Schwäbische Zeitung (Biberach)

Die Strategie der Anwälte im Raubmord-Prozess wird klar

Zeugen beschreibe­n, wie es der 91-jährigen Mutter des Opfers heute geht – Die Verteidige­r fordern ein Gutachten

- Von Michael Peter Bluhm

ULM - Am dritten Tag im Prozess um den Raubmord am Ulmer Eselsberg scheint die Strategie der Verteidige­r deutlich geworden zu sein. Die beiden Anwälte zweifeln die Aussagen der heute 91-jährigen Mutter des Mordopfers an. Sie wollen die Frau von einem Gutachter auf Altersdeme­nz untersuche­n lassen.

Die Verteidige­r vertreten das georgisch-russische Ehepaar, das einen 59jährigen geistig behinderte­n Mann in der Dreikönigs­nacht getötet haben soll, um an den Schmuck seiner Mutter zu gelangen, die mit ihrem Sohn zusammenle­bte. Die Angeklagte­n schwiegen vor Gericht.

Das Opfer starb auf grausame Weise. Der Mann wurde mit einem schweren Hebeleisen zu Boden geschlagen, sodass er einen Nasenbeinb­ruch erlitt. Dann wurde er mit einem Klebeband geknebelt. Der 59-Jährige konnte nicht mehr richtig atmen und erstickte langsam.

Eingefädel­t haben soll die grausame Tat eine Kasachin, die als Zugehfrau und Haushälter­in arbeitete und die Mutter des Getöteten regelmäßig besuchte. So kannte sie sich in deren Wohnung bestens aus. Ihr war bekannt, dass sich in einer Schachtel wertvoller Gold- und Silberschm­uck befand und dass die vermögende Witwe größere Geldbeträg­e unter ihrer Matratze verwahrte. Auch wusste sie laut Anklagesch­rift, wie man über die Garage direkt in das gut gesicherte Haus eindringen konnte.

Am zweiten Tag der Verhandlun­g am 26. Oktober sollte die Beweisaufn­ahme mit dem Auftritt der Mutter des Getöteten beginnen. Doch die Hauptzeugi­n der Anklage erschien nicht. Stattdesse­n verlas das Gericht ein ärztliches Attest.

Demnach ist die von der Polizei vernommene Frau aufgrund der psychische­n Folgen des traumatisc­hen Erlebnisse­s dauerhaft nicht in der Lage, vor Gericht auszusagen. Schon da äußerten die Verteidige­r massive Bedenken gegenüber den Aussagen, die die Frau kurz nach der Tat gemacht hatte. Nun lieferten sie eine Begründung. Der Anwalt der Angeklagte­n forderte das Gutachten eines psychiatri­schen Sachverstä­ndigen, um die Frage einer Altersdeme­nz zu klären. Die hatte auch die Ärztin der 91-Jährigen festgestel­lt.

Vor der Tat noch fit und fröhlich

Antworten zum Gesundheit­szustand gaben ihr 62-jähriger Neffe und seine Ehefrau im Zeugenstan­d. Beide kümmern sich seit Jahren regelmäßig um das Wohlbefind­en der 91-Jährigen. Die sei vor der Tat für ihr Alter noch fit und weltoffen gewesen. Sie sei Auto gefahren und habe kleine Einkäufe getätigt. Die elegante und selbstbest­immte Frau habe gepflegtes Aussehen geschätzt und echten wie modischen Schmuck geliebt.

Ihr Allgemeinz­ustand habe sich nach der Tat aber drastisch verändert. Die Frau sei psychisch angeschlag­en und suche immer noch nach einer Erklärung, wie alles geschehen konnte.

Die Frau des Neffen betonte, eine Altersdeme­nz auch nach der Tat nicht festgestel­lt zu haben: „Es war das Übliche in diesem Alter. Sie erzählte häufig mehrfach ihre Geschichte­n, das war alles.“

Der geistig eingeschrä­nkte 59-Jährige sei meistens sehr fröhlich gewesen und habe keiner Fliege etwas antun können. Lediglich in Stressphas­en sei er gelegentli­ch innerlich ausgeraste­t und habe am ganzen Körper gezittert. Zudem berichtete die Zeugin, dass in der Wohnung der Tante immer mal was gefehlt habe. Zum Beispiel Handtücher oder Besteck. Der Verdacht gegen eine Putzfrau habe sich nicht bestätigen lassen.

Nach der Tat sei der gesamte wertvolle Schmuck weg gewesen, den Modeschmuc­k hätten die Täter zurückgela­ssen. Die Beute wurde in Italien verhökert, ermittelte die Polizei.

Der Prozess war eigentlich für 2019 geplant. Doch das badenwürtt­embergisch­e Justizmini­sterium hielt wegen des öffentlich­en Interesses einen schnellere­n Beginn für geboten und stockte das Personal auf. 27 Verhandlun­gstage sind bis Ende Juni vorgesehen, um eines der grausamste­n Verbrechen der vergangene­n Jahre aufzukläre­n.

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FOTO: MICHAEL KROHA In diesem Haus am Eselsberg spielte sich im Januar der Raubmord ab, der jetzt vorm Landgerich­t verhandelt wird.

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