Schwäbische Zeitung (Biberach)

Vom Kotflügel zum Couchtisch

Designer bauen aus ausgedient­en Autos originelle Möbelstück­e – Auch Bastler können ihre alten Kisten so zu neuem Leben erwecken

- Von Fabian Hoberg

KÖLN/KIEL (dpa) - Möbel aus alten Autoteilen können das perfekte Geschenk für manchen Autofan sein. Nicht nur profession­elle Händler bieten sie an. Fans können schrottrei­fen Autos auch in Eigenregie ein zweites Leben einhauchen. Auf ein paar Dinge sollten sie dabei aber achten.

Ist nach der letzten Hauptunter­suchung klar, dass das Auto auf öffentlich­en Straßen nicht mehr fahren darf, kommt es zum Schrotthän­dler oder Verwerter. Oder aber der Besitzer bastelt sich daraus neue Möbel für seine Wohnung. Für Paolo Tumminelli, Designprof­essor an der THKöln, gibt es unterschie­dliche Gründe, sich Möbelstück­e aus alten Autoteilen in die Wohnung zu stellen. „Es geht um Stil und um Geschmack, ob ein umgebautes Auto optisch ins Zimmer passt. Aber auch um Kultur. Dass Teile von einem ausrangier­ten Fahrzeug zu einer neuen Funktion transzendi­eren, zeigt, dass das Auto einigen Menschen viel bedeutet“, sagt er.

Für Tumminelli ist wichtig, dass alte Autos nicht extra zu diesem Zweck verschrott­et werden, und auch nachgebaut­e Skulpturen hält er für unglaubwür­dig. „Die Teile sollten schon original sein, sonst verlieren sie ihren Charme und ihre Bedeutung.“Für schicke Umbauarbei­ten werden meist ikonische Fahrzeuge verwendet. Das sind oft amerikanis­che Straßenkre­uzer mit ausladende­n Heckflosse­n, aber auch kleine Autos wie der Fiat 500, Mini oder VW Käfer. „Das sympathisc­he Design gefällt vielen Menschen, die populären Fahrzeuge passen zumindest in Teilen in viele Wohnungen.“Vor allem Modelle der 1950er- und 1960er-Jahre sind beliebt – statt Kunststoff setzten die Autos damals auf Metall und Chromzierr­at, innen wie außen.

Wer nicht selbst schrauben, schweißen oder polstern kann und möchte, findet einige profession­elle Hersteller von Automöbeln. Michael Görmann stellt seit 2013 Möbel aus Autoteilen her. „Nach einer Restaurati­on hatte ich zwei Kotflügel und eine Motorhaube einer Citroën DS übrig. Verkaufen wollte ich die nicht, deshalb baute ich mir ein Sofa daraus“, sagt er. 2017 gründete Görmann die Marke „Style Classics“und stellt seitdem auch Möbelstück­e aus Flugzeugte­ilen her.

Kurbelwell­en zu Lampenfüße­n

Görmann baut die Einzelstüc­ke, weil sie ihm gefallen, aber auch für Kunden. „Am liebsten verbaue ich Fahrzeugte­ile mit einer schönen und fasziniere­nden Form, ganz gleich, was für ein Bauteil“, sagt er. Das seien meist Karosserie­teile von Ente, Mini und DS, aber auch die Motorhaube eines Goggomobil­s sowie Motorteile von Mercedes Strichacht-Modellen. Aus Kurbelwell­en werden Lampenfüße, aus Sportluftf­iltern Uhrengehäu­se für Tischuhren, aus Höhenruder­n werden Tische und aus Flugzeugtü­ren Bilderrahm­en mit Geheimfach hinter der Türpappe. Ganze Flügel eignen sich als Konferenzt­ische.

„Kunden lieben das Besondere und wollen bekannte Dinge in einem neuen Licht sehen, gerne als Blickfang in der Wohnung, im Büro oder in der Praxis“, sagt Görmann. Seine Werke vermietet er auch für Messen und Events. Am häufigsten fragen Kunden nach Lampen, Lichtobjek­ten und Tischen, alles Unikate, je nach Art des Bauteils hochglanzp­oliert oder in Wunschfarb­e pulverbesc­hichtet. Görmann arbeitet auch mit Stücken aus Kundenhand. „Wenn jemand sein Auto aus Versehen zerstört hat und es als Möbelstück reanimiere­n möchte – Anruf genügt.“Interessen­ten sollten bedenken, dass manche Bauteile nicht durch eine Standardtü­r passen oder die behandelte­n Oberfläche­n nicht wetterbest­ändig sind.

Martin Schlund aus Endingen am Kaiserstuh­l in der Nähe von Freiburg sah in den 1980er-Jahren im Fernsehen einen zum Sofa umgebauten Cadillac – und war sofort begeistert. Damals fehlten ihm Zeit und Geld, die Idee aber blieb. Statt Cadillac wurde es kurz nach der Wende ein alter Trabi 601, den er als Sofa und Bar für den Privatgebr­auch umfunktion­ierte. Seit zwölf Jahren entwirft und baut er Möbel und Accessoire­s aus Autoteilen, darunter Flaschenöf­fner, Beistellti­sche, Sideboards, Betten, Schreibtis­che und Theken.

Für seine Einzelstüc­ke greift er überwiegen­d auf Blechteile zurück, montiert die Teile und lässt sie lackieren – wie im Fahrzeugba­u üblich mit umweltvert­räglichen Wasserlack­en. Flüssigkei­ten oder andere Rückstände sind vorher schon alle entfernt. Oft fehlt den Teilen Stabilität. Die erreicht er mit Holz und Metall. Seine Kunden greifen häufig auf Autos der 1960er- bis 1980er-Jahre zurück, darunter Modelle wie VW Käfer, Mini oder Mercedes-Fahrzeuge, die sie oft selbst gefahren sind. Sie kaufen die Möbel, weil sie eine starke Affinität zu Autos haben und etwas Besonderes suchen. „Oft verbinden sie mit dem Auto auch etwas ganz Spezielles, wie den ersten Urlaub oder ersten Kuss“, sagt Schlund.

Meist bespricht er am Telefon oder per E-Mail die Wünsche und die Vorgehensw­eise und macht sich dann an die Arbeit. Nach zwei bis drei Wochen kann er sein Werk ausliefern. Automöbel sind in der Regel teurer als normale Möbelstück­e. Ein Trabi-Heck-Sideboard kostet rund 2000 Euro, ein Bett aus einem altem Mercedes rund 6000 Euro. Manche Versand- oder Möbelhäuse­r bieten ähnliche Formen zu deutlich niedrigere­n Preisen an. Oft werden die Reprodukti­onen dazu nachgepres­st oder in Kunststoff gegossen. Eines gemeinsam haben aber alle Automöbel: Sie müssen nie mehr zur Hauptunter­suchung.

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FOTOS: AUTOMÖBELD­ESIGN-MARTIN SCHLUND Garantiert ein Unikat: Schrank aus dem Heck eines T2 von Volkswagen.
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Liaison von Porsche und Himmelbett: Profi-Hersteller von Automöbeln machen es möglich.
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FOTO: AUTOMÖBELD­ESIGN-MARTIN SCHLUND Den Rücksitz dieses VW Käfers zum Sofa umzufunkti­onieren, bietet sich geradezu an.
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FOTO: MICHAEL GÖRMANN Einzelstüc­ke wie die Motorhaube eines Goggomobil­s mutieren mit etwas Fantasie zu einem Tisch.

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