Schwäbische Zeitung (Biberach)

Kinderarzt wegen Missbrauch­s vor Gericht

Nach Gefängnisu­rteil mit Sicherungs­verwahrung wird Augsburger Fall neu aufgerollt

-

AUGSBURG (dpa) - Für den Missbrauch von rund 20 Jungen wurde ein Kinderarzt im März 2016 in Augsburg zu einer dreizehnei­nhalbjähri­gen Gefängniss­trafe, Sicherungs­verwahrung und lebenslang­em Berufsverb­ot verurteilt. Seit Montag befasst sich das Augsburger Landgerich­t erneut mit dem Fall.

Seit den 1990er-Jahren hatte sich der Arzt reihenweis­e an kleinen Kindern sexuell vergangen. Dem Bundesgeri­chtshof (BGH) erschien das damals gefällte Urteil zu hart. Die Karlsruher Richter meinten, dass der Angeklagte zumindest bei einem Teil der Taten wegen seiner Pädophilie vermindert schuldfähi­g gewesen sein könnte und dann eine mildere Strafe bekommen könnte. Deswegen verhandelt eine andere Kammer des Augsburger Landgerich­tes den Fall nun ein weiteres Mal.

Zu Beginn des Verfahrens wurden stundenlan­g die bisherigen Gerichtsbe­schlüsse verlesen. Der 43 Jahre alte Kinderarzt sagte am ersten Verhandlun­gstag nicht aus, er hatte bereits im ersten Verfahren ein umfangreic­hes Geständnis abgelegt und den missbrauch­ten Kindern so eine Aussage vor Gericht erspart. Allerdings hatte er seine Taten mitunter auch mit Kameras aufgenomme­n und so selbst der Kripo belastende Beweismitt­el geliefert.

Die Verteidige­r nutzten den ersten Verhandlun­gstag, um einen Befangenhe­itsantrag gegen den forensisch­en Psychiater zu stellen, der bereits am ersten Prozess beteiligt war. Die Richter haben über den Antrag noch nicht entschiede­n. Für das neue Verfahren hat die Kammer allerdings auch einen zweiten Sachverstä­ndigen bestellt und damit eine Forderung des BGH umgesetzt.

Mit Spielzeug gelockt

Der Mediziner hatte immer wieder in Augsburg und München Kinder auf der Straße oder einem Spielplatz angesproch­en, ihnen Spielzeug versproche­n und sie dann in Kellern oder Tiefgarage­n missbrauch­t. Der Mann verging sich zudem an den Söhnen von zwei Freundinne­n. So hatte er bei Reisen nach Nürnberg und nach Florida die Buben in Hotelzimme­rn missbrauch­t.

Der 43-Jährige nutzte bei seinen Taten auch aus, dass er als Notarzt für das Bayerische Rote Kreuz (BRK) tätig war. Er warb an Grundschul­en für kostenlose Ausflüge für benachteil­igte Kinder. Dabei trat er als Mediziner des Augsburger Klinikums oder BRK-Chefarzt auf, beide Einrichtun­gen wussten davon nichts. So konnte der Arzt mit mehreren Buben Fahrten unternehme­n und sich an den Schülern vergehen.

Die schwerwieg­endste Tat beging der Mann dann im August 2014 im niedersäch­sischen Garbsen. Dort entführte der Arzt einen Fünfjährig­en in seine Wohnung in Hannover, wo der Mann damals an der Medizinisc­hen Hochschule arbeitete. Der Kinderarzt zwang das Kind, ein Narkosemit­tel einzunehme­n und verging sich an ihm. Nach zwei Stunden setzte er das Kind irgendwo in der niedersäch­sischen Landeshaup­tstadt wieder aus.

Klar ist bereits zu Beginn des neuen Verfahrens, dass der deutsche Staatsbürg­er wieder zu einer Haftstrafe verurteilt wird. Der BGH-Senat schloss ausdrückli­ch aus, dass die Schuldfähi­gkeit des Angeklagte­n bei Begehung der Taten vollständi­g aufgehoben war. Entscheide­nd für die Höhe der Strafe werden deswegen nun die neuen Gutachten über die Psyche des Angeklagte­n sein. Auch die vor zweieinhal­b Jahren vom Augsburger Gericht gegen den Mann verhängte Sicherungs­verwahrung und das lebenslang­e Berufsverb­ot müssen von der Jugendschu­tzkammer erneut überprüft werden.

18 weitere Verhandlun­gstage sind geplant, das Urteil wird voraussich­tlich am 29. Januar 2019 verkündet.

 ?? FOTO: DPA ?? Dreizehnei­nhalb Jahre sollte der Angeklagte in Haft – doch der BGH hatte Zweifel an der Schuldfähi­gkeit.
FOTO: DPA Dreizehnei­nhalb Jahre sollte der Angeklagte in Haft – doch der BGH hatte Zweifel an der Schuldfähi­gkeit.

Newspapers in German

Newspapers from Germany