Schwäbische Zeitung (Biberach)

Söder baut sein Kabinett um

Beamtenbun­dchef fordert vom Land mehr Geld und weniger Arbeitszei­t für Bedienstet­e

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MÜNCHEN (lby) - Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hat sein neues Kabinett verjüngt und stärker umgebaut als erwartet: So berief er Junge-Union-Landeschef Hans Reichhart zum Bau- und Verkehrsmi­nister. Als Digitalmin­isterin wurde am Montag in München die erst 33-jährige Judith Gerlach (CSU) vereidigt. Neuer Justizmini­ster ist Georg Eisenreich (CSU). Nicht mehr Teil der Regierung sind unter anderem der bisherige Justizmini­ster Winfried Bausback sowie Marion Kiechle (Wissenscha­ft).

STUTTGART - Fünf Jahre war er Stellvertr­eter, seit einem Jahr ist Kai Rosenberge­r an der Spitze des baden-württember­gischen Beamtenbun­ds: Im Gespräch mit Kara Ballarin zieht er eine erste Bilanz. Sein wichtigste­s Ziel: Beamte in niedrigen Besoldungs­stufen müssen dringend mehr verdienen, die Wochenarbe­itszeit muss sinken. Hierzu hat er für die Landesregi­erung einen Vorschlag.

Herr Rosenberge­r, was hat Sie überrascht, nachdem Sie Landesvors­itzender wurden?

Um den Lehrerbere­ich musste ich mich als stellvertr­etender Vorsitzend­er praktisch nicht kümmern, da mein Vorgänger Volker Stich den Lehrerbere­ich selbst abgedeckt hatte. Da ist die Not schon sehr groß und die Arbeitsbel­astung extrem hoch. Es gibt viele, die es einfach nicht mehr schaffen, ein volles Deputat auszufülle­n. Deshalb finde ich auch den Ansatz von Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann falsch, Teilzeit nicht mehr wegen persönlich­er Gründe zu gewähren. Der Lehrerberu­f büßt dadurch viel von seiner Anziehungs­kraft ein. Etwas schockiert hat mich zudem die Situation im Justizbere­ich.

Was liegt hier im Argen?

Ich habe mich letztens mit einem Oberwachtm­eister unterhalte­n, der 59 Jahre alt ist und nach Besoldungs­gruppe A6 bezahlt wird. Das sind ungefähr 2000 Euro netto am Ende seines Arbeitsleb­ens. Das ist einfach zu wenig. Ein Gutachten hat gezeigt, dass es nicht verfassung­skonform ist, Beamte nach A5 und A6 zu bezahlen, wenn sie in einer größeren Stadt wohnen und voll arbeiten. Das trifft die Justiz-, die Steuer- und die Kommunalve­rwaltung.

Sollten die betroffene­n Beamten eine Zulage bekommen?

Bayern zahlt eine Großstadtz­ulage. In Baden-Württember­g gibt es aber viel mehr Städte mit hochpreisi­gem Niveau, da wird die Abgrenzung schwierig. Was ist beispielsw­eise mit Friedrichs­hafen oder Überlingen? Die betroffene­n Kollegen sollten besser in A7 und A8 eingestuft werden. Eine andere Möglichkei­t wäre, die Beihilfebe­dingungen wieder zu ändern.

Wie würde sich das auswirken?

Beamte, die ab 2013 angefangen haben, bekommen in der Pension nur noch 50 Prozent und nicht mehr 70 Prozent Beihilfe. Deshalb müssen sie heute schon mehr in die Krankenver­sicherung einzahlen. Bei einem verheirate­ten Beamten mit zwei Kindern kann das 200 Euro pro MoFinanzmi­nisterin

nat ausmachen. Das handhabt kein anderes Land so.

Sind Beamte im Südwesten benachteil­igt?

Zum Teil schon. Hier arbeiten sie 41 Stunden pro Woche. Zwölf Bundesländ­er lassen weniger arbeiten. Wir fordern eine Angleichun­g an den Tarif, der bei 39,5 Stunden liegt. Das Land argumentie­rt, dass es dann Lücken gäbe, die der Arbeitsmar­kt nicht füllen könne. Unser Angebot lautet: Wir arbeiten jetzt auf Halde. Wenn genug Leute eingestell­t worden sind, können die Beamten ihre Überstunde­n abfeiern. Es hat uns schwer enttäuscht, dass für die Beamten kein Geld aus dem Nachtragsh­aushalt fließt.

Beamte sind für das Land ein großer Kostenfakt­or – vor allem als Pensionäre. Gerade hier investiert Grün-Schwarz und zahlt inzwischen deutlich mehr pro Kopf in einen Pensionsfo­nds ein. Ist dieses vorausscha­uende Haushalten für das Land nicht wichtiger?

Edith Sitzmann macht eine gute Arbeit. Ich hätte mir dennoch Signale gewünscht. Die Beihilfe im Versorgung­sfall wieder auf 70 Prozent zu erhöhen, so wie in allen übrigen Bundesländ­ern und dem Bund, hätte den Landeshaus­halt mit sieben bis acht Millionen Euro pro Jahr belastet. Die Kollegen in A5 und A6 in höhere Besoldungs­gruppen einzuordne­n wäre auch nicht teurer als zehn Millionen Euro gewesen. Stattdesse­n gibt man zehn Millionen Euro für Radschnell­wege aus.

In manchen Bereichen gibt es bereits einen großen Mangel – etwa bei der IT. Sollte das Land hier Zulagen zahlen oder würde das Unmut in der Beamtensch­aft schüren?

Um die besten Köpfe zu bekommen, muss das Land über Zulagen nachdenken. Die Verwaltung wird insgesamt nur dann langfristi­g funktionie­ren, wenn jeder einzelne Bereich funktionie­rt.

Am Mittwoch treffen sich 150 Delegierte Ihrer 50 Gewerkscha­ften und Fachverbän­de zur Lande sh auptvorsta­ndssit zung–e in eder wichtigste­n Zusammenkü­nfte des Beamtenbun­ds. Auch Innenminis­ter Thomas Strobl hat sich angekündig­t. Welche Botschaft werden Sie ihm mitgeben?

Wir erwarten konkrete Aussagen zum Doppelhaus­halt 2020/2021 – zum Thema Wochenarbe­itszeit, aber auch zum Gehalt. RheinlandP­falz hat bereits angekündig­t, die Tarifergeb­nisse von 2019/2020 ohne zeitliche Verzögerun­g auf seine Beamten und Pensionäre zu übertragen, plus einem Landeszusc­hlag von zwei Prozent zum Juli 2019 und nochmal zwei Prozent zum Juli 2020. Wir haben einen Baden-Württember­g-Zuschlag zum Juli 2018 von 0,325 Prozent bekommen. Damit waren wir führend. Inzwischen haben wir nur noch die viertbeste Besoldung in Deutschlan­d. Rechnet man die höhere Arbeitszei­t ein, sind wir auf Platz acht. Wenn Mittelmaß unser Anspruch ist, dann ist die Welt für mich hier nicht mehr in Ordnung.

Gibt es denn aus Ihrer Sicht auch Lobenswert­es?

Ja. Bei Beurteilun­gen schneiden Teilzeitkr­äfte – also in der Regel Frauen – schlechter ab als Vollzeitkr­äfte. Diese Ungerechti­gkeit hat das Finanzmini­sterium in seiner Verwaltung festgestel­lt und darauf reagiert. Das ist bundesweit einzigarti­g. Ich wünsche mir auch von den anderen Ressorts, darauf zu reagieren – etwa bei der Polizei. Das Land hat schon einiges getan, damit Beamte leichter von einer Laufbahn in eine höhere aufsteigen können. Da geht aber noch mehr – Aufsteiger sollten in jedem Bereich aktiver unterstütz­t werden. Bei Führungspo­sitionen in Teilzeit und bei Tele- und Heimarbeit gibt es auch noch Verbesseru­ngsbedarf. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass Beamte sich finanziell an der EDV-Ausstattun­g eines Telearbeit­splatzes beteiligen müssen.

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FOTO: DPA Kai Rosenberge­r ist seit 2017 Landesvors­itzender des Beamtenbun­ds.

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