Schwäbische Zeitung (Biberach)
Seehofer verteidigt sein Erbe
Trotz Kritik behält der Innenminister sein Ressort – das er zu einem Riesenreich gemacht hat
BERLIN - Mit einem Satz hakt Bundesinnnenminister Horst Seehofer (CSU) Nummer vier ab: „Das Amt des Bundesinnenministers ist von dieser Entscheidung in keiner Weise berührt“. Viermal hat Seehofer im zurückliegenden Jahr einen erwogenen Rückzug von einem Amt nicht vollzogen. Intern hatte er angedeutet, von beiden Ämtern – CSU-Chef und Minister – zurücktreten zu wollen. Nun kam öffentlich die Kehrtwende.
Dass er wieder auf Zeit spielt, erregt die Opposition heftig: „Jeder Tag, den Horst Seehofer weiter Innenminister bleibt, ist ein Tag zuviel“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Aus der FDP ergänzte Innenpolitiker Konstantin Kuhle: „Wir haben einen Innenminister auf Abruf. Herr Seehofer sollte jetzt einen Schnitt machen und zurücktreten.“Und auch LinkenFraktionschef Dietmar Bartsch erklärte: „Eine Lame Duck ist im Vergleich zu Horst Seehofer ein quietschvergnügtes Entchen."
Der Koalitionspartner SPD ist da nachsichtiger. Man habe großes Interesse daran, eine erfolgreiche Regierungsarbeit zu leisten – „ob mit oder ohne Herrn Seehofer. Dies ist allein Sache der CSU“, sagte der innenpolitische Sprecher der Sozialdemokraten, Burkhard Lischka, der „Schwäbischen Zeitung“am Montag. Andere Genossen wurden da deutlicher. SPD-Parteivize Ralf Stegner hielte einen Rückzug Seehofers für „konsequent“.
Seehofer überrumpelte die SPD
Die empörten Proteste fechten Seehofer nicht an. Denn immerhin hat er viel zu verlieren. Nämlich das, was er als sein politisches Erbe betrachtet: sein Ministerium.
Es war Seehofer, der es nach der Bundestagswahl zu einem Riesenreich ausgebaut hatte. Zu den klassischen Aufgaben Innere Sicherheit, Katastrophenschutz, Migration, Verfassungsrecht, Cyber-Sicherheit und Sport zog er noch die Kompetenzen für das Bauwesen an sich und gründete mit der Abteilung Heimat die größte des Hauses.
Zusammen mit den nachgeordneten Behörden wie Bundespolizei oder Verfassungsschutz unterstehen ihm mehr als 60 000 Mitarbeiter. Viel zu viel für einen Minister allein, heißt es aus der Opposition ebenso wie aus der SPD.
Der Unmut über Seehofers Art der Amtsgestaltung wurde zwar durch die Querelen mit dem Koalitionspartner über seinen Masterplan oder die Affäre um den ehemaligen Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen überdeckt.
Aber im Innenausschuss des Bundestages grummelte es die ganze Zeit. Während sein Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) stets gut vorbereitet in die Sitzungen gekommen sei und seine Vorhaben schon Monate im Voraus besprochen habe, agiere Seehofer spontan, heißt es dort. Sogar den Koalitionspartner überraschte er regelmäßig mit seinen Vorstößen. „Er scheint sich oft nicht mit den Themen beschäftigt zu haben“, berichtet ein Ausschussmitglied. Vielfach müsse er bei seinen Mitarbeitern nachfragen. Außer bei seinem Herzensthema Heimat. Über den geplanten Anschluss abgehängter Regionen an einen auskömmlichen Lebensstandard kann Seehofer stundenlang reden. Und es ist – neben der Eindämmung von Migration – wohl auch das Projekt, das ihn am ehesten im Amt hält. Auch wenn einige Mitarbeiter seines Hauses bei diesem Thema die Augen verdrehen. „Geld kann man nur einmal ausgeben“, heißt es auf manchen Fluren. Viele traditionelle Innenministeriums-Mitarbeiter sähen es besser bei der Stärkung der Sicherheitsbehörden aufgehoben.
Auch personell will Seehofer Pflöcke einschlagen, bevor er sich eventuell doch zurückzieht. Die Wahl des bisherigen Vizechefs Thomas Haldenwang als Nachfolger des Ex-Verfassungsschutzchefs HansGeorg Maaßen wird allerdings kaum für Streit sorgen: Er wird von Regierung wie Opposition gleichermaßen geschätzt.