald die ersten Todesmeldungen und später die Nahrungsmittelknappheit.
Auslöser für das dunkle Kapitel der Geschichte war das Attentat auf den österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo am 28. Juni 1914. Einen Tag später kam die Meldung bereits in Warthausen an. Das zeigen die Aufschriebe in der Pfarrchronik. Dort vermerkte der damalige Warthauser Pfarrer Wilhelm Reichstadt: „Diese furchtbare Tat läßt die schwere Befürchtung aufkommen, daß daraus ein Weltbrand sich entwickeln werde.“Reichstadt sollte leider Recht behalten.
Doch Heimatforscher Merk ist davon überzeugt, dass das Attentat in Sarajevo nur noch der Funke im Pulverfass war. Als der Krieg schließlich begann, gaben die „Mobilmachungsbüchlein“in den Gemeinden den Bürgermeistern genaue Anweisungen dazu, wie sie handeln sollten. In Warthausen wurde schließlich am 31. Juli 1914 der Kriegsbeginn ausgerufen. Der Bürgermeister Josef Anton Bechter persönlich schritt dazu durch das Dorf, begleitet von einem Trommler.
Keine Begeisterung aber Pflichtgefühl
Bei den Bürgern im ganzen Land sei anfänglich die Zustimmung und Unterstützung für den Krieg groß gewesen, so auch in Warthausen. „Bei den meisten war es allerdings keine Begeisterung, sondern vielmehr ein Pflichtgefühl und eine Verantwortung.“Man habe gedacht, bis Weihnachten in einigen Monaten seien die Soldaten wieder zu Hause. „Eine Niederlage war gedanklich gar nicht vorstellbar“, sagt Merk. „Das war der Zeitgeist.“
Als die ersten Soldaten dann an die Front aufbrachen, hätten sich am Warthauser Bahnhof oft schmerzliche Szenen abgespielt. „Für manche war es ein Abschied für immer“, sagt Merk. Und es dauerte nicht lange, bis die ersten Todesmeldungen in der Heimat eintrafen. „Das war natürlich das Schlimmste für die Familien.“Der Schultheiß persönlich unterstützt vom Pfarrer musste die Todesnachrichten überbringen. In den Todesanzeigen wurde der Tod meist in patriotische und verherrlichende Worte verpackt. Zum Beispiel: „Für Volk und Kaiser, auf dem Feld der Ehre hat er sein Blut gelassen.“
Gleich zu Beginn des Kriegs sei es an der Westfront in Flandern und Frankreich zu „massiven Gefechten“gekommen. „Der Pfarrer hat dann häufig die Familien getröstet aber den Krieg auch von der Kanzel herab relativiert“, sagt Merk. Die Aussage sei gewesen: „Das Sterben ist schlimm, aber wir müssen Opfer bringen.“Für Merk aber waren die Aufzeichnungen des Kirchenmanns Gold wert. Erstmals hat er den Teil von 1914 bis 1919 komplett transkribiert und nun veröffentlicht. „Daran hab ich Tag und Nacht gearbeitet“, erzählt er. Außerdem hat Merk alle Kriegerdenkmale im Landkreis fotografiert und dokumentiert, und Daten von Ehrentafeln gesammelt für das landesweite Projekt der Interessengemeinschaft Heimatforschung Biberach. Allein von Warthausen und den damals schon zur Kirchengemeinde zählenden politischen Gemeinden Birkenhard und Höfen hat Merk eine 18-seitige Tabelle erstellt mit allen Kriegsteilnehmern.
Für die Aufarbeitung blieb keine Zeit
„Das massenhafte Sterben hat mich emotional schon auch runtergezogen“, erzählt Merk. Dennoch sei es wichtig gewesen, das Thema aufzuarbeiten. Denn bis heute sei vieles noch kaum aufgearbeitet. Nach Ende des Ersten Weltkriegs seien die Sorgen und die Not der Menschen elementar gewesen, bald folgte die Inflation und schließlich schlitterte die junge Republik bereits in den nächsten Weltkrieg. Für die Aufarbeitung blieb den Historikern keine Zeit.
Die Ergebnisse, die Merk nun zusammengetragen hat, wird der Heimatforscher in den kommenden Wochen bei Vorträgen vorstellen. Auch sein Kollege Hubert Schrack hält einen Vortrag, er hat sich auf Birkenhard konzentriert.
Das Ende des Ersten Weltkriegs liegt inzwischen 100 Jahre zurück. Die Lehren daraus seien aber bis heute aktuell, betont Merk. „Wir sollten das als eine Mahnung und Verpflichtung zum Frieden sehen“, betont Merk. „Nur ein vereintes Europa kann sicherstellen, dass wir nie wieder Krieg erleben.“Merk will auch mit seiner Forschung das Bewusstsein dafür schärfen, wie schrecklich der Krieg ist – und wie wertvoll der Frieden.
„Wir sollten den Krieg als Mahnung und Verpflichtung zum Frieden sehen.“Der Biberacher Heimatforscher Wolfgang Merk