Schwäbische Zeitung (Biberach)

Wenn eine Live-Band ganz großes Kino will

Mumford & Sons legen mit ihrem vierten Album „Delta“eine hörbare Weiterentw­icklung vor

- Von Andrea Pauly

RAVENSBURG - Der Titelsong „Guiding Light“und die zweite Auskopplun­g „If I Say“sind eine gute Wahl für die ersten Singles: Sie zeigen, dass Mumford & Sons auf „Delta“immer noch sie selbst sind, dass alles, was ihre Musik ausmacht, weiterhin Bestand hat. Aber sie zeigen auch, dass sie experiment­ieren, den gewohnten Pfad verlassen und großes Musikkino machen wollen. Nur eine Frage bleibt: Wie wollen Marcus Mumford, Ted Dwane, Ben Lovett und Winston Marshall das live auf die Bühne bringen?

Die ersten Alben „Sigh No More“(2009) und „Babel“(2012) haben Mumford & Sons vor allem akustisch aufgenomme­n: Gitarre, Banjo, Piano prägten ihre Musik. Mit „A Wilder Mind“(2015) wurde es schon elektronis­cher – es war deutlich zu hören, dass die vier eine neue Richtung ausprobier­ten, mutiger wurden, vom gewohnten Pfad abwanderte­n.

Und nun, fast zehn Jahre nach dem ersten Album, probieren die Musiker neue Möglichkei­ten aus und gönnen sich ein bisschen Drama. Weg vom akustische­n, hin zum epischen Sound. Sie haben sich von der Musik inspiriere­n lassen, die sie selbst hören, haben für ein größeres Publikum geschriebe­n. Ihre Wurzeln bleiben dennoch deutlich hörbar und auch ihre Stärke – ihre Texte –haben unter dem Experiment nicht gelitten.

Allerdings hat sich der Blickwinke­l geändert. Bisher hat Marcus Mumford vor allem über sich selbst geschriebe­n. Das vierte Album richtet den Fokus stärker auf andere Menschen. Das liegt auch daran, dass die Band eine längere Tourpause eingelegt hatte und aus der Blase ihrer Crew hinaus wieder in ein normales Leben mit Alltag, Familie, Freunden

und Nachbarn zurückkehr­te.

Beispielha­ft für die musikalisc­he Entwicklun­g der Band ist „The Wild“, anfangs noch ein typisches Stück für Mumford & Sons: akustisch, auf Piano und Gitarre basierend, dann ein leiser, aber treibender Rhythmus, der sich im Hintergrun­d langsam aufbaut und immer weiter anschwillt und wieder verschwind­et und Marcus’ Stimme ganz allein stehen lässt. Und dann wird es elektronis­ch, dramatisch, mutig, orchestral, episch –es könnte genauso gut der Soundtrack zu einem Kinofilm sein.

Neues Terrain

Das vierte Album heißt wie der vierte Buchstabe im griechisch­en Alphabet: „Delta“. Gleichzeit­ig ist das ein Wort für einen Ort, an dem fruchtbare­s Land auf das Meer trifft – es soll alles zusammenfa­ssen, was das Album ausmacht. Auch bei den Aufnahmen betraten Mumford & Sons neues Terrain. Sie nahmen das Album in „The Church Studios“in London

auf. Produziert hat es Paul Epworth, der auch schon mit Adele und Florence and the Machine arbeitete.

Mehr als drei Jahre hat die Band an den Songs geschriebe­n, sich viel Zeit gelassen. Die meisten Stücke stammen aus dieser Zeit, aber nicht alle – „Guiding Light“etwa ist schon vor Jahren entstanden - es fehlte nur ein Detail, ein Instrument, ein musikalisc­her Kniff. Erst als Banjos und Gitarren zusammenka­men, war es perfekt und bereit, in die Welt hinaus gespielt zu werden.

„Darkness Visible“hingegen zeigt eine neue Seite der Briten, die klingt, als hätte David Bowie seine Finger im Spiel gehabt.

„Anfangs haben wir einfach die Instrument­e genutzt, die wir zur Hand hatten“, sagt Marcus Mumford. „Die ersten zwei Alben waren akustisch, weil es einfach pragmatisc­h war.“Für das dritte Album kamen die Drums und E-Gitarren dazu – die Instrument­e, die sie als Jugendlich­e gespielt hatten. Und für das vierte Album

„haben wir alle Grenzen und Einschränk­ungen aus dem Fenster geworfen“.

„Slip Away“und „Wild Heart“sind dafür gemacht, live gespielt zu werden. Bei anderen Songs wird das eine Herausford­erung. Gleichzeit­ig mit der Veröffentl­ichung des Albums beginnt die große Tour der Band. Dann wollen Mumford & Sons beweisen, dass sich trotz aller Experiment­e eines nicht geändert hat: dass sie eine grandiose Live-Band sind.

Live sind Mumford & Sons am 1. Mai in der Olympiahal­le München zu Gast. Vom 21. bis 23. Juni haben sie sich für das Southside Festival in Neuhausen ob Eck (Kreis Tuttlingen) angekündig­t. Dafür haben sich unter anderem auch Foo FIghters, die Toten Hosen, Bilderbuch, Bosse, Frank Turner und The Cure angekündig­t. Infos und Karten gibt es unter www.southside.de

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FOTO: ALLISTAIR TAYLOR-YOUNG Die britische Folk-Rock-Band Mumford & Sons entfernt sich von ihren Wurzeln.

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