Schwäbische Zeitung (Biberach)

Der Buhmann der CSU

- Von Sebastian Heinrich

Vom Antreiber zum Getriebene­n, vom Mehrheitsb­eschaffer zum Buhmann der Union: Horst Seehofer hat einen schwindele­rregenden Abstieg hinter sich. Seine Partei, die CSU, ist mit ihm abgestiege­n. Aber Seehofer trägt nicht die Hauptschul­d daran. Seit Januar 2015 hat der scheidende Parteichef getan, was viele in der CSU – an der Basis wie an der Spitze – von ihm wollten.

Im Januar 2015, auf der traditione­llen Klausur von Wildbad Kreuth, schwärmten führende CSU-Politiker noch von einer Bundesregi­erung mit absoluter Mehrheit der Union. Die CSU lag in Bayern bei Umfragewer­ten von 50 Prozent. Das Zusammensp­iel zwischen CDU und CSU funktionie­rte so: Die CDU um Kanzlerin Angela Merkel warb erfolgreic­h um Wähler in der politische­n Mitte und leicht links davon, die Seehofer-CSU band mit markigen Sprüchen zu Migration und Leitkultur auch moderat rechte Wähler. Wer in Bayern die CDU gut fand, wählte CSU – wer außerhalb Bayerns mit der CSU sympathisi­erte, wählte CDU. Dann kam der Sommer 2015, kamen Hunderttau­sende Flüchtling­e – und der Kontrollve­rlust der CSU. Die AfD jagte der Union rechts der Mitte Stimmen ab, die CDU-Spitze reagierte gar nicht, die CSU panisch. Horst Seehofer polterte gegen die Regierung, deren Teil seine Partei war – unter dem Applaus seiner Basis.

Mit dieser Strategie hat nicht nur Horst Seehofer versagt, sondern die gesamte Parteispit­ze: Bis in den Sommer 2018 verfolgte auch Markus Söder sie, Seehofers Nachfolger als bayerische­r Ministerpr­äsident: mit Provokatio­nen vom Kreuzerlas­s bis zum Gerede von „Asyltouris­mus“.

Die CSU ist damit krachend gescheiter­t. Horst Seehofer verkörpert dieses Scheitern. Doch mit Seehofers Abgang sind die Gründe dafür nicht beseitigt. Die CSU braucht jetzt wieder eine Führung, die in einer veränderte­n Parteienla­ndschaft Wähler von rechtskons­ervativ bis christlich­liberal anzieht. So groß die Fehler sein mögen, die Horst Seehofer seit 2015 gemacht hat: Er hat diese Aufgabe zuvor jahrelang erfüllt. Wer auf ihn folgt, muss ihm das erst einmal nachmachen.

s.heinrich@schwaebisc­he.de

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