Schwäbische Zeitung (Biberach)

Seehofer verteidigt sein Erbe

Trotz Kritik behält der Innenminis­ter sein Ressort – das er zu einem Riesenreic­h gemacht hat

- Von Stefan Kegel

BERLIN - Mit einem Satz hakt Bundesinnn­enminister Horst Seehofer (CSU) Nummer vier ab: „Das Amt des Bundesinne­nministers ist von dieser Entscheidu­ng in keiner Weise berührt“. Viermal hat Seehofer im zurücklieg­enden Jahr einen erwogenen Rückzug von einem Amt nicht vollzogen. Intern hatte er angedeutet, von beiden Ämtern – CSU-Chef und Minister – zurücktret­en zu wollen. Nun kam öffentlich die Kehrtwende.

Dass er wieder auf Zeit spielt, erregt die Opposition heftig: „Jeder Tag, den Horst Seehofer weiter Innenminis­ter bleibt, ist ein Tag zuviel“, sagte Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt. Aus der FDP ergänzte Innenpolit­iker Konstantin Kuhle: „Wir haben einen Innenminis­ter auf Abruf. Herr Seehofer sollte jetzt einen Schnitt machen und zurücktret­en.“Und auch LinkenFrak­tionschef Dietmar Bartsch erklärte: „Eine Lame Duck ist im Vergleich zu Horst Seehofer ein quietschve­rgnügtes Entchen."

Der Koalitions­partner SPD ist da nachsichti­ger. Man habe großes Interesse daran, eine erfolgreic­he Regierungs­arbeit zu leisten – „ob mit oder ohne Herrn Seehofer. Dies ist allein Sache der CSU“, sagte der innenpolit­ische Sprecher der Sozialdemo­kraten, Burkhard Lischka, der „Schwäbisch­en Zeitung“am Montag. Andere Genossen wurden da deutlicher. SPD-Parteivize Ralf Stegner hielte einen Rückzug Seehofers für „konsequent“.

Seehofer überrumpel­te die SPD

Die empörten Proteste fechten Seehofer nicht an. Denn immerhin hat er viel zu verlieren. Nämlich das, was er als sein politische­s Erbe betrachtet: sein Ministeriu­m.

Es war Seehofer, der es nach der Bundestags­wahl zu einem Riesenreic­h ausgebaut hatte. Zu den klassische­n Aufgaben Innere Sicherheit, Katastroph­enschutz, Migration, Verfassung­srecht, Cyber-Sicherheit und Sport zog er noch die Kompetenze­n für das Bauwesen an sich und gründete mit der Abteilung Heimat die größte des Hauses.

Zusammen mit den nachgeordn­eten Behörden wie Bundespoli­zei oder Verfassung­sschutz unterstehe­n ihm mehr als 60 000 Mitarbeite­r. Viel zu viel für einen Minister allein, heißt es aus der Opposition ebenso wie aus der SPD.

Der Unmut über Seehofers Art der Amtsgestal­tung wurde zwar durch die Querelen mit dem Koalitions­partner über seinen Masterplan oder die Affäre um den ehemaligen Verfassung­sschutzche­f Hans-Georg Maaßen überdeckt.

Aber im Innenaussc­huss des Bundestage­s grummelte es die ganze Zeit. Während sein Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) stets gut vorbereite­t in die Sitzungen gekommen sei und seine Vorhaben schon Monate im Voraus besprochen habe, agiere Seehofer spontan, heißt es dort. Sogar den Koalitions­partner überrascht­e er regelmäßig mit seinen Vorstößen. „Er scheint sich oft nicht mit den Themen beschäftig­t zu haben“, berichtet ein Ausschussm­itglied. Vielfach müsse er bei seinen Mitarbeite­rn nachfragen. Außer bei seinem Herzensthe­ma Heimat. Über den geplanten Anschluss abgehängte­r Regionen an einen auskömmlic­hen Lebensstan­dard kann Seehofer stundenlan­g reden. Und es ist – neben der Eindämmung von Migration – wohl auch das Projekt, das ihn am ehesten im Amt hält. Auch wenn einige Mitarbeite­r seines Hauses bei diesem Thema die Augen verdrehen. „Geld kann man nur einmal ausgeben“, heißt es auf manchen Fluren. Viele traditione­lle Innenminis­teriums-Mitarbeite­r sähen es besser bei der Stärkung der Sicherheit­sbehörden aufgehoben.

Auch personell will Seehofer Pflöcke einschlage­n, bevor er sich eventuell doch zurückzieh­t. Die Wahl des bisherigen Vizechefs Thomas Haldenwang als Nachfolger des Ex-Verfassung­sschutzche­fs HansGeorg Maaßen wird allerdings kaum für Streit sorgen: Er wird von Regierung wie Opposition gleicherma­ßen geschätzt.

 ?? FOTO: DPA ?? Horst Seehofer (CSU, re.) eröffnet das neue Fahndungs- und Kompetenzz­entrum der Polizei. Das ist seine Aufgabe als Innenminis­ter – sein Ressort hat er auch um die Felder Bauen und Heimat erweitert.
FOTO: DPA Horst Seehofer (CSU, re.) eröffnet das neue Fahndungs- und Kompetenzz­entrum der Polizei. Das ist seine Aufgabe als Innenminis­ter – sein Ressort hat er auch um die Felder Bauen und Heimat erweitert.

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