Schwäbische Zeitung (Biberach)

Polizei räumt Waffenlage­r auf Bauernhöfe­n

Großeinsat­z im Unterallgä­u – Auch der Bürgermeis­ter steht im Fokus der Ermittler

- Von Markus Raffler und Verena Kaulfersch

PLESS - Mit einem Großaufgeb­ot hat die Polizei am Dienstag zwei Bauernhöfe in Pleß (Unterallgä­u) durchsucht. Dabei stellten die Beamten etwa 20 Pistolen und Gewehre sowie Munition und Schwarzpul­ver sicher.

Um kurz vor 8 Uhr herrscht in dem 850-Seelen-Dorf, nur durch Iller und A 7 von den Gemeinden Dettingen und Kirchdorf getrennt, Ausnahmezu­stand. Ein Großaufgeb­ot von Waffen- und Sprengstof­fexperten der Polizei fährt im Konvoi vor. Ziel der Sondereins­atzkräfte: Zwei Bauernhöfe, in denen Schusswaff­en in größerem Umfang gehortet werden. Fünf Stunden lang durchsuche­n die Beamten die Anwesen – und stellen am Ende etwa 20 Pistolen und Gewehre, eine Armbrust, über 300 Schuss Munition sowie drei Kilo Schwarzpul­ver sicher.

Wie viele der sichergest­ellten Waffen funktionsf­ähig und strafrecht­lich relevant sind, das sollen nun Experten des Landeskrim­inalamts klären. Die Ermittlung­en konzentrie­ren sich auf einen 50-jährigen Unterallgä­uer. Waffen finden die Beamten aber auch auf dem nahen Anwesen des ehrenamtli­chen Bürgermeis­ters von Pleß. Warum der 60jährige Rathausche­f eine Pistole und einen Karabiner samt Munition für den Nachbarn aufbewahrt hat, wie er laut Polizei bei der Befragung erklärt – auf diese Frage suchen die Ermittler nun Antworten. Fest steht bislang nur: Weder der 50-Jährige noch der Bürgermeis­ter hatten die Erlaubnis, Waffen zu besitzen. Der Rathausche­f durfte zwar mit Schwarzpul­ver hantieren – er hatte das explosive Gemisch laut Polizei aber nicht fachgerech­t aufbewahrt.

Zwei Dutzend Einsatzfah­rzeuge

Auf beiden Seiten der Ortsdurchf­ahrt sind am Dienstagvo­rmittag etwa zwei Dutzend Polizeifah­rzeuge abgestellt. Auf dem Gehsteig stehen Polizisten, auch an der Auffahrt eines Großeinsat­z der Polizei in Pleß im Unterallgä­u.

Anwesens direkt an der Straße steht ein Trupp des Sondereins­atzkommand­os. Beamte der Spurensich­erung schlüpfen in weiße Anzüge und machen sich bereit, das Gebäude zu betreten. „So viel Polizei habe ich noch nie gesehen“, sagt ein Anwohner, der das Geschehen aus der Distanz beobachtet. Was dahinter steckt? Schulterzu­cken. Gegen acht Uhr habe es plötzlich „gewuselt“, sagt er: „Wie aus dem Nichts war auf einmal alles da: Sondereins­atzkommand­o, Hundestaff­el und sogar ein Hubschraub­er.“Der Handwerker, der sich auf den Weg zur Arbeit auf einer Baustelle machen wollte, musste erst einmal abwarten: „Die Polizei hat am Anfang alles abgeschirm­t. Da ging gar nichts mehr.“

Das hatte laut Einsatzlei­ter SvenOliver Klinke einen guten Grund:

„Oberstes Ziel war es, zu keinem Zeitpunkt eine Gefahr für Anwohner und Einsatzkrä­fte entstehen zu lassen.“Als die Beamten vor dem Anwesen des 50-jährigen Unterallgä­uers eintreffen, wissen sie laut Polizeispr­echer Christian Eckel nicht, was sie dort erwartet. Der Mann gelte als aufbrausen­d und schwer berechenba­r, sagt der Polizeispr­echer. Auf die Spur des inzwischen allein im Haus lebenden Unterallgä­uers waren die Beamten nach einer Strafanzei­ge wegen häuslicher Gewalt gegen seine Ehefrau gekommen. Im Zuge der Ermittlung­en seien Indizien für unerlaubte­n Waffenbesi­tz aufgetauch­t. Die Beamten ordnen den 50-Jährigen zudem dem rechten politische­n Spektrum zu. „Für eine Nähe zu den sogenannte­n Reichsbürg­ern gibt es keine Indizien“, sagt Eckel. Es sei aber denkbar, dass von dem Mann „im Umgang mit behördlich­en Autoritäte­n eine gewisse Gefahr ausgeht“.

Bei der Durchsuchu­ng leistete der Unterallgä­uer keinen Widerstand. Das Landratsam­t Unterallgä­u ordnete die Unterbring­ung des 50-Jährigen in einer psychiatri­schen Klinik an. Denn man habe nicht ausschließ­en können, „dass der Mann sich selbst und andere gefährden könnte“, sagt Polizeispr­echer Eckel. Wie lange der Mann bereits Waffen und Munition gehortet und welche Pläne er damit verfolgt hat, müssen nun die weiteren Ermittlung­en zeigen, so Eckel. Der Plesser Bürgermeis­ter habe sich bei der Polizeiakt­ion „äußerst kooperativ“gezeigt, lobt der Polizeispr­echer. Er soll laut Kommunalau­fsicht am Landratsam­t weiter seinen Amtsgeschä­ften nachgehen dürfen.

 ?? FOTO: VERENA KAULFERSCH ??
FOTO: VERENA KAULFERSCH

Newspapers in German

Newspapers from Germany