Schwäbische Zeitung (Biberach)
Großes Interesse an Selbsthilfegruppe für verwaiste Eltern
Mit der Trauer nicht alleine sein – Auftaktveranstaltung gut besucht
BIBERACH (joe) - Das Interesse an der Auftaktveranstaltung zur Selbsthilfegruppe verwaiste Eltern Biberach „KonTiki“hat die Veranstalter ein wenig überrascht. 100 Interessierte waren in die Sinnwelt im Jordanbad gekommen, um sich zu informieren und auch, um mit ihrer Trauer nicht alleine zu sein.
Eigentlich müsste es ein Gesetz geben, dass Kinder niemals vor den Eltern sterben dürfen, so Joachim Amann zur Gründung der Trauergruppe. Für den Umgang mit dem Tod gebe es kein Handbuch und keine Todo-Liste. Da brauche es Menschen, die einen an der Hand nehmen und begleiten. Er bewundere den Mut von Sonja Schelkle und Sonja Schädler, die bereit seien, das weiterzutragen, was sie erlebt haben. „KonTiki“sei ein Verein, bei dem man ganz sicher nicht dabei sein wolle.
Jeder sei sterblich, jeder verliere im Leben einen Menschen, den er liebt und es sei schwer, das anzunehmen, sagte Sonja Schelkle von „KonTiki“und weiter: „Es fordert uns heraus, das Leben, es fordert uns heraus mit dem Tod. Und was in einem selbst für Gefühle sind, ist manchmal schwer zu verarbeiten.“
Weg zurück ins Leben schaffen
So stellt sich auch für Joachim Schmucker, vom Kompetenzzentrum ambulante Hospizarbeit und der Kontaktstelle Trauer der Caritas die Frage: „Was sage ich als Vater zweier Töchter zu Menschen, die etwas erlebt haben, was für mich das Unerträglichste ist – was ich mir gar nicht vorstellen will – nämlich die eigenen Kinder zu überleben.“Den Weg zurück ins Leben schaffe man nur, wenn man mit seiner Trauer nicht alleine bleibe und einen Weg finde, damit umzugehen. Der Trauergruppe wünsche er, dass sich all jene an sie richten, die die Unterstützung brauchen werden.
Die beiden Schauspielerinnen Simone Schmitt und Christine Holzer vom Improvisationstheater „TABUtanten“nahmen die Gäste mit in eine ergreifende, aufwühlende, zum Teil auch lustige Auseinandersetzung mit der Trauer und mit dem Tabuthema Tod, die eine befreiende Wirkung hatte. Improvisationstheater funktioniere im Miteinander, erklärten die beiden Schauspielerinnen. So holten sie sich Stichworte aus dem Publikum, die sie in kurzen Theaterstücken aufgriffen und dabei die ganze Palette der Gefühlswelt streiften. Reinigungskraft Hedwig erinnerte sich an ihre Freundschaft zum schwer kranken Nachbarskind, mit dem sie ein Malbuch voller Insekten ausgemalt habe. Ganz besonders hatten dem Mädchen Zitronenfalter gefallen. Als sie nach dem Tod des Mädchens im Wald spaziert sei, habe sich ein Zitronenfalter auf ihrer Jacke niedergelassen.
Von Friedhofsnachbarschaften erzählten die beiden, wo sich unterschiedliche Arten der Erinnerungsverarbeitung und der Trauerarbeit aufzeigen und neue Bekanntschaften entstehen. Und von Begegnungen im Jenseits, von Kindern, die es schön fänden, wenn ihre Eltern und Geschwister am Geburtstag an ihrem Grab auch Kuchen essen und Musik hören würden und nicht so traurig wären, denn irgendwann kämen sie ja eh alle „hierher“.
Es schien, als wäre die Stimmung eine leichtere als zum Beginn des Abends, auch Gelächter war zu hören. Der Strudel der Gefühle aber bleibe, ausgelöst dadurch, dass ein junges Leben ausgelöscht wurde, das vom Leben noch nicht genug gekostet habe, so Schelkle. Immer wieder aufs Neue würden die Gefühle unter Wut und Tränen miteinander geordnet, aber der Strudel bleibe.