Schwäbische Zeitung (Biberach)

Den Nächsten lieben wie Sankt Martin

- Vonv Wolfgang Mast

Morgen, an Sankt Martin, finden vielerorts Martinsumz­üge statt, die meist von den örtlichen Kindergärt­en organisier­t werden. Dabei ziehen Kinder mit bunten Lampions singend durch die Straßen. Im Mittelpunk­t der Martinsumz­üge steht immer der römische Offizier Martinus, hoch zu Ross und in Ritterrüst­ung, der durch seine Mantelteil­ung berühmt und zum Patron der Nächstenli­ebe geworden ist.

Nachstenli­ebe ist auch die klare Botschaft Jesu: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“(Lk 10,27). Gotteslieb­e und Nächstenli­ebe und Selbstlieb­e gehören für den Christen zum zentralen Gebot. Ohne diese dreifache Liebe lebt der Mensch an seinem Wesen vorbei. Das gilt nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Gesellscha­ft, denn eine Gesellscha­ft ohne Nächstenli­ebe erstarrt.

Nächstenli­ebe ist für mich der spontane Impuls dem, der gerade unsere Hilfe braucht, beizustehe­n; das heißt, sich spontan auf den Menschen einzulasse­n, den wir in seiner Not wahrnehmen, und das tun, was in unserer Hand liegt. Es ist eine Sorge für den anderen, die aus dem Herzen kommt.

Martin, der römische Offizier, hat die Not des Bettlers erkannt, und dadurch wird der für ihn zum Nächsten. Einem anderen Menschen zu helfen, entspricht dem Wesen des Menschen. Jesus selbst identifizi­ert sich mit jedem Hilfsbedür­ftigen: „Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben; ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben; ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenomme­n; ich war nackt, und ihr habt mir Kleidung gegeben; ich war krank, und ihr habt mich besucht; ich war im Gefängnis, und ihr seid zu mir gekommen“(Mt 25,35).

Und so wie Martin, in der Legende von der Mantelteil­ung, Jesus nachts im Traum mit seinem halben Soldatenma­ntel erschien und zu ihm sprach: „Martin hat mich mit diesem Mantel bekleidet“, so begegnet auch uns in jedem Fremden, Heimatlose­n, Hungernden Christus selbst. Das Antlitz Jesu wird in ihm sichtbar. Deshalb sollen wir jedem Menschen, der unserer Hilfe bedarf, diese unter Beibehaltu­ng seiner Würde zukommen lassen.

Auch unsere heutige Gesellscha­ft braucht Barmherzig­keit, damit sie nicht verroht, sondern milder und wärmer, barmherzig­er und hilfsberei­ter wird. Und auch für uns gelten heute noch die Worte, die Jesus vor 2000 Jahren gesprochen hat: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“(Mt 25,40).

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FOTO: PRIVAT Wolfgang Mast, Diakon katholisch­e Kirchengem­einde St. Martin, Biberach

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