Schwäbische Zeitung (Biberach)
Der Buhmann der CSU
Vom Antreiber zum Getriebenen, vom Mehrheitsbeschaffer zum Buhmann der Union: Horst Seehofer hat einen schwindelerregenden Abstieg hinter sich. Seine Partei, die CSU, ist mit ihm abgestiegen. Aber Seehofer trägt nicht die Hauptschuld daran. Seit Januar 2015 hat der scheidende Parteichef getan, was viele in der CSU – an der Basis wie an der Spitze – von ihm wollten.
Im Januar 2015, auf der traditionellen Klausur von Wildbad Kreuth, schwärmten führende CSU-Politiker noch von einer Bundesregierung mit absoluter Mehrheit der Union. Die CSU lag in Bayern bei Umfragewerten von 50 Prozent. Das Zusammenspiel zwischen CDU und CSU funktionierte so: Die CDU um Kanzlerin Angela Merkel warb erfolgreich um Wähler in der politischen Mitte und leicht links davon, die Seehofer-CSU band mit markigen Sprüchen zu Migration und Leitkultur auch moderat rechte Wähler. Wer in Bayern die CDU gut fand, wählte CSU – wer außerhalb Bayerns mit der CSU sympathisierte, wählte CDU. Dann kam der Sommer 2015, kamen Hunderttausende Flüchtlinge – und der Kontrollverlust der CSU. Die AfD jagte der Union rechts der Mitte Stimmen ab, die CDU-Spitze reagierte gar nicht, die CSU panisch. Horst Seehofer polterte gegen die Regierung, deren Teil seine Partei war – unter dem Applaus seiner Basis.
Mit dieser Strategie hat nicht nur Horst Seehofer versagt, sondern die gesamte Parteispitze: Bis in den Sommer 2018 verfolgte auch Markus Söder sie, Seehofers Nachfolger als bayerischer Ministerpräsident: mit Provokationen vom Kreuzerlass bis zum Gerede von „Asyltourismus“.
Die CSU ist damit krachend gescheitert. Horst Seehofer verkörpert dieses Scheitern. Doch mit Seehofers Abgang sind die Gründe dafür nicht beseitigt. Die CSU braucht jetzt wieder eine Führung, die in einer veränderten Parteienlandschaft Wähler von rechtskonservativ bis christlichliberal anzieht. So groß die Fehler sein mögen, die Horst Seehofer seit 2015 gemacht hat: Er hat diese Aufgabe zuvor jahrelang erfüllt. Wer auf ihn folgt, muss ihm das erst einmal nachmachen.
s.heinrich@schwaebische.de