Schwäbische Zeitung (Biberach)
Autohersteller stellen beim Diesel auf stur
BMW-Chef lehnt Hardware-Nachrüstungen vor dem Gipfel erneut ab – Kritik von Özdemir
BERLIN - Die Erwartungen sind groß, wenn Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) heute in Berlin ein weiteres Mal zu einem Dieselgipfel mit den Chefs der größten deutschen Automobilhersteller Daimler, Volkswagen und BMW zusammenkommt. „Bei der Nachrüstung von DieselPkw müssen wir noch einmal nachverhandeln“, kündigte Scheuer an. Ziel der Bundesregierung ist es, dass die Hersteller die Kosten für die Hardware-Nachrüstungen übernehmen. Dies verweigern die Konzerne jedoch weiterhin. BMW-Chef Harald Krüger erklärte am Mittwoch in München, andere Länder „setzten konsequent auf eine Erneuerung der Flotten oder fördern E-Mobilität“. Nur in Deutschland stehe eine Hardware-Nachrüstung im Fokus.
Der Druck auf die Hersteller steigt jedoch parteiübergreifend. „Ich erwarte von Verkehrsminister wie Autobossen, dass sie jetzt schnellstmöglich den Weg frei machen für Nachrüstungen auf Herstellerkosten“, sagte Cem Özdemir (Grüne), der Chef des Verkehrsausschusses im Bundestag, der „Schwäbischen Zeitung“. Alles andere verlängere „den Schaden für Politik, unsere Industrie und vor allem für die Gesundheit der Bürger“. Auch Städtetagspräsident Markus Lewe (CDU) forderte am Mittwoch verbindliche Zusagen der Industrie.
Ob diese sich jedoch bewegen wird, ist fraglich. Würden die Konzerne nachgeben, ohne dafür gesetzlich verpflichtet zu sein, könnten sie womöglich ihre Aktionäre gegen sich aufbringen. BMW-Chef Krüger betonte erneut seine grundsätzliche Ablehnung: Eine Erneuerung der Dieselflotte sei „deutlich effizienter und schneller wirksam als eine Umrüstung von Hardware“.
Dafür wirbt nun das Kraftfahrzeugbundesamt (KBA) in einem Schreiben an Dieselfahrer. Als „ausschließliche“Ansprechpartner werden darin BMW, Daimler und Volkswagen genannt, nicht jedoch Renault, das ebenfalls Umtauschprämien anbietet. Dafür gab es nun Kritik. Der „Werbebrief “zeige „beschämend deutlich“, wie eng die Bande zwischen Ministerium und Industrie sei, sagte Özdemir. „Statt unabhängig zu kontrollieren, wirbt das KBA für den Autokauf.“
BERLIN - Im Kampf gegen Luftverschmutzung und Fahrverbote kommt die Bundesregierung langsamer voran als geplant. Beim Dieselgipfel am Donnerstag will Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit deutschen Autobauern um die Finanzierung von Hardware-Nachrüstungen reden. Die Regierung dringt auf Bewegung der Autoindustrie.
Wie ist der Stand der Dinge?
Die Bundesregierung hatte ein Maßnahmenpaket beschlossen, um Fahrverbote zu verhindern. Dieses sieht auch Hardware-Nachrüstungen vor. Allerdings weigern sich die Hersteller bisher, die vollen Kosten hierfür zu übernehmen, wie die Regierung es fordert. Zudem fehlen die gesetzlichen und produktionstechnischen Voraussetzungen, um eine Großzahl Dieselautos schnell mit Stickoxid-Katalysatoren auszustatten. Eigentlich sollte das betreffende Immissionsschutzgesetz, in dem auch die Aufweichung der Grenzwerte geregelt wird, am Mittwoch im Bundeskabinett verabschiedet werden, doch laut Regierung sind noch „Detailfragen“offen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags bezweifelt ohnehin, ob das Gesetz Richter davon abhalten kann, Fahrverbote zu verhängen.
Was hat das Kabinett vereinbart?
Beschlossen hat das Kabinett am Mittwoch ein Gesetz, durch das Dieselfahrverbote einfacher durchgesetzt werden können. Künftig sollen Polizei und Ordnungsamt über das Kennzeichen im Zentralen Fahrzeugregister überprüfen, ob ein Diesel rechtmäßig in der Innenstadt fährt oder nicht. Relevant werden könnte das nach Hamburg, Stuttgart und Berlin vielleicht bald auch in Köln.
Welche Städte sind bereits betroffen?
In vielen Städten werden SchadstoffGrenzwerte nicht eingehalten. In Hamburg gibt es Streckensperrungen für ältere Diesel. Gerichte hatten Fahrverbote auch für Stuttgart, Berlin und Frankfurt angeordnet, die 2019 in Kraft treten könnten. Am Donnerstag könnte ein Gericht erneut Fakten schaffen bei Fahrverboten: Das Verwaltungsgericht Köln befasst sich mit Klagen der Deutschen Umwelthilfe. Dabei geht es um die Luftreinhaltepläne für Köln und Bonn.
Wie lauten die weiteren Pläne?
Über das Bundesimmissionsschutzgesetz will die Bundesregierung in Städten mit relativ geringen Überschreitungen der Grenzwerte für Stickoxide Dieselfahrverbote für „in der Regel“nicht verhältnismäßig erklären, da andere Maßnahmen genügten. Der Grenzwert liegt bei 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter, in Städten mit Höchstwerten von bis zu 50 Mikrogramm soll es keine Fahrverbote geben. Zudem sollte festgeschrieben werden, dass Dieselfahrzeuge der Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 von Fahrverboten ausgenommen werden, wenn sie im Alltag nicht mehr als 270 Milligramm Stickstoffdioxid pro Kilometer ausstoßen, etwa wenn sie nachgerüstet wurden. Euro-6-Diesel sollen ebenfalls ausgenommen sein, unabhängig vom Stickoxid-Ausstoß. Ein Sprecher von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) betonte, die EU-Grenzwerte blieben gültig, Kommunen könnten weiter selbst über Fahrverbote entscheiden.